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Tabuthema Menstruation Warum die Welt eine Periodenrevolution braucht

Sie ist blutig, sie ist oft schmerzhaft – und immer noch ein Tabu: Die Periode. Franka Frei ist selbsternannte Menstruationsaktivistin. Ihr Ziel: Die Gesellschaft soll endlich offener mit dem Thema Menstruation umgehen. Sie hat uns erzählt, warum die Enttabuisierung der Periode uns alle etwas angeht und warum das monatliche Bluten sogar politisch ist.

Von: Leonie Haschler

Stand: 10.03.2020

Franka Frei | Bild: Random House/Tibor Bozi

„Hast du mal ´nen Tampon?“ - eine Frage, die immer noch viel zu oft hinter vorgehaltener Hand geflüstert wird und manchen Menstruierenden sogar die Schamesröte ins Gesicht treibt. Und das, obwohl die Hälfte der Menschheit jeden Monat durchschnittlich drei Schnapsgläser Blut und Gebärmutterschleimhaut verliert. Sie setzt sich ein Ziel: Die Periode muss revolutioniert werden! Uns hat Franka Frei erklärt, warum es politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich einiges an Nachhilfe in Sachen Menstruation bedarf, was ein Umdenken anregen könnte und wie sie das Menstruations-Shaming endlich beenden will.

PULS: Franka, warum ist die Menstruation noch immer ein Tabuthema?

Franka: Dafür gibt es viele Gründe. Das fängt schon damit an, dass wir nicht richtig gelernt haben, wie man darüber spricht. Alleine, dass man sagt „Ich habe meine Tage“ ist ja schon sehr unkonkret. Die Tage sind eigentlich etwas, wovon es 365 im Jahr gibt. Die richtige Bezeichnung, nämlich Menstruation, löst Fluchtreflexe aus. Sie wird zum Beispiel auch in der Werbung mit keiner Silbe beim Namen genannt. Wir haben immer nur vermittelt bekommen, dass es sich dabei um eine Art Frauenleiden handelt oder sie wird uns als Fehler oder Last kommuniziert. Mit diesem „Fehler“ können wir zwar leben, aber wir haben die Periode eben bestmöglich zu verstecken. Das zeigt, dass die Menstruation gesellschaftlich nicht besonders gerne betrachtet wird und genau das reproduziert auch das Tabu. Dabei geht es bei der Menstruation ja nicht nur um Blut oder nicht Blut, sondern es geht um den ganzen Zyklus, der dahintersteht. Mit diesem zu arbeiten hätte nämlich enorm viele Vorteile - sowohl gesundheitlich als auch gesellschaftlich, zum Beispiel in der Wirtschaft.

In wie fern hat der weibliche Zyklus denn etwas mit Wirtschaft zu tun?

Der Menstruationszyklus kann bedingen, dass wir uns an manchen Tagen anders fühlen, leistungsfähiger oder produktiver sind. Das ist jetzt ein bisschen die Silicon Valley-Ansicht -  aber, wenn man planen kann, an welchen Tagen man zum Beispiel besonders kreativ oder wortgewandt ist, ist das ja ein riesengroßer Vorteil. Genauso auch andersrum: Wenn man weiß, man ist an den Tagen vor der Menstruation eher müde und matt, hat man die Möglichkeit, sich da eine Auszeit zu nehmen und Kraft zu sammeln um danach wieder produktiv zu sein.

Wie hast du persönlich das Menstruationstabu erlebt?

Ich habe das gemerkt, als ich meine Bachelorarbeit über eine mögliche Enttabuisierung der Menstruation schreiben wollte. Mir wurde von meiner Hochschule davon abgeraten, über dieses Thema zu schreiben und ich konnte zuerst auch keine*n Prüfer*in finden. Ich habe mich dem widersetzt und habe weitergekämpft, aber natürlich war das nicht leicht. Ich habe das Gefühl, indirekt beschämt worden zu sein, indem mir gesagt wurde „Lassen Sie das!“ und mir ganz klar signalisiert wurde, dass ich nicht über das Thema schreiben oder forschen soll. Und obwohl ich am Ende auch jemanden finden konnte, der meine Bachelorarbeit korrigiert, hatte ich bis zuletzt das Gefühl, meine Bachelorarbeit sei etwas Spezielles wofür ich mich rechtfertigen muss.

Welche Folgen hat die Tabuisierung der Menstruation?

