Unternehmen


32

BR-Bergsteigersendung Bergauf-Bergab feiert 40.

Am 23. September 1975 lief zum ersten Mal im Bayerischen Fernsehen die Sendung "Bergauf-Bergab". Redaktionsleiter Michael Pause blickt zurück und erzählt über die Besonderheiten sowie den anhaltenden Erfolg der Bergsteigersendung.

Stand: 08.09.2015

Abschied vom alten "Waltenberger Haus" am Allgäuer Hauptkamm | Bild: BR/Rupert Waldmüller

Sportredakteur Hermann Magerer hatte die Idee: im Bayerischen Fernsehen sollte es eine Sendung von und für Bergsteiger geben. So ging vor 40 Jahren "Bergauf-Bergab" an den Start und gehört seitdem genauso zum Programm-Inventar des BR wie das "Rucksackradio" im Hörfunk.

"Sendungs-Erfinder" Hermann Magerer

Hermann Magerer

Bei den Zuschauern kommt die Mischung, die Hermann Magerer und seit 1998 sein Nachfolger Michael Pause gepflegt haben, gut an. Die Beiträge verdeutlichen auch, wie sich der Alpinismus in vier Jahrzehnten verändert hat – in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, im Entstehen neuer Disziplinen wie Mountainbiking, Canyoning, Gleitschirmfliegen und Eisklettern, und auch in der Frage der Kommerzialisierung.

Der "spirit", die Leidenschaft für das aktive und respektvolle Erleben der Natur, ist allerdings noch immer zu spüren. Das Team von "Bergauf-Bergab" ist versiert – journalistisch wie alpinistisch. Es betrachtet die Berge nicht nur als Spiel- und Sportplatz, sondern ebenso als vielfältigen Natur- und Kulturraum – als geografi™sche Schnittstelle von Mensch, Natur, Technik, Kunst und Wissenschaft.

Redaktionsleiter Michael Pause im Interview

40 Jahre im TV-Programm mit einem sehr speziellen Themenbereich. „Special Interest“ heißt das bei Printmedien. Wie erklären Sie sich den anhaltenden Erfolg?
Bergsteigen insgesamt, und im Besonderen Bergwandern, ist Teil der bayerischen Freizeitgestaltung und auch des bayerischen Lebensgefühls. Hermann Magerer, der die Sendung 1975 ins Leben rief und ins Programm hievte, wollte eine Sendung für Bergsteiger von Bergsteigern machen. Dieser Anspruch hat sich bewährt und gilt noch heute, auch wenn sich das Spektrum der alpinen Aktivitäten in den 40 Jahren doch massiv erweitert und spezifiziert hat.

Was hat sich am meisten verändert seit der ersten Sendung im Herbst 1975?
Vor vierzig Jahren genügte es, eine Bergtour in den bayerischen Bergen zu zeigen: in schönen Bildern, in langen Einstellungen, mit einem unterhaltsamen Text – ohne Heldenpathos. Dazu noch ein paar Informationen um das Thema Bergsteigerei. Authentisch musste es sein. Letzteres ist noch heute ein entscheidender Faktor, weil die Menschen in den Medien mit so vielen falschen Wirklichkeiten konfrontiert werden. Wir haben aber heute einen doppelt so schnellen Schnittrhythmus wie damals – und erscheinen dennoch fast beschaulich. Wir haben mehr alpine Disziplinen, über die wir berichten, und wir müssen einen erträglichen Umgang mit der Kommerzialisierung des Bergsports finden.

Was heißt das?
Wir wollen weiterhin journalistisch und unabhängig berichten, uns nicht kommerziellen Forderungen und Vorgaben ergeben. Viele Bergsteigerprofis müssen ihren Sponsoren spektakuläre "action" liefern, die aber sozusagen den alpinen Erlebnishorizont unserer Zuschauer überschreiten. Also zeigen wir gelegentlich, was die Bergsteigerelite – wie beispielsweise die Huber-Buam – treibt, orientieren uns überwiegend aber an den Aktivitäten der Normalbergsteiger und Wanderer. Da wollen wir bei den Jüngeren Sehnsüchte und bei den Älteren Erinnerungen wecken. Beides gelingt uns immer wieder.

