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Futuristisches Oktagon am Fuß der Großglockner-Nordwand Das neue Glockner-Biwak

Das Glockner-Biwak hängt am höchsten Berg Österreichs, ist der Ausgangspunkt für kombinierte Nordwandtouren, und sein Zustieg allein stellt eine eigene Tour dar – und wer dorthin geht, erlebt hautnah mit, wie der Klimawandel alles verändert.

Von: Sebastian Nachbar

Stand: 10.09.2022 | Archiv

Futuristisches Oktagon am Fuß der Großglockner-Nordwand | Bild: Fabio Keck

Erreicht wird das Glockner-Biwak von der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe am Ende der Großglockner-Hochalpenstraße. Früher musste man auf dem Weg zum Biwak die Pasterze überschreiten, den größten Gletscher Österreichs. Heute wartet statt Gletschereis ein riesiger Schmelzwasser-See, ein Hindernis. Wenige Stellen in den Ostalpen offenbaren den rasant fortschreitenden Klimawandel in den Alpen besser als die Nordseite des Großglockners, und das Glockner-Biwak sitzt quasi mittendrin in dieser Kulisse.

Fortschritte beim Aufbau

Vittorio Messini ist Bergführer im Osttiroler Ort Kals. Sein Hausberg ist der Großglockner mit all den schweren Routen in der Großglockner-Nordwand. Der Klimawandel verändert den Berg rapide. Das Eis schmilz, der Fels wird brüchig. Trotzdem gibt es immer wieder Gelegenheiten mit guten Verhältnissen, vor allem, wenn es im Herbst viel schneit. Dann gibt es für die meisten, die den Großglockner von Norden begehen wollen, nur einen Stützpunkt: das Glockner-Biwak. Durch die Sozialen Medien erfährt man sehr leicht, wann die Verhältnisse gut sind, sagt Messini. Dann ist sehr viel los, gerade an den Wochenenden. Um das zu amortisieren, braucht es eine große Biwakschachtel.

Arbeiten in luftiger Höhe

Wer zum Glockner-Biwak aufsteigt, hat meistens Größeres vor: die Pallavicini-Rinne etwa, die Aschenbrenner-Führe oder die Mayerl-Rampe - allesamt lange, alpine Nordwandrouten im kombinierten Gelände aus Fels und Eis. Allein der Zustieg von der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe am Ende der Großglockner-Hochalpenstraße dauert Stunden. Der ganze Weg von dort über den Gipfel des Großglockners und wieder zurück ist für einen Tag viel zu lang. Deshalb gibt es das Glockner-Biwak. Es liegt oberhalb der Pasterze, dem größten Gletscher der Ostalpen auf 3205 Metern Höhe. Es ist weniger der Unterschlupf für den Notfall, wenn das Wetter umschlägt, denn hier biwakiert man in der Regel nicht aus der Not heraus, sondern geplant.

Blick nach draußen

Im Jahr 2020 wurde der beliebte Stützpunkt erneuert. Die alte Biwakschachtel war klein und ziemlich marode. Einen Tisch oder eine Kochgelegenheit gab es nicht. An Tagen mit guten Bedingungen wurde es dafür umso enger. Die neue Notunterkunft ist ein so genanntes Polybiwak in Oktagon-Form mit Platz für 15 Leute, zur Not auch für mehr. Bergführer Vittorio Messini war sowohl an der Planung als auch am Neubau beteiligt: „Dadurch, dass wir rund um den Großglockner so eine gute Hütten-Infrastruktur haben - Stüdlhütte, Erzherzog-Johann-Hütte, Salmhütte – ist es einfach immer so ein bisschen ein schwarzes Schaf gewesen, die alte Biwakschachtel auf der Nordseite. Jetzt passt das vom Bild her einfach super zusammen.“

So sieht es innen aus

85.000 Euro hat das neue Glockner-Biwak gekostet – getragen vom ÖAV und dem Bergsportausrüster Salewa, der aus dem Neubau eine Marketingaktion gemacht hat. Im Oktober 2020 wurden die vorgefertigten Teile Stück für Stück vom Hubschrauber hinaufgebracht. Wichtig war den Initiatoren ein möglichst kleiner Eingriff in die Umgebung. Der achteckige Bau, der inmitten eines Naturschutzgebietes steht, kann ohne jegliche Spuren wieder entfernt werden. Angst vor Biwak-Partytouristen hat Vittorio Messini nicht. Wegen des langen und anspruchsvollen Zustiegs gehen eigentlich nur Seilschaften zum Biwak, die den Großglockner im Visier haben. Beim Österreichischen Alpenverein weiß man zwar von leeren Flaschen und Müll, der dort zurückgelassen worden sein soll, doch Vittorio Messini ist so etwas nicht bekannt.

Das alte Glockner-Biwak in seiner klassischen, halbrunden Form ist derweil auf Tournee: In einer Wanderausstellung des Österreichischen Alpenvereins tourt die Biwakschachtel mit neuer Innengestaltung durch Tirol. Bis Ende September steht sie noch in Innsbruck und kann jederzeit besichtigt werden.


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