Bayern 2 - Zündfunk

Sasha Skochilenko Sieben Jahre Haft für Protestaktion gegen russischen Angriffskrieg

Amnesty International nennt das Verfahren einen Scheinprozess: Sieben Jahre Lagerhaft für ausgetauschte Preisschilder in einem Supermarkt. So lautet das Urteil im Fall der russischen Künstlerin Sasha Skochilenko. Ihre Lebensgefährtin Sonya Subbotina will den Kampf nicht aufgeben.

Von: Paula Lochte

Stand: 21.11.2023

Die russische Künstlerin Aleksandra Skochilenko wird von Polizisten in den Gerichtssal  in St. Peterburg am 14. November 2023 begleitet | Bild: picture alliance/dpa/TASS | Peter Kovalev

Am Donnerstag hat ein Gericht in Sankt Petersburg Aleksandra „Sasha“ Skochilenko zu sieben Jahren Lagerhaft verurteilt – weil sie gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine protestiert hatte. Sashas Lebensgefährtin Sonya Subbotina war im Gerichtssaal: „Als die Richterin den Saal verlassen hat, bin ich zu dem Käfig aus Gitterstäben gegangen, in den Sasha während der Verhandlung eingesperrt war. Ich wollte ihr ein paar Worte sagen und ihre Hand halten. Aber einer der Gerichtsbeamten hat mich von hinten an den Schultern gepackt und gewaltsam weggestoßen. Ich habe aufgeschrien vor Überraschung.“ Der Zündfunk hat schon vor einem Jahr von dem Fall berichtet und nun mit Sonya Subbotina per Sprachnachricht über das Urteil gesprochen.

Kunst gegen den Krieg

Sieben Jahre Lagerhaft, eine hohe Strafe für eine kleine Aktion. Durchgeführt im Frühjahr 2022. Kurz nachdem Russland seine groß angelegten Angriffe auf die Ukraine gestartet hat. Die Zeichnerin und Musikerin Sasha Skochilenko, Anfang dreißig, geht damals in einen Supermarkt in ihrer Heimatstadt Sankt Petersburg. Beim Regal mit dem Instantkaffee hält sie inne und zieht eines der Preisschilder aus der Plastikleiste am Regal. Sie tauscht das Schild heimlich aus. Wo sonst Produktinformationen stehen, ist nun zu lesen: „Die russische Armee hat eine Kunstschule in Mariupol bombardiert, in der sich etwa 400 Menschen vor den Angriffen versteckt hatten.“ Auf weitere Schilder hat Skochilenko Botschaften geschrieben wie: „Rekordinflation durch Militäreinsatz“ oder „Stoppt den Krieg!“. Wenige Tage später sitzt Skochilenko in Untersuchungshaft.

 Russland unterbindet jegliche Kritik am Krieg gegen die Ukraine

„Die russischen Behörden haben sie festgenommen und angeklagt wegen der sogenannten 'Verbreitung wissentlich falscher Informationen über die russischen Streitkräfte.' Das ist ein Straftatbestand, der ist neu im Strafgesetzbuch“, erklärt Janine Uhlmannsiek, Russland-Expertin von Amnesty International. „Die russische Führung hat den Artikel im März 2022, also kurz nach der russischen Invasion eingeführt, um Kritik der Bevölkerung im Keim zu ersticken. Wir beobachten in Russland schon seit mindestens zehn Jahren, dass der Raum für kritische Äußerungen immer enger wird – der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat diesen Negativtrend nochmal extrem beschleunigt: Die russische Führung geht mit aller Härte gegen kritische Stimmen vor.“

Ein „Scheinprozess“

Sasha Skochilenko ist also ein Fall unter hunderten. Den Prozess gegen sie kritisiert Amnesty International als „Scheinprozess“ und ihre bisherigen Haftbedingungen als „menschenrechtswidrig“. Sashas Lebensgefährtin berichtet: „Sasha musste vor Gericht immer in einer Art Käfig sitzen und Handschellen tragen, als wäre sie eine Schwerverbrecherin. Die Verhandlungen haben sich über Stunden hingezogen. Wenn Sasha um eine kurze Pause gebeten hat, um etwas zu trinken oder um aufs Klo zu gehen, hat die Richterin das jedes Mal abgelehnt. Sasha hat sich lange Zeit nicht unterkriegen lassen, aber irgendwann ist sie in Tränen ausgebrochen. An dem Tag hat sie die Richterin gefragt: ‚Warum? Warum quälen Sie mich? Ich fühle mich wie ein Tier in einem Käfig. Wobei Tiere im Gegensatz zu mir wenigstens Wasser bekommen.‘ Ich saß in dem Moment im Publikum und hatte das Gefühl, dass etwas in mir zerbricht.“

Offener Protestbrief an Putin

Kritik üben auch fast 400 Ärzte in Russland, die in einem am Samstag veröffentlichten offenen Brief an Präsident Wladimir Putin die Freilassung von Sasha Skochilenko fordern. Sie seien in großer Sorge um Sashas Gesundheit. Bei ihr seien eine Reihe schwerer chronischer Krankheiten diagnostiziert worden, darunter ein angeborener Herzfehler. Eine angemessene medizinische Versorgung sei nicht gewährleistet.

Sasha und Sonya träumen von einer Zukunft in Freiheit

Sonya Subbotina (links) und ihre Partnerin Sasha Skochilenko (rechts) bevor diese verhaftet wurde.

Sieben Jahre Straflager – für Sasha Skochilenko könnte das lebensgefährlich sein. Das wollen sie nicht hinnehmen, sagt ihre Partnerin Sonya Subbotina. Sie wollen in Berufung gehen: „Wir wollen weiterkämpfen. Wenn nötig, ziehen wir bis vor den Obersten Gerichtshof. Ich mache mir aber keine allzu großen Hoffnungen. Die Repressionen in unserem Land nehmen immer erschreckendere Formen an. Ich habe also wenig Hoffnung, dass Sasha in den nächsten Jahren freikommt. Aber wir träumen trotzdem von einer gemeinsamen Zukunft. Wir schmieden Pläne. Sobald Sasha entlassen wird, wollen wir zusammen in ein Land gehen, in dem wir sicher sind, und dort heiraten. Wir haben einander versprochen, dass wir alles gemeinsam durchstehen.“