Tipps vom Argumentationsexperten How to konter Stammtischparolen?

Was tun gegen miese Stammtischparolen und Anti-Ausländer-Gelaber? Einfach ignorieren ist easy, aber genau das Falsche. Wir haben uns Tipps von einem Argumentationsexperten geholt.

Von: Janina Schrupp

Stand: 23.10.2018 | Archiv

Grafik "Stammtischparolen" | Bild: BR

"Die Ausländer kommen, bekommen alles was sie brauchen und am Ende klauen sie unsere Jobs! Wird man ja wohl noch …"

irgendein Verwandter bei irgendeinem Familienfest.

Sich auf solche Diskussionen einzulassen ist schwer. Es ist nervig, mental und körperlich eine Grenzerfahrung. Aber es ist im gleichen Atemzug auch verdammt wichtig. Wir haben uns Tipps von Argumentationsexperten Christian Boeser-Schnebel geholt. Er ist Projektleiter des Netzwerks Politische Bildung Bayern und gibt "How to Stammtischparolen"-Kurse.

Stress ohne Sinn?

Mal im Ernst: Wieso überhaupt auf Stammtisch-Parolen eingehen? Ist es nicht am besten, sowas einfach zu ignorieren, statt sich ewig zu streiten? Zugegeben, ein nachvollziehbarer Gedanke. Genau dieses Ignorieren ist aber schon ein großer Teil des Problems, sagt Christian Boeser-Schnebel. Unser Mantra sollte stattdessen sein: Es ist immer wichtig, sich von Hetzparolen abzugrenzen. Egal wann, wo und wie.

"Wir tragen mit jeder Diskussion zu einer politischen Kultur bei, die für unsere Demokratie wichtig ist."

Christian Boeser-Schnebel

Also die Stirn bieten, auch wenn's nervt. Soweit so gut. Wirklich schwierig wird es tatsächlich dann, wenn wir den Anderen zum Nachdenken bringen wollen. Das ist das nächste Level.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Um das zu erreichen, muss sich dieser Andere überhaupt erstmal auf eine Diskussion einlassen. Immer dranbleiben und nachhaken lautet die Devise. Das funktioniert sehr gut mit einem kleinen Wörtchen: Warum. Warum ist das so? Warum denkst du das? "Ich zwinge den anderen zu einer Präzisierung seiner Position.", erklärt Christian. Außerdem zeigt man so ein ehrliches Interesse an der Meinung des Anderen. Er fühlt sich ernst genommen und ist eher bereit, sich auch unsere Argumente anzuhören. Und genau das wollen wir ja erreichen.

Mit Fakten rumschleudern bringt übrigens wenig. Klar, niemand lässt sich gerne von oben belehren.

"Wenn man ihn dann argumentativ plattmacht und versucht zu belehren, dann wird er zu machen und in einen aggressiv-feindseligen Modus abrutschen."

Christian Boeser-Schnebel

Das heißt nicht, dass Fakten keine Rolle spielen sollen. Ganz im Gegenteil. Sie müssen bloß zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden. Der ist erreicht, wenn der Andere sich auf die Diskussion eingelassen hat und sich ernst genommen fühlt. Dann kann es eine gute Diskussion auf Augenhöhe werden.

Lasst euren Emotionen freien Lauf

Emotionen holen das Gespräch nochmal auf eine ganze andere, auf eine persönliche Ebene. Christian spricht konkret von zwei Fragen: Was löst die Aussage des Anderen bei uns aus? Was wünschen wir uns stattdessen?

"Du findest Migranten haben hier nichts zu suchen. Das macht mich traurig, weil ich sofort an eine gute Freundin denken muss, die auch erst vor ein paar Jahren nach Deutschland gekommen ist. Sie hat sich super eingelebt und ist jetzt hier Zuhause. Ich wünschte, du würdest versuchen, die Geschichten der Einzelnen zu sehen, bevor du so etwas sagst."

Christian Boeser-Schnebel

Durch unsere Emotionen können wir super schnell reagieren Jeder weiß, wie schwer es ist, spontan zu kontern - meistens fallen einem die guten Argumente erst im Nachhinein ein. In Gefühle verpackt geht das viel schneller.

Gemeinsam nach Lösungen suchen?

Danach ist es wichtig im Kern herauszufinden, worum es dem Diskussionspartner geht. Was will er eigentlich erreichen? Der gegenüber soll seine Gedanken solange weiterführen, bis wir schließlich das eigentliche Bedürfnis erkennen. Das könnte zum Beispiel ganz einfach der Wunsch nach Sicherheit sein. Mit diesem nachvollziehbaren Bedürfnis können wir dann gemeinsam nach einer alternativen Lösung suchen.

Wenn's denn immer so einfach wäre

Natürlich klappt's auch mit der richtigen Technik nicht immer, eine gute und zielführende Diskussion zu führen. Manchmal wird es auf beiden Seiten zu hitzig. Dann rät Christian, das Gespräch ruhen zu lassen und zu einem anderen Zeitpunkt weiterzuführen. Mit kühlem Kopf - und natürlich auch dann mit der richtigen Technik.

Sendung: Filter am 15.10.2018 ab 15 Uhr