Bayern 2 - Zündfunk


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Künstler des Halbmonds in Schweizer Bergen "Anders als Kreuze-Abhacken regt das eine Diskussion an"

Während in den Bayerischen Alpen Berg- und Gipfelkreuze abgesägt werden, steht auf dem Appenzeller Berg "Freiheit" gerade eine drei Meter große Mondsichel. Der Künstler Christian Meier will damit die Tradition der Gipfelkreuze hinterfragen, erklärt er im Zündfunk-Interview.

Von: Tobias Ruhland und Caroline von Lowtzow

Stand: 08.09.2016

Halbmond auf Schweizer Gipfel | Bild: Christian Meier/twitter.com/leichtgedacht

Die einen wundern sich über Kreuze, die anderen ärgern sich darüber. Vor allem, wenn sie ganz oben auf dem Gipfel stehen. Nach wie vor ungeklärt ist die Serie abgesägter Berg- und Gipfelkreuze in den Bayerischen Alpen. Zuletzt sollen Mitglieder der rechten identitären Bewegung auf dem Schafreiter bei Lenggries wieder eines aufgestellt haben. Und vor einigen Tagen wurde nach Ansicht vieler Schweizer auch eins ihrer Gipfelkreuze "verschandelt". In den Appenzeller Alpen, genauer: auf dem Gipfel des Bergs mit dem wunderschönen Namen "Freiheit" steht seit einigen Tagen neben dem Gipfelkreuz ein drei Meter großer Halbmond, der dank Solaranlage nachts auch noch leuchtet. Aufgestellt hat ihn der Künstler Christian Meier, er musste ihn mit Hilfe eines Hubschraubers auf den Berg bringen.

Zündfunk: Warum haben Sie einen Halbmond auf den Berg gebracht?

Christian Meier: Erst mal war es eine Trotzidee, die ich schon vor drei Jahren hatte. Ich bin Atheist und leidenschaftlicher Wanderer und diese Gipfelkreuze, die es überall hat, wirken auf mich extrem absurd. Für mich ist Religion Privatsache und das hat für mich in so einem Gebirge nichts verloren. Und da habe ich mir gedacht, es wäre doch schön und würde vielleicht eine Diskussion anstoßen, wenn ich da so einen Kontrapunkt in der Nähe hinstellen würde, an einem schönen Ort. Und dann kam die Idee zu diesem Mond. Diese Gegenüberstellung, dieses Vor-den-Kopf-Stoßen spielt sich aber nicht nur in der inhaltlichen Ebene ab. Was für mich noch viel aufregender ist: wie das da in dieser Gegend aussieht. Das ist ein absoluter Fremdkörper in dieser wilden Landschaft, dieses Plastik-Trumm, was dann nachts noch vor sich hinleuchtet. Das macht mir einfach Spaß.

Wie groß ist denn die Spaßfraktion gerade im Apenzell?

Hier im unmittelbaren Umfeld ist es gerade ziemlich ausgeglichen. Es gibt viele Leute, die das extrem bescheuert finden und eine Frechheit und das darf nicht sein in dieser Umgebung. Aber es gibt genauso viele Leute die sagen: 'geil, endlich mal wieder einer, der aus der Reihe tanzt.' Also das gibt es hier auch im Appenzell, auch wenn man das nicht denken würde.

So richtig konsequent und ihrem Atheismus-Verständnis folgend, ist ja ein Halbmond auch nicht. Ihrem Atheismus zufolge dürfte dort oben gar nichts stehen.

Ganz genau, aber um die Leute zu erreichen, muss es schon etwas Konstruktives sein. Es wurden ja in Bayern auch einige Kreuze abgehackt, aber damit erreicht man ja keine Diskussion. Es muss deshalb etwas Konstruktives sein, es soll provozieren, weil man so Leute erreicht, die sich sonst auf keine Diskussion einlassen würden. Aber es soll vermitteln, dass man darüber reden kann oder muss. Wie diese Diskussion ja zeigt. Man hört jetzt auch dauernd: Die Kreuze waren schon immer da, man kann jetzt nicht noch anderen Kulturen oder Religionen einen Platz verschaffen, weil das gehört zu uns und alles andere nicht. Und das finde ich einfach totalen Unsinn.

Die Halbmond-Skulptur von Christian Meier steht noch eine Woche direkt neben dem Gipfelkreuz  vom Berg "Freiheit" in den Appenzeller Alpen.


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