Bayern 2 - radioWissen


3

Staub Das Thema

Stand: 15.10.2014 | Archiv

Schild vor Auspuffabgasen  | Bild: picture-alliance/dpa; br; montage: br

Das Phänomen Staub beschrieb der Kirchenvater Isidor von Sevilla einst mit diesen Worten. "Alles was so leicht ist, dass es von Luft empor getragen wird". Er lebte um 560 bis 635, doch bis heute besitzt seine Definition Gültigkeit. Sie weist auf ein wichtiges Merkmal von Staub hin, auf seine hohe Mobilität. Mit anderen Worten: Staub kann von überall her kommen und nach überall hin gelangen.

Grobstaub oder Feinstaub

Staub besteht aus vielen kleinen Partikeln, die mit dem bloßen Auge fast nicht zu sehen sind. Aber auch unter den Winzigen gibt es Größenunterschiede. Grobstaub heißen die Teilchen zwischen 10 und 20 Mikrometer. Ein Mikrometer entspricht dem Millionsten Teil eines Meters. Partikel, die kleiner als 10 und größer als ein Mikrometer sind, fallen in die Kategorie Fein- oder Schwebstaub. Was noch kleiner ist, kommt aus dem Nanobereich, weshalb diese staubfeinen Teilchen auch Nanopartikel genannt werden. Sie lassen sich nur mit speziellen Geräten messen, denn ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter und damit kleiner als all das, was wir uns vorstellen können.

Je länger in der Luft, desto kleiner seine Partikel

Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Staubpartikel sind, desto länger bleiben sie in der Luft, bevor sie zu Boden sinken. Fein- oder Schwebstaub gelingt das bis zu 14 Tagen. Der Grund: In der Welt der kleinen Teile herrschen andere Gesetze vor. Die Schwerkraft, die sonst unser ganzes Dasein bestimmt, ist hier im Wortsinn außer Kraft gesetzt. Statt dessen sind es die Oberflächenkräfte, die im Leben staubfeiner Partikel eine Rolle spielen. Im Vergleich zu ihrer Masse zeichnen sie sich nämlich durch eine sehr große Oberfläche aus. Das ermöglicht ihnen durch die Luft zu fliegen, an senkrechten Oberflächen hängen zu bleiben und macht sie umso reaktiver, je kleiner sie sind.

Staub: vielfältig in seinen Bestandteilen

Sternenstaub und Gas formen sich zu neuen Sternen - Blick durchs Hubble-Teleskop

Staub entsteht so gut wie immer und überall. Ebenso vielfältig wie seine Quellen sind auch seine Bestandteile. Staub kann aus anorganischem oder organischem Material bestehen und er kann von Menschen gemacht oder natürlichen Ursprungs sein. Der Blick in die Mikrowelt einer (Haus)Staubwolke macht das deutlich: Was uns zunächst als einheitlich graue Masse erscheint, ist in Wahrheit ein buntes Gemisch aus Fasern und Körnern. Da finden sich zum Beispiel Brotkrümel, Hautschuppen und Haare, Abriebe von Textilien, Papier und Tapeten, Spuren von Haarspray, Chemikalien aus Möbeln und Spielzeug. Partikel von draußen gesellen sich dazu: Schwermetalle aus den Abgasen des Straßenverkehrs zum Beispiel und natürlich die Pollen aus dem Blütenstaub. Aber auch Weitgereiste finden den Weg zu uns: Sandkörner aus der Sahara, Salzpartikel vom Atlantik und sogar "Außerirdische" aus dem Kosmos. Bis zu 40.000 Tonnen Sternenstaub pