Bayern 2 - radioWissen


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Rohstoff zum Brauen, Brennen und Backen

Von: Simon Demmelhuber / Sendung: Sabine Kienhöfer

Stand: 29.04.2016 | Archiv

Mensch, Natur und UmweltMS, RS, Gy

Ob flüssig oder fest, Malz ist in aller Munde. Wir genießen es in Bonbons, Backwaren, Getränken. Den Geschmack kennt jeder, kaum jemand seinen Urheber. Höchste Zeit für das Porträt eines Aromakraftwerks mit Tradition und Zukunft.

Das kann doch nicht so schwer sein: Körner einweichen, keimen lassen, trocknen, rösten. Fertig ist das Malz. Von wegen! Die uralte Technik, Getreide durch gezielte Keimung und anschließendes Dörren zu veredeln, ist ein anspruchsvolles Handwerk. Und ein höchst heikles obendrein. "Denn fehlerfreyes Malz", so mahnt ein Lehrbuch von 1791, "ist die erste und vornehmste Grundlage zum Bierbrauen. Ist das Malz fehlerhaft, so wird auch der geschickteste und erfahrenste Brauer kein wohlschmeckendes Bier mit all seiner Kunst zuwege bringen." Und noch heute, mehr als 200 Jahre später, im Zeitalter computergesteuerter Bierfabriken und Hightech-Brauereien, warnen Standardwerke des Brauereiwesens: "Fehler beim Mälzen können im Sudhaus nicht mehr aufgeholt werden!"

Bier braucht Prozente und Perlen

Ohne Malz also gar kein Bier, mit schlechtem Malz nur Plörre. Aber warum? Was macht Malz zur "ersten und vornehmsten Grundlage des Bierbrauens"? Tut es normales Getreide nicht auch? Nein, tut es nicht! Zumindest dann nicht, wenn nach dem 500 Jahre alten bayerischen Reinheitsgebot gebraut werden soll. Danach gehören nämlich nur vier Zutaten ins Bier: Gerste, Hopfen, Hefe, Wasser. Mehr nicht. Und schon gar kein künstlicher Zucker. Genau hier liegt das Problem: Damit Bier nach Bier schmeckt, muss es Alkohol und Kohlensäure enthalten. Die entsprechenden Prozente und Perlen produzieren hungrige Hefen im Sud. Sie spalten Zucker auf und setzen die alkoholische Gärung in Gang. Aber wo kommt dieser Zucker her, wenn ihn der Brauer nicht zugeben darf?

Knack den Zuckertresor!

Ganz einfach: Er steckt im Getreide. Besser gesagt, er versteckt sich darin. Wenigstens aus Sicht der Hefe. Denn ungemälzte Weizen- oder Gerstenkörner bestehen zu zwei Dritteln aus Stärke. Das ist zwar auch ein Zucker, aber einer, den keine Hefe dieser Welt knacken könnte. Brauhefe kann nur Zweifachzucker spalten und zu Alkohol vergären, mehr geht nicht. Stärke ist aber ein Mehrfachzucker, ein hoch verdichteter pflanzlicher Speicherstoff, in dem viele Einfachzucker so fest verbaut sind, dass selbst aktivste Hefen keine Chance haben, ihm das Zuckergold zu entreißen.

Braumeister und Fassgeister

Wenn es mit dem Bier trotzdem funktionieren soll, braucht der Braumeister also chemische Mitstreiter, die nicht gegen das Reinheitsgebot verstoßen und dennoch unvergärbare Getreidestärke in vergärbaren Zucker umwandeln können. Exakt dafür sorgt das Malz. Es stellt genau jene biochemischen Spaltwerkzeuge bereit, die später im Sudhaus die Stärke aufbrechen. Chemisch ausgedrückt bilden sich beim Mälzen spezifische Enzyme, die das Polysaccharid Amylose (Stärke) zum Disaccharid Maltose (Malzzucker) abbauen und so den Ausgangsstoff für die alkoholische Vergärung durch spezielle Brauhefen (Saccharomyces cerevisiae) bereitstellen.

