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Kommentar Der Fall Billy Nomates beim Glastonbury-Festival zeigt, wie sexistisch Indierock ist

Billy Nomates Auftritt beim legendären Glastonbury-Festival sorgt derzeit für Aufregung: Nach einer Flut von Hate-Kommentaren hat die Künstlerin angekündigt, nach diesem Sommer keine Konzerte mehr zu geben und ihren Instagram-Account gelöscht. Um was geht es hier eigentlich? Und wie sexistisch ist Indierock 2023, fragt Valerie Trebeljahr.

Von: Valerie Trebeljahr

Stand: 27.06.2023

Die britische Künstlerin Billy Nomates live (undatiert) | Bild: picture-alliance/dpa/Dafydd Owen/Avalon

Billy Nomates hat die Reißleine gezogen. Sie hat die BBC darum gebeten, einen Post zu ihrem Auftritt am Freitag beim Glastonbury-Festival zu löschen und bekanntgegeben, dass sie nach diesem Sommer keine Konzerte mehr spielen wird und ihren Insta-Account gelöscht. Zu krass war die Flut an Hate-Kommentaren und Beleidigungen.

Hatte die Künstlerin Axl Rose geschlagen?

Hatte die Künstlerin, sich in irgendeiner Form ungebührlich verhalten? Den Auftritt von den Hives gecrasht, backstage Axl Rose geschlagen oder am Ende gar die Beatles gedisst? Nein. Billy Nomates hatte sich schlicht und ergreifend erlaubt, ohne Band zu spielen. Das war’s.

Am Tag eins des Glastonbury-Festivals betritt sie um 15.15 Uhr die Park Stage. Und füllt allein die komplette Bühne. Singt, tanzt und wirbelt von links nach rechts. Ohne den Rückhalt einer Band, ohne die Unterstützung von nächtlichem Licht oder Bühnennebel. Sie legt einen beeindruckenden Auftritt hin!

Freunde testosterongeladener Rockmusik

Einen beeindruckenden Auftritt – vor Männern mit Sonnenbrillen und Bucket Hats, die auf ihre Helden Guns N’ Roses, Arctic Monkeys und Queens of the Stone Age warteten. Und diese Freunde testosterongeladener Rockmusik – ob sie nun auf dem Festival waren oder nur auf Twitter – fühlten sich dazu berufen, Billy Nomates runterzumachen. Sie wirke wie eine „betrunkene Mutter, die Karaoke singt“, schrieben sie zum Beispiel.

Geschenkt, dass die Sleaford Mods genauso arbeiten, dass ganz Hip-Hop ohne Band auskommt, ganz zu schweigen von DJs, die einfach ihre Hits auflegen.

Schweiß, schwere Verstärker und harte Gitarren

Was, liebe Freunde der Indiemusik, ist in Euch gefahren? Wie altbacken ist das Konzept von Schweiß, schweren Verstärkern und harten Gitarren? Ja, Ihr sehnt Euch nach der „guten alten Zeit“, als die Musik noch „handgemacht“ war. Und die Bierdusche noch ein Ziel. Die Welt war so schön und übersichtlich damals!

Vorbei, vorbei, vorbei! Endlich. Ich bin so froh, dass das vorbei ist! Dass jeder auf die Bühne kommen kann, wie er oder sie will. Mit Band, ohne Band, laut oder leise, in Tüll oder T-Shirt.

Indie war nie besser als der normale Rockzirkus

Die harte Wahrheit ist, dass Indie nie besser war als der normale Rockzirkus. Man trug nur Bart und Karohemd und wirkte nach außen hin etwas sanfter. Doch im Falle Billy Nomates zeigt sich, dass die „Indierock Dads“ nicht weniger spießig sind als Vorstadtpapas. Nach dem Motto: Was macht die Frau da für Verrenkungen, die soll lieber mal heim an den Herd!

Also, liebe Freunde der guten Musik: Move your head and your ass will follow! Dass ich das 2023 noch sagen muss, erschreckt mich ein wenig. Deshalb, liebe Billy Nomates: Wir brauchen noch viele, viele weitere Konzerte von Dir. Barfuß, allein, völlig bei Dir, in dem, was Du machst. Don’t give up!