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Das Thema Die Vergebung

Stand: 22.02.2012 | Archiv

Buße, Beichte Reue, Vergebung und Sünde sind religiös verankerte und gebundene Begriffe, die selbst für gläubige Christen nicht mehr selbstverständlich sind. Im "profanen" Alltag aufgeklärter, moderner und kirchenferner Menschen haben sie ihren Platz scheinbar vollends verloren. Scheinbar. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Schuldvergebung als menschliches Grundbedürfnis

Denn jeder Mensch erlebt und kennt die Erfahrung von Schuld. Wir alle verletzen unsere Mitmenschen, egal ob durch Worte, Taten oder Unterlassungen. Wir bleiben Hilfe schuldig, wo wir sie leisten könnten, wir lügen, wir betrügen, wir lassen andere im Stich, wir brechen Freundschafts- und Liebesverhältnisse, sind verstrickt in Schmerz, den wir bewusst oder unbewusst auslösen.

Versöhnung ohne religiösen Überbau

Daher kennt und erlebt jeder Mensch das Bedürfnis nach Vergebung, nach Verzeihung, nach Versöhnung. Das Erlebnis, sich eine vermeintliche oder echte Schuld von der Seele zu reden, ein verkorkstes Verhältnis durch eine offene Aussprache wieder einzurenken, eine zerrütte Gemeinschaft durch ein verzeihendes Wort oder eine versöhnliche Geste wiederherzustellen, wirkt auch ohne religiösen Überbau befreiend. Das Bedürfnis, Schuld durch ihr Eingeständnis, durch Reue, durch einen Akt der Wiedergutmachung aufzuheben, stillt tiefe emotionale und soziale Bedürfnisse.

Reue heilt Brüche zwischen den Menschen

Den zwischenmenschlichen "Bußgang" anzutreten, den ersten Schritt zur Versöhnung zu machen und seine Schuld zu bekennen, ist nicht immer leicht, aber unerlässlich. Ein wesentliches Element ist dabei die Reue. Erst sie zeigt, dass wir es wirklich ernst meinen mit der Bitte um Verzeihung, erst sie zeigt, dass wir den anderen in seiner Verletztheit und unseren Beitrag dazu wirklich erkennen. Um Verzeihung bitten heißt, den anderen und seine Rechte und Bedürfnisse vollständig anzuerkennen.

Verdrängte Schuldgefühle belasten die Psyche

Auch in der Psychotherapie spielt der Mechanismus von Schuldbekenntnis und Schuldbewältigung eine zentrale Rolle. Dabei geht es zum einen darum, eigenes Verfehlen zu verarbeiten und so den Teufelskreis hemmender Schuldgefühle aufzubrechen, um einen Neuanfang zu setzen. Ebenso wichtig kann es sein, anderen zu verzeihen, um traumatisierende Erlebnisse endlich hinter sich zu lassen und in der Vergebung zuletzt den eigenen Seelenfrieden zu finden. Umgekehrt können sowohl die Verdrängung eigener Schuld wie auch das Unvermögen, fremde Schuld zu vergeben, das Leben verbittern und sogar dauerhaft schädigen.

Versöhnung mit Garantie

Was den profanen vom religiösen "Bußakt" unterscheidet, ist alleine die Gewissheit der Vergebung. Während die Tiefe der Vergebung unter Menschen immer unsicher bleibt, darf der Gläubige darauf vertrauen, dass ihm tatsächlich, uneingeschränkt und vollkommen vergeben ist. Denn im Sakrament handelt letztlich nicht ein Mensch, sondern Gott selbst. Aus dieser tröstlichen Zuversicht können echte Heilung und wahrer Seelenfriede erwachsen.


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