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Das Thema Der Wirkungsmechanismus

Stand: 29.06.2012 | Archiv

Joshua Lederberg, Medizin-Nobelpreisträger von 1958. Er erhielt den geteilten Preis für seine Entdeckung über das Verhalten des genetischen Materials bei Bakterien.  | Bild: picture-alliance/dpa

Nun sind alle wichtigen Bausteine beisammen. Am 1 März 1944 geht die erste kommerzielle Anlage zur Massenherstellung des weißen Wunderpulvers in Betrieb, schon bald steigt der Ausstoß sprunghaft an.

Penicillin die Dritte - Der patriotische Powerkampfstoff

Wurden 1943 nur 21 Milliarden Einheiten erzeugt, sind es 1944 schon 1,6 Billionen und 1945 bereits mehr als 6,8 Billionen Einheiten. Im selben Tempo sinken die Preise. War Penicillin 1940 noch nahezu unerschwinglich gewesen, kostet eine Dosiseinheit im Juli 1943 nur mehr 20 Dollar, Ende 1945 ist dieselbe Menge bereits für 55 Cent zu haben.

Zufallstreffer, Kriegskind, Segensbringer

Penicillin ist nun in nahezu beliebigen Mengen vorhanden. Als die Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie landen und zum entscheidenden Schlag gegen Hitlerdeutschland ausholen, ist die Versorgung der Soldaten gesichert. So ist ihr Siegeszug auch der Triumph einer gefeierten "Wunderdroge", die gleich zwei Väter hat: Den Zufall und den Krieg. So zumindest sieht es Alexander Fleming in seiner Nobelpreisrede: "Ein Zufall verunreinigte meine Petrischale im Jahr 1928, ein Zufall brachte 1938 Chain und Florey dazu, statt unzähliger anderer Antibiotika ausgerechnet das Penicillin zu untersuchen, ein Zufall fügte es, dass ihre Arbeit in einer Kriegszeit fruchtbar wurde, die das Penicillin am meisten erforderlich machte." Ist das Penicillin, ein Segensbringer der Menschheit, letztlich also ein Kind des Kriegs? Für Fleming war das keine Frage:

"Ohne den starken Druck der Militärs und ohne die Sonderbedingungen einer Kriegswirtschaft, die normale Marktgesetze aushebelt und keine Rücksichten auf die Kosten nimmt, wäre der Durchbruch sicher nicht so rasch geglückt."

Alexander Fleming

Der Wirkungsmechanismus wird geklärt

1945 Fleming erhalten Fleming, Florey und Chain gemeinsam den Medizinnobelpreis "für die Entdeckung des Penicillins und seiner Heilwirkungen gegen verschiedenste Infektionskrankheiten", Heatley und Abraham gehen aufgrund der Nobelregularien leer aus. Doch weder die Geehrten noch die Übergangenen konnten erklären, wie die gefeierte Wunderdroge das eigentliche Wunder vollbrachte. Das Rätsel um den Wirkungsmechanismus lösten erst die amerikanischen Wissenschaftler Joshua Lederberg (1925-2008), James Ted Park und Jack Leonard Strominger (geb. 1925) im Lauf der 1950er und 1960er Jahre. Unabhängig voneinander fanden sie heraus, dass und wie Penicillin den letzten Schritt der bakteriellen Zellwandsynthese blockiert.

Warum und wie Mikroben mürbe werden

Die Zellwand von Bakterien besteht aus langen Zuckerketten, die durch Eiweißbrücken vernetzt sind. Bei jeder Zellteilung müssen neue Bakterienwände mithilfe eines speziellen Enzyms (Glycopeptid-Transpeptidase) gebildet werden. Genau hier setzt das Penicillin an: Es hemmt die Bildung des unverzichtbaren Konstruktionsenzyms und behindert die Quervernetzung der nötigen Zellwandbausteine. Beim Wachstum und bei der Vermehrung der Krankheitskeime entstehen dadurch Schwachstellen in der Zellhülle, die dem Druck im Zellinneren zuletzt nicht mehr standhalten. Über kurz lang platzen die penicillingeschwächten Bakterien regelrecht auf und sterben ab.


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