Kein Mensch weiß so richtig, was der Menstruationszyklus ist. Solange Menstruation mit Stuhlgang oder Sperma verglichen wird, und das passiert heute und jetzt auf Facebook, zeigt es, dass wir ganz schön viel Nachholbedarf haben. Die Folgen von Unwissen und fehlender schulischer Aufklärung reichen von ungewollten Schwangerschaften oder Frustration, wenn man schwanger werden will und es aber nicht klappt, bis hin zu fehlenden Bewusstsein dafür, dass Frauen Menstruationsprodukte wirklich brauchen, um am Alltag teilzunehmen.
Das fehlende Wissen trägt sich fort und steigert Scham und Unwohlsein, was uns wiederum daran hindert, Forschungs- und Bewusstseinslücken zu füllen.

Dein Buch heißt „Periode ist politisch“. Was genau kann man sich denn darunter vorstellen?

Die Periode ist ja ein omnipräsentes Phänomen, das heißt ein Viertel der Weltbevölkerung sind potenziell Menstruierende. Trotzdem wird die Periode immer wieder ignoriert und die Lücke, die dadurch entsteht, besteht in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen. Beispiel Verbraucherschutz: Die Hersteller von Menstruationsprodukten wie Tampons, Binden oder Menstruationstassen sind in Deutschland immer noch nicht dazu verpflichtet anzugeben, was in den Produkten enthalten ist. Periodenprodukte sind als Bedarfsgegenstände kategorisiert, wie unter anderem Bettwäsche oder Geschirr. Das sind Produkte, die vorübergehend mit der Haut in Kontakt kommen. Dabei passen Menstruationsprodukte überhaupt nicht in diese Kategorie rein, weil wir die jeden Monat in unserem Körper, an den empfindlichsten Schleimhäuten, tragen. Bei Tampons und Co. gibt es natürlich auch noch den Umweltaspekt, gerade weil die Favourites bei den Menstruationsprodukten Einmalprodukte sind. In westlichen Ländern verbraucht eine Frau hochgerechnet aufs ganze Leben 12.000-17.000 Tampons oder Binden. Die meisten Produkte enthalten Plastik und sind nicht recyclebar und bei der Menge, von der wir hier sprechen, sehe ich eindeutigen Handlungs- und Forschungsbedarf. Ähnlich im medizinischen Bereich: Beispielsweise PMS (Prämenstruelles Syndrom, Anm. d. Redaktion) oder Endometriose sind unfassbar schlecht erforscht. Endometriose ist eine Krankheit, bei der sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter ansammelt. Das kann zu höllischen Schmerzen führen. Im Schnitt warten die betroffenen Frauen zehn Jahre - lediglich auf eine Diagnose. Da fehlt es auch Gynäkologen und Gynäkologinnen an Bewusstsein, die die starken Schmerzen als Regelbeschwerden abtun und einfach die Pille verschreiben. Ich finde, es herrscht definitiv Aufklärungsbedarf und auch Bedarf Gelder zu akquirieren. Sowohl für Forschung, als auch für Menstruationsprodukte die frei verfügbar sein sollten, weil wir uns einfach nicht ausgesucht haben zu bluten.

Du bezeichnest dich selbst als „Menstruationsaktivistin“. Was genau bedeutet das und was macht man da?

Ich arbeite aktiv daran, die Menstruation zu enttabuisieren, und mehr Bewusstsein für die Menstruation zu schaffen. Ich schreibe viel, bin in den sozialen Netzwerken aktiv, verbreite da mein Periodenwissen und ziehe durchs Land und halte Vorträge. Das sind dann zum Beispiel interaktive Vorträge, Workshops, Vorträge an Schulen oder in Bildungszentren. Mir ist es einfach wichtig, auch Leute zu erreichen, die nicht in meiner „Bubble“ sind und gesamtgesellschaftlich etwas zu verändern.

Wie kann man denn selbst zur „Periodenrevolution“ beitragen, wenn man, wie du sagst, nicht in deiner Bubble ist?

Also erstmal, sich selbst aufklärenund versuchen, nicht nur die Menstruation, sondern den gesamten Zyklus zu verstehen. Der ist unfassbar faszinierend! Und wenn man dann soweit ist wissenstechnisch: Sharing is caring! Man sollte sein Bewusstsein und die Aufklärung über die Menstruation weitertragen.

PULS am 12.03.2020 ab 15 Uhr.