Wie hat sich der Aufwand für die Dreharbeiten geändert?
Die alpinen Spielfilme oder die großen Dokumentarfilme, die im Kino laufen, werden natürlich mit einem unglaublichen Produktionsapparat hergestellt. Bei uns gilt seit jeher das Motto: kleines Team, große Leistung. Unsere Kamerateams bestehen in der Regel aus drei Leuten, die alle hervorragende Bergsteiger sind (viele von ihnen Bergführer oder Bergwachtler), und so können wir trotz der Dreharbeiten ziemlich flott unterwegs sein. Wir haben in 40 Jahren nur in wenigen Ausnahmefällen mal einen Hubschrauber benutzt, (höchstens 15 Mal bei mehr als 630 Sendungen), sind aber jetzt nicht unglücklich über die Drohnen, die uns mit relativ geringem Aufwand phantastische Bilder aus faszinierenden Perspektiven ermöglichen.

Was ist beim Filmen am Berg "anders"?
Alle, die dabei sind, gehen mit Begeisterung in die Berge, man hat also quasi nie ein Motivationsproblem. Jeder nimmt die Strapazen gerne auf sich und ist sich der Gefahren bewusst, und alle nehmen aufeinander Rücksicht. Bei uns ist der "Spirit" immer gut, und das spüren auch die Begleiter und Begleiterinnen, so dass sie auch beim Agieren vor der Kamera ihre natürliche Art bewahren. Wir sind viel weniger als Kollegen, sondern vor allem als Freunde unterwegs.

Wie gehen Sie bei den Filmarbeiten mit den alpinen Gefahren um?
Am knappsten sind wir wohl vor wenigen Jahren bei einem Lawinenabgang an der Katastrophe vorbeigeschrammt. Die drei Verschütteten – der Kameramann, der Assistent und ein "Darsteller" konnten in kürzester Zeit geortet und ausgegraben werden. Jeder Bergsteiger weiß, dass man in den Bergen Glück braucht, dass man sich nur nicht darauf verlassen darf. Unsere Kamerateams sind ausnahmslos erfahrene und hervorragende Bergsteiger, und häufig oder meistens befindet sich unter den Begleitern ein einheimischer Bergführer, der die lokalen Routen und ihre speziellen Gefahren kennt. Wir produzieren ausdrücklich keine Lehrsendungen für vorschriftsmäßiges Verhalten am Berg, so dass sich Zuschauer manchmal wundern. Aber wir sind eben mit einem reichen Erfahrungsschatz, mit großem Respekt und viel Verantwortungsbewusstsein unterwegs.

Sie haben viele bemerkenswerte Bergsteiger und Menschen kennengelernt. Wer hat sie am stärksten beeindruckt?
Am stärksten hat mich Edmund Hillary fasziniert – eine großartige Persönlichkeit! In welchem Maß er die Erstersteigung des Mount Everest und die darauf basierende Popularität in ein humanitäres Hilfsprojekt für die Sherpas verwandelt hat, hat meine allergrößte Bewunderung. Und gleichzeitig ist er ein warmherziger und fast bescheidener Mensch geblieben. Natürlich kommt niemand, der in den letzten 40 Jahren über die Bergsteigerei berichtet, an Reinhold Messner vorbei; seine alpinistischen Leistungen stehen außer Frage, aber er beeindruckt genauso oder mehr mit seinem Selbstvermarktungstalent – und das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Seine cholerischen Ausfälle gegenüber kritischen Journalisten können wie Naturereignisse wirken. Viel lieber sind mir die Begegnungen abseits der Alpinprofi- und –promi-Szene: da trifft man viele Typen, die durch ihre Leidenschaft und Authentizität viel mehr Eindruck hinterlassen als die vermarkteten "Key Visuals" oder "Testimonials" der Outdoor-Industrie. Ich denke da an Leute wie Hans Engl, Christoph Hainz, Hajo Netzer, Ines Bozic, Francois Perraudin, Didier Givois, Michi Andres, Christian Rottenegger und Annette Kniffler.

Welchen Berg würden Sie gerne unbedingt noch sehen oder filmen?
Einfach nur aus der Nähe sehen – den Cerro Torre. 2013 bin ich mit diesem Wunsch privat zusammen mit meinem Sohn nach Patagonien gereist. Und obwohl wir uns eine Woche lang mehr oder weniger in Sichtweite des Berges bewegt haben, haben wir ihn in seiner ganzen Größe nie zu Gesicht bekommen. Es ist einfach ein Unterschied, ob man den Berg vor sich hat oder ob er "nur" auf der Leinwand oder dem Flatscreen zu sehen ist.


32