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"Berlin" Netflix hat "Haus des Geldes" zur reaktionären Männerphantasie verkommen lassen

Die Netflix Serie "Haus des Geldes" war actiongeladen, intelligent und politisch. Die spanischen Macher haben nun ein Spin-off um den Charakter Berlin produziert – das als Serie scheitert und fast alles verrät, was das Original ausgezeichnet hat.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 09.01.2024

Haus des Geldes Spin-off "Berlin" | Bild: Tamara Arranz, Netflix

Ein wenig hüpft das Herz noch, wenn man Pedro Alsonso, den Hauptdarsteller von "Berlin" wiedersieht. Da kommen die Erinnerungen hoch an die großartigen Momente mit seinem Bruder, dem Professor, in der Serie "Haus des Geldes". Zum Beispiel, wie sie den Revolutionshit "Bella Ciao" singen, der im echten Leben dadurch auf die Tanzfläche zurückkehrte. Oder Berlins großes Opfer, als der Gangster in der spanischen Banknotendruckerei zurückbleibt: "Ich war mein Leben lang ein kleines Arschloch. Aber heute habe ich Lust, in Würde zu sterben."

Und wer Pedro Alonso wiedersieht, erinnert sich auch an die politische Botschaft von Haus des Geldes. An das antikapitalistische Motiv der Gangsterbande. 2,4 Milliarden Euro aus dem Nichts drucken, genauso habe es der Staat bei der Bankenrettung schließlich auch gemacht, argumentierten die Einbrecher. Außerdem zeigte Haus des Geldes, dass der Staat Kapital und System mit allen Mitteln schützt, wenn es hart auf hart kommt. Und das ist ziemlich aktuell, etwa angesichts der jüngsten Enthüllungen im ZDF, dass eine Spitzenbeamtin aus dem Finanzministerium Vermögenden Tipps zur Steuervermeidung gibt.

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Berlin | Offizieller Trailer | Netflix | Bild: Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz (via YouTube)

Berlin | Offizieller Trailer | Netflix

Warum der Spin-off nicht funktioniert

Jetzt also endlich neuer Haus-des-Geldes-Content – doch leider hat Netflix die neue Staffel gehörig in den Sand gesetzt. In der neuen Staffel geht es um die glorreiche Vergangenheit von Andrés de Fonollosa, genannt Berlin, ein paar Jahre vor dem Coup in der Banknotendruckerei. Die Serie spielt in Paris, hier plant Andrés mit einem neuen Verbrecherteam einen Juwelenraub. Bei einer Auktion wollen sie den Schmuck von verarmten Adelsfamilien stehlen – Juwelen im Wert von über 40 Millionen Euro. Doch es kommt zu Komplikationen.

Die Gangster verwanzen die Wohnung des Auktionators Monsieur Pollignac mit Überwachungskameras. Und beim Ausspionieren verliebt sich Berlin in die Frau des Auktionators, Camille. Er will jetzt also nicht mehr nur die Juwelen stehlen, sondern auch Camille erobern. Und wie praktisch: Durch die Überwachungskameras weiß er schon alles über die 25 Jahre jüngere Frau. Welche Platten sie hört, welche Bücher sie liest – es gibt also genug Gesprächsstoff für einen ersten Aufreiß-Versuch.

Im Original Haus des Geldes war Berlin der Antiheld. Das Gegengewicht des moralisch guten Professors. Berlin war das Chaos, das politisch Unkorrekte, das Überraschungselement. Doch jetzt, wo es nur noch um ihn geht, geht die Differenzierung flöten. Acht Folgen lang begleiten wir Berlin, wie er manipuliert und raubt, und fast alles gelingt. Selbst Camille verliebt sich am Ende in ihn. Obwohl sie sogar herausfindet, dass er sie nur manipuliert hat.

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Haus des Geldes | Serien-Trailer | Netflix | Bild: Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz (via YouTube)

Haus des Geldes | Serien-Trailer | Netflix

Ist das noch Gesellschaftskritik?

Und so ist das Berlin-Spin-Off das politische Gegenstück seines Vorgängers. In der guten alten Berlin-Zeit, die Netflix hier präsentiert, ist scheinbar wieder alles möglich. Frauen werden gestalkt und dann verführt oder bei Autorennen mit Ski-Bindungen auf dem Dach befestigt. Polizisten werden in bester Oceans-Eleven-Manier an der Nase herumgeführt – und ja, jedem männlichen Charakter der Serie gelingt es am Ende, das Herz seiner Angebeteten im Sturm zu erobern. Nichts mehr übrig vom Antikapitalismus, stattdessen ganz viel Nostalgie und Sehnsucht nach irgendeiner guten alten Zeit. Vermutlich eine, in der Männer noch Männer sein konnten, Onkel Hans beim Familienabend rassistische Witze machen durfte und die Klimakrise in weiter Ferne schien. Zwangsläufig erinnert die Staffel so an eine "Deutschland-aber-normal-Kampagne" der AfD. Garniert mit einer Riesenportion Machismo.

Gleich in der ersten Folge von Berlin übergießen die Gangster ein kunstvoll verziertes Schmuckstück mit Salzsäure, sie tarnen sich als Archäologen und brauchen dafür ein gefälschtes Relikt. So ist es auch mit dem Spin-off von Haus des Geldes. Man hat einem ziemlich genialen Original ein Salzsäurebad verpasst – und es zu einer reaktionären Männerphantasie verkommen lassen.