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Der Klostersteig im Rheingau Weinberge, Gänsehaut und Gottes Lob im Blaubachtal

Im Rheingau - im südwestlichen Hessen - gibt es eine besonders hohe Dichte an Klöstern und Abteien. Ein Wanderweg verbindet sie: der Rheingau Klostersteig mit einer Länge von etwa 30 Kilometern.

Von: Bernd-Uwe Gutknecht

Stand: 10.08.2023

Klostersteig Rheingau: Inmitten von Weinbergen erhebt sich die Abtei St. Hildegard | Bild: BR/Bernd-Uwe Gutknecht

Kloster Eberbach ist der Ausgangspunkt. Das ehemalige Zisterzienser-Kloster wurde auf Anregung des Heiligen Bernhard von Clairvaux errichtet, einem Hardliner des katholischen Mittelalters. An der mächtigen Klosteranlage erkennt man die Macht der früheren Mönche. Lässt sich der Besucher dann noch die Innenräume zeigen, in denen der kirchenhistorische Thriller „Der Name der Rose“ gedreht wurde, stellen sich schnell die Nackenhaare auf.

In den Innenräumen wurde der Film „Der Name der Rose“ gedreht

Julius Wagner ist Vorstand der Kloster Eberbach-Stiftung. Er steht in einem großen Saal mit Rundbögen an der Decke, dem Skriptorium im Film „Im Namen der Rose“. Hier wurde auch in Büchern geblättert, deren Seiten vergiftet waren. Heute noch zu sehen ist die verbotene Tür. Im Film befinden sich dahinter die Schriften der antiken Philosophen, also verbotene Literatur. In Wahrheit aber verbirgt sich dahinter der Aufgang zum Glockenturm. Im dunklen, feuchten Weinkeller des Klosters lagern jahrhundertealte Weine, die noch von den Zisterzienser-Mönchen gekeltert wurden. Das Herzstück von Kloster Eberbach ist die Basilika, romanisch-schlicht mit einigen gotischen Elementen und einer genialen Akustik, die Sänger wie Zuhörer berührt.

Die erste Etappe des Klostersteigs führt steil bergauf: 350 Höhenmeter auf vier Kilometern. Alles Absicht, sagt der Wanderguide und Initiator des Klostersteigs Wolfgang Blum:

Wanderbegleiter Wolfgang Blum hat den Klostersteig entwickelt

"Wir haben die Route des Klostersteigs bewusst so gewählt, dass wir von Kloster Eberbach nicht einen einfachen Weg nach Johannisberg ausgesucht haben, sondern einen beschwerlichen, nämlich hoch zur Hallgarter Zange, das ist die zweithöchste Erhebung des Rheingaus, 580 Meter über Normalnull. Wir wollen, dass die Leute, die mit ihren Sorgen, Nöten und Belastungen nach Eberbach kommen, diese möglichst schnell vergessen und sich auf das Gehen konzentrieren. Das gelingt umso besser, je anstrengender das Wandern ist."

Wolfgang Blum, Initiator des Klostersteigs

Sind Anstieg und nachfolgender Abstieg geschafft, geht es nur noch bequem auf Waldwegen dahin, vorbei an der Basilika von Schloss Johannisberg, einem beliebten Pilgerziel, bis zum Kloster Marienthal. Hier halten ein paar ältere Franziskaner-Mönche das einfache Klosterleben aufrecht.

Pater Paul ist einer der Franziskaner-Mönche im Kloster Marienthal

Pater Paul ist mit 78 Jahren der jüngste und ein gebürtiger Mittelfranke. Am Tagesablauf der Brüder hat sich über die Jahrhunderte wenig geändert: um 7 Uhr das gemeinsame Gebet, danach Frühstück und Gottesdienst, dann geht es zur Arbeit und um zwölf Uhr mittags trifft man sich wieder zum Gebet und Mittagessen. Nach einer Ruhezeit am Nachmittag folgt um 18 Uhr das Abendgebet, die sogenannte Vesper, dann Abendessen, Komplet und Nachtgebet.

Der sehr gut ausgeschilderte Klostersteig führt durchs schattige Blaubachtal zu den nächsten Mönchen, den Zisterziensern im Kloster Nothgottes. Dort leben - sehr zurückgezogen - einige Zisterzienser aus Vietnam. Ein Großteil des rund 30 Kilometer langen Klostersteigs verläuft in Mischwäldern. Kurz hinter Kloster Nothgottes öffnet sich aber plötzlich die Waldlandschaft und der Wanderer steht am Rand weit ausgedehnter Weinberge. Der mittlere Rheingau und das Rheintal liegen einem zu Füßen, der Blick schweift hinüber nach Rheinhessen ins größte deutsche Weinanbaugebiet. Ganz hinten am Horizont ist der Donnersberg zu erkennen, der höchste Berg der Pfalz, ebenfalls ein bekanntes Weinanbaugebiet.

Die Nonnen der Abtei St. Hildegard stellen Kräuter, Naturkosmetika und auch eigenen Wein her

Auf dem Klostersteig rücken jetzt irdische Freuden in den Mittelpunkt, denn die Route führt an den Weinbergen vorbei. Unten am Rheinufer sind einige Weinschenken mit einladenden Terrassen zu sehen. Aber erst wartet noch der Höhepunkt für viele Pilger: die Abteil St. Hildegard, ein Nachfolge-Kloster der originalen Anlage von Hildegard von Bingen. Die Nonnen in der Abtei zeigen den Besuchern, was sie alles fabrizieren: Kräuter, Kosmetik und auch eigenen Wein. Schwester Philippa hat vor ihrer Berufung als Journalistin gearbeitet, wollte dann aber in eine große Gemeinschaft mit verschiedenen Generationen, unterschiedlichen Charakteren, Temperamenten und Ausbildungen und mit vielen Mitschwestern in einer bunten Reihe stehen.

Die letzte Etappe des Klostersteigs führt von der Abtei St. Hildegard zur Marienkirche des ehemaligen Klosters Marienhausen. Wer die ganze Tour gegangen ist, erhält dort einen Pilgerpass. Wanderbegleiter Wolfgang Blum empfiehlt, die fünf Etappen auf mindestens zwei Tage zu verteilen, um sich für die einzelnen Klöstern mehr Zeit nehmen zu können und wirklich innere Ruhe zu finden.


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