Skateboarderin Lea Schairer im Interview "Ich hoffe, dass Frauen nicht mehr den Männern hinterherhecheln"

Früher war Skaten ein Szenesport für Männer, heute steigen immer mehr Frauen aufs Board. Die deutsche Meisterin Lea Schairer erklärt im Interview, wie schwer es für Frauen im Skaten ist und wie groß ihre Chancen auf Olympia sind.

Von: Dominik Schelzke

Stand: 20.09.2019 | Archiv

Lea Schairer | Bild: Lea Schairer

Skateboarding war in seinen Anfängen eine alternative Randsportart von der Straße, die vor allem Männer gemacht haben. In den letzten Jahrzehnten hat es sich aber zu einer richtigen Trendsportart entwickelt, die längst komplett im Mainstream angekommen ist. Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wird Skateboarding sogar zum ersten Mal als offizielle Disziplin vertreten sein. Seitdem versuchen sich Skateboarderinnen und Skaterboarder aus allen Teilen der Welt bei internationalen Contests für Olympia zu qualifizieren. Eine davon ist Lea Schairer, die vor Kurzem zum zweiten Mal die Deutsche Meisterschaft in der Kategorie "Street" gewonnen hat.

Lea wurde in Starnberg geboren, ist aber in Heidelberg aufgewachsen. Durch ihre älteren Brüder hat sie dort schon als junges Mädel mit dem Skaten angefangen. 2008 ist die mittlerweile 30-Jährige dann zum Studieren nach München gezogen, wo sie Teil der lokalen Skate-Szene geworden ist. Inzwischen hat sie 2018 und 2019 die Deutsche Meisterschaft gewonnen und wird von großen Marken gesponsored. Wir haben mit Lea über die Entwicklung des Frauenskatens und ihren Weg zu Olympia gesprochen.

PULS: Lea, in deiner Jugend war die Skateszene sehr von Männern dominiert. Wie war es für dich als Mädchen mit dem Skaten anzufangen?

Lea Schairer: Gar nicht so verrückt. Ich war zu jung, um irgendwas in die Richtung zu realisieren. Ich habe einfach immer das gemacht, auf was ich Bock hatte und was meine Brüder gemacht haben. Die haben mir auch mein erstes Skateboard geschenkt und mich zum Skaten mitgenommen. Erst als ich mal aus Heidelberg rausgegangen bin, habe ich gemerkt: Ja krass, es gibt hier eigentlich gar keine anderen skatenden Frauen.

Wo siehst du Frauenskaten heute?

In den letzten fünf Jahren ist sehr viel Positives passiert, was Womens Skateboarding angeht. Das hat zum einen mit sozialen Medien wie Instagram und Co. zu tun, weil die Reichweite und die Vergleichsmöglichkeiten dort wahnsinnig groß sind und dadurch ist auch das Niveau enorm gestiegen. Und zum anderen gab es einen Wandel in der Gesellschaft, der Frauen mehr Rechte einbringt und auch mehr auf die Gleichberechtigung abzielt.

Wie wirkt sich das auf den Skatesport aus?

Die #MeToo-Debatte hat dazu beigetragen, dass man gesagt hat: Es kann nicht sein, dass Frauen im Skateboarding immer noch diskriminiert werden. Und durch die Genderdebatte kann man heute endlich aussehen, wie man will. Es ist total egal, ob du als Frau einen kahlrasierten Kopf hast oder als Skater schwul bist. Du bist immer noch ein Mensch und hast die gleichen Rechte wie jeder andere. All das hat dazu beigetragen, dass es mehr Frauen im Skaten gibt, die Hürde kleiner und die Aufmerksamkeit größer geworden ist. Sponsoren oder Veranstalter können es sich gar nicht mehr leisten, so Sprüche wie "Du bist nicht hübsch genug, du wirst nicht gesponsored!" rauszuhauen, weil sonst der Shitstorm über sie hereinbricht. Zu Recht auch!

Trotzdem ist es allgemein natürlich immer noch so, dass Frauen weniger verdienen und es viel weniger Frauen gibt, die es insgesamt machen. Es ist schwierig, aber es war vor ein paar Jahren für eine Frau noch viel schwieriger. Ich kann dank Sporthilfeförderung und Sponsoren geradeso davon leben, übrig bleibt da trotzdem nichts. Und lange werde ich das auch nicht machen können.

Welche Unterschiede gibt es immer noch zum Männerskaten?

Es gibt auf jeden Fall noch Unterschiede, auch wegen biologischer Merkmale. Wobei sich diese Unterschiede in letzter Zeit auch angenähert haben und nicht mehr so extrem sind. Auch beim Style ist ein Unterschied zu sehen, aber ich finde es eigentlich eher positiv, dass sich Frauenskaten vom Männerskaten abgrenzt. Es sieht beides gut aus, aber es hat eben seinen eigenen Stil.

Sollte es noch mehr in die Richtung gehen?

Man muss Abstand davon nehmen, dass eines besser und das andere schlechter ist. Ich hoffe, dass Frauen nicht mehr den Männern hinterherhecheln und sich damit vergleichen. Stattdessen sollte man sagen: Ich fahre den Park mit den gleichen Hindernisse einfach anders, weil ich sowieso nicht an das körperliche Niveau herankomme. Deshalb versuche ich den kreativ zu fahren oder anders zu interpretieren, um meinem Skate-Style mehr Ausdruck zu geben.

Mit der Straße hat das Skaten als Olympiasportart ab 2020 in Tokio ja nicht mehr so viel zu tun. Verliert das Skaten als hochoffizieller Sport das Subkulturelle?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn man sich die "Street League" zum Beispiel anschaut, merkt man auf jeden Fall einen Unterschied. Da sind dann die Besten der Besten, also auch welche, die ihren eigenen Physio und Coach dabeihaben oder sich entsprechend kleiden. Da spielt das Kulturelle keine Rolle mehr, was meiner Meinung nach wahnsinnig schade ist.

Dennoch wird es auch immer die absoluten Streetskater geben, die eigentlich gegen diesen Trend arbeiten und sich deswegen umso mehr mit der Straße identifizieren. Das Skaten wird den kulturellen Touch nicht verlieren oder sich von Musik und Mode lostrennen.

Wirst du bei den Olympischen Spielen in Tokio auch dabei sein?

Sehr unsicher. Es ist ein relativ komplizierter Quali-Prozess und es gibt nur wenige Plätze. Momentan bin ich aber leider auch noch verletzt, das heißt ich werde Contests verpassen und dann weiß ich nicht, ob ich da noch eine Chance habe. Trotzdem glaube ich, dass es nächstes Jahr für mich mit Skaten gut weitergehen kann und es stehen schon einige Projekte an. Das mit der Olympia-Quali ist natürlich trotzdem bitter.

PULS am 23.09.2019 – ab 10 Uhr.