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Alter Brauch an den Kartagen Ratschen statt Läuten

Von Gründonnerstag Abend an bis zur Osternacht ist es still in unseren Kirchtürmen. Über die Kartage verstummen die Glocken. Stattdessen ertönt in vielen Orten das laute Klappern der Holzratschen Michael Mannhardt erklärt, was es mit dieser katholischen Tradition auf sich hat.

Von: Michael Mannhardt

Stand: 05.04.2023 | Archiv

Osterratsche und Palmzweige | Bild: picture alliance | CHROMORANGE / Weingartner

Zum Gloria des Gründonnerstags werden die Glocken zum letzten Mal geläutet. Sowohl im Turm als auch am Altar schweigen sie bis zum Gloria der Osternacht. Den Kindern wird noch heute erklärt, dass sie "nach Rom fliegen". Manche behaupten gar, sie fliegen zum Beichten in die Heilige Stadt. Was Glocken wohl zum Beichten haben? Vielleicht, dass sie im Laufe des vergangenen Jahres ihren Verkündigungsdienst – sie sollen ja die Frohe Botschaft verkünden! - nicht immer überzeugend, zuverlässig und pünktlich ausgeübt haben? Oder waren sie verstimmt und haben einen Misston über Ort und Gemeinde geschickt? Gott weiß …

Knallen und klappern statt läuten

Eine Karfreitagsratsche in der Kirche St. Quirin in Aubing

Der Brauch, dass das Glockenläuten an den Kartagen verstummt, ist uralt. Es gilt als Zeichen der Trauer über Leiden und Tod Jesu und bringt diese besondere Zeit des Kirchenjahres auch akustisch zum Ausdruck. Es handelt sich um eine katholische Tradition, da sie in mehrheitlich evangelischen Orten unüblich ist. An die Stelle des Glockenläutens tritt – zwischen dem Gloria des Gründonnerstags und dem Gloria der Osternacht - das Ratschen. Und das in unterschiedlicher Form.

Ratschen ist nicht gleich ratschen

Es gibt vielfältige Arten dieser Holzinstrumente. Stark verbreitet sind vor allem rotierende Ratschen, die das unter Spannung stehende Holzblatt zum Knallen bringen. Mancherorts werden auch Klappern mit Holzhämmern eingesetzt.
Auch die Dimensionierung ist sehr unterschiedlich: Sie reicht von der handlichen Ratsche, die ein Kind leicht bedienen kann, bis zur großen, schweren und daher feststehenden Turmratsche, für die man ordentlich Kraft und Ausdauer benötigt. In manchen Türmen wurden diese großen Ratschen daher auch schon elektrifiziert: Ein Knopfdruck in der Sakristei genügt dann und das Getöse beginnt …

In einigen Regionen ziehen die Kinder mehrmals am Tage als Gruppe durch die Ortschaften und ratschen an speziellen Plätzen und Häusern. Dazu werden fromme Sprüche gerufen:
"Wir ratschen, wir ratschen den englischen Gruß
den jeder fromme Christ beten muss.
Fallts nieder, fallts nieder auf eure Knie
und betets ein Vaterunser und ein Avemarie.
Wir ratschen, wir ratschen Gebet!"

ruft man etwa mancherorts im Salzkammergut. Als Dank bekommen die Kinder einen kleinen Obolus der Bewohner.
Wo große, weit hörbare Turmratschen vorhanden sind wird zu den Zeitpunkten, an denen sonst die Glocken ertönen, selbstverständlich auch geratscht.

 Sogenanntes "Tafelngehn"

Beim Brauch des Tafelns ziehen Jugendliche betend mit diesen Instrumenten durch das Dorf.

Darüber hinaus gibt es im Alpenraum noch so manche Besonderheit. In Plessnitz im Kärntner Liesertal etwa hat sich ein bemerkenswerter Brauch erhalten, der auch in diese Tradition gehört: Das sogenannte "Tafelngehn". Die Kinder des kleinen Bergdorfes ziehen an den Kartagen mit ihren großen und kleinen Tafeln durch den Ort und dreimal um die Kirche, um den Segen zu erbitten. Wohl einmalig ist dabei die Konstruktion der großen und kleinen Tafeln. Es handelt sich um kleine Holzbretter auf die durch Rüttelbewegung zahlreiche, kleine Hämmerchen schlagen, was einen unverwechselbaren Klang erzeugt. Der Brauch - wohl auf ein Gelübde zurückgehend - gehört auch zur Familie des Ratschens.

Sehr alte Kommunikationsform

Die Tradition, zu speziellen Zeiten Holzschlaginstrumente zu verwenden, könnte bereits in frühchristlicher Zeit entstanden sein, in der Glocken noch keine Verbreitung im Christentum fanden. Es ist anzunehmen, dass schon die Wüstenmönche des vierten Jahrhunderts nach Christus Holzbretter als Kommunikationszeichen benutzt haben. Und der Mönchsvater Benedikt spricht einige Zeit später von einem Zeichen zum Gottesdienst. War es ein einfaches Holz oder bereits eine Glocke, die die Mönche gerufen haben? Beides ist naheliegend. Auf jeden Fall gehören beide Klang-Traditionen heute untrennbar zusammen und ergänzen einander weithin hörbar an den Kar- und Ostertagen. 


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