Stimulierte Enzymproduktion

Malz ist also Getreide, das Enzyme gebildet hat. Um diesen Prozess auszulösen, muss es der Mälzer zum Keimen stimulieren. Dazu braucht es eigentlich nur genügend Feuchtigkeit. Die Körner werden ein bis zwei Tage lang gewässert und nehmen dabei reichlich Flüssigkeit auf. Dieses "Weichen" löst die Biomechanismen der natürlichen Wachstumsperiode aus: Um den Keim zu ernähren, bilden sich Enzyme, die im Mehlkörper gespeicherte Stärke in verwertbaren Zucker umsetzen. Nach etwa einer Woche, in der das keimende Getreide immer wieder gewendet und durchgelüftet wird, zeigen sich grün schimmernde Triebe. Jetzt ist es Zeit, die Keimung zu stoppen. Andernfalls würde der Spross das Korn restlos "aufessen" und nichts mehr für den Brauer übriglassen.

Enzyme auf Stand-by

Im nächsten Schritt wird das nun Grünmalz genannte Zwischenprodukt erst schonend getrocknet und dann mit Heißluft mehr oder minder stark gedarrt. Nach dieser abschließenden Röstung, die der Fachmann als Darren bezeichnet, ist das Malz fertig. Die Enzyme überstehen die Temperatur-Tortur zum Glück unbeschadet. Sie gehen in eine Art Standby-Modus, bis sie erneut aktiviert werden. Die Stunde ihrer Wiedererweckung schlägt im Sudhaus, wenn der Brauer das Malzschrot mit Wasser vermischt und erhitzt. Durch Feuchtigkeit und Wärme aus dem Schlaf gekitzelt, machen sich die Enzyme sofort ans Werk und bauen Stärke in Malzzucker um. Und der, wir wissen es, liefert dann den Grundstock für das segensreiche Gärwerk der Hefen.

Aromabooster und Farbenspender

Damit sind die Malzmeriten noch lange nicht ausgereizt. Denn beim Mälzen entstehen nicht nur stärkespaltende Enzyme, sondern vielfältigste Röstaromen und Farbnuancen, die später den Geschmack und das Aussehen des Biers wesentlich mitbestimmen. Wie das Malz ausfällt, hängt von der Dosierung der Hitze und der Dörrdauer ab. Je länger und stärker der Mälzer ihm einheizt, desto dunkler und aromatischer wird es. Die hellen Sorten wie etwa das Pilsner Malz, ergeben entsprechend goldene, getreidesüßliche Biere mit eher dezentem Malzcharakter. Aus stärker gedarrten Spielarten wie dem Münchner Malz werden entsprechend dunklere und ausgesprochen malzige Biere gebraut. Dazwischen liegt ein schier unerschöpfliches Feld feinster Tönungen und Abstufungen. An die 80 unterschiedliche Malze von golden bis schokoschwarz, von süß bis bitter und von fruchtig bis buttrig stehen experimentierlustigen Braukünstlern als Grundlage individueller Bierstile und Geschmackserlebnisse zur Verfügung.

Lockerungsübungen und Bräunungshilfen

Brauer und Brauereien sind zwar mit Abstand die größten, aber beileibe nicht die einzigen Malzverbraucher. Ein nicht unbeträchtlicher Teil kommt als Malzmehl oder Backmalz in gängigen Backmitteln zum Einsatz. Und auch hier dreht sich alles um die beim Mälzen gebildeten Enzyme. Sie spalten, wie sie das beim Brauen ebenso tun, die Mehlstärke auf und stellen der Backhefe rasch große Mengen vergärbaren Zuckers bereit. Dadurch geht der Teig schneller und stärker auf, er wird lockerer und vergrößert sein Volumen. Der nicht von den Hefen verbrauchte Zucker macht außerdem die Kruste rösch und färbt sie appetitlich braun.

Helden des Getreideadels

Ob Bier, Whisky, Malztrunk, Malzkaffee oder Malzbonbon - Malz ist in aller Munde. Und zum Glück gibt es Spezialisten, die diesen so alltäglichen und doch so unbekannten Rohstoff sachkundig herstellen. Egal ob wir Malzprodukte lutschen, schlürfen, beißen, kauen oder trinken, vom Können, vom Wissen und vom Eifer dieser Meister ihres Fachs profitieren wir alle. Auf sie kommt es an. Das wusste übrigens auch schon unser Lehrbuch von 1791: "Wäre aber dieses nicht, dass nämlich Klugheit, Erfahrung und unermüdeter Fleiß erfordert würde, so könnte ein jeder mälzen."


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