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Meinung zum Raab-Comeback Warum kann Mann nicht in Würde altern?

Sie können es nicht lassen: Männer wie Stefan Raab, deren Karrieren den Zenit überschritten haben, drängen immer wieder ins Rampenlicht – wie Motten, die nicht von zu heiß gewordenen Laternen ablassen können. Warum nicht einfach mal loslassen?

Von: Johanna Hintermeier

Stand: 04.04.2024

Stefan Raab posiert mit Bierbauch (Fatsuit oder KI-generiert?) und Kappe mit der Aufschrift "NWSDWH" vor einer hügeligen, bewaldeten Landschaft. Er trägt eine Pilotensonnenbrille und einen grauen drei Tage Bart.  | Bild: therealstefanraab / Instagram

Es ist so langweilig wie erwartbar: Deutsche A-Promis können nicht von der großen Bühne abtreten. Gerade erst hat sich auch Stefan Raab in diese Liste eingereiht. Er will noch mal gegen Regina Halmich in den Boxring steigen und mit seiner eigenen Produktionsfirma das „Mega Event“ auch gleich filmisch dokumentieren. Dabei hatte man nach neun ruhigen Jahren seiner Abwesenheit zu hoffen gewagt: Wow, er hat es geschafft, einen Abschied in Würde. Doch dann, der 1. April: Raab kündigt auf Social Media sein Comeback an, sollte er neun Millionen Follower*innen zusammen bekommen. Leider kein Aprilscherz. Bisher sind es „nur“ knapp drei Millionen, was Raab aber nicht davon abhält, besagten Boxkampf anzukündigen und einen „Großangriff auf die etablierte TV-Welt zu wagen“, wie er im BILD-Interview verlauten lässt.

Nicht nur Stefan Raab: Die Liste der Comebacks ist lang

Hat noch nicht genug: Stefan Raab will noch mal gegen Regina Halmich antreten

Leider will Raab nicht als einziger seinen Geltungsdrang noch mal unter Beweis stellen. Da sind die Deutschen Fernsehmoderatoren – ja, nur männliche sind gemeint, wie Thomas Gottschalk, der zwischen „Germanys Next Top Model“ Gastauftritten, Werbeverträgen mit dem Discounter „Netto“ und Shitstorms wegen Blackfacing seinen Lebensabend verbringt. Ein eigenes Genre können alternde Rockstars gründen, die zum gefühlt zehnten Mal ihre letzte, wirklich allerletzte Tour ankündigen. Im schlimmsten Fall ruinieren sie wie Roger Waters ihr Ansehen mit menschenverachtendem Antisemitismus und machen kaputt, was sie sich einst aufgebaut haben.

Warum nicht aufhören, wenns am schönsten ist?

Aber nicht nur Celebrities fürchten die Stille um sich. Auch Karl-Theodor zu Guttenberg, einst Verteidigungsminister und als der Nachfolge-Kandidat für Angela Merkel gehandelt, bis er über die Plagiate in seiner Dissertation gestolpert ist, moderiert heute bei RTL und podcastet heiter mit Gregor Gysi. Vielleicht hat Guttenberg Tipps für die LINKE, wie man der Bedeutungslosigkeit entrinnt?  

Ging um wieder zu kommen. Jon Stewart von "The Daily Show".

Und in den USA wird die anstehende Präsidentschaftswahl ein Spektakel der fossilen Superlative: Joe Biden mit 81 Jahren und Donald Trump mit 77 Jahren. Nun kann Präsident Biden unverhofft auf einen, wie sollte es anders sein, aus der Rente auferstandenen Unterstützer zählen: Jon Stewart, der altgediente Schauspieler und Satiriker der „The Daily Show“, ist zurück vor den Kameras, um – Vorsicht: Spekulation – im Wahlkampf ordentlich gegen Trump zu mobilisieren.

Können Frauen besser loslassen?

Nur: Wo sind eigentlich die Frauen, die aus der Mottenliste hüpfen? Abgesehen vielleicht von Abba, aber die sind immerhin 50/50. Sind Frauen klüger im Abschied nehmen und räumen Jüngeren gerne das Feld? Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes legen zumindest nahe, dass Frauen im Alter über 40 mehr Altersdiskriminierung erfahren als Männer. Böse könnte man es so zuspitzen: In einer Gesellschaft, in der Frauen immer noch mehr nach ihrem Aussehen als ihrer Kompetenz bewertet werden, sind solche Comebacks mit über 50 einfach schwerer als für Männer.  

Wer nicht aufhört, ist nicht automatisch Narzist

Die Liste an Männern, die aus der Versenkung wieder auftauchen, ist dagegen lang. Warum? Küchenpsychologisch gesehen ist es sicherlich schwer, dem Rampenlicht den Silberrücken zu kehren. Aufmerksamkeit ist geil und loslassen ist schwer. Man sollte aber die Finger davonlassen, Ferndiagnosen zu stellen und den Aufstehmännchen jetzt allen narzisstischen Persönlichkeiten unterstellen, die ihren Selbstwert nun mal daraus speisen, dass ihnen Interesse in starken Emotionen der Bewunderung, Liebe oder Hass von der Öffentlichkeit zu Teil wird. Niemand, auch nicht Frau oder non-binär, ist vor dem Reiz und den Fängen der Aufmerksamkeit gefeit.  

"We dont need no education", singt Waters. Oder doch? Fortbildung im loslassen.

Bei Moderatoren und Politikern gibt es kein natürliches Karriereende wie bei Sportlern, wo der Körper den Schlussstrich zieht. Man muss den Zeitpunkt selbst wählen und das verlangt Mut. Mut braucht es auch, sich nach Jahren in der Öffentlichkeit neue sinnstiftende Projekte zu suchen und Wert darin zu finden. Für Männer, die wahrscheinlich selten ungesehene Care-Arbeit geleistet haben, ist dieses Unterfangen vermutlich schwer zu lernen. Einfacher scheint es zu sein, seine Bekanntheit auf Social Media zu nutzen und die Selbstvermarktung wieder anzukurbeln.

Bitte keine Comebacks mehr!

Wie also in Würde altern? Entweder man findet seinen Frieden außerhalb des Rampenlichts oder man schenkt seine Popularität sinnvollen Dingen. Warum nicht sein Gesicht für eine NGO hinhalten und  Kampagnen gegen Menschenhandel unterstützen? Geld sammeln für von der Klimakatastrophe bedrohte Affenarten? Oder mit seinen Freund*innen Zeit verbringen und seine Kinder besuchen? Emotionale Beziehungen pflegen, die man während seiner beruflichen Laufbahn vernachlässigt hat. Wahre Aufmerksamkeit schenken einem schließlich nicht seine YouTube-Follower, sondern nahestehende Menschen. 

Deswegen hier zum Abschluss auch noch ein paar persönliche Zeilen:

Lieber Stefan Raab,

bitte nicht. Bitte kein Comeback, bitte keine großen Shows mehr, keine TikTok-Instagram-Profile, keine schlecht gealterten Witze – gar nichts! Machen Sie den Raab unschlagbar, in dem Sie es schaffen, dass niemand mehr was von Ihnen hört.  
Leiten Sie diese Nachricht gerne an andere Betroffene weiter. Danke!  

Gezeichnet: Eine, die es gut mit Ihnen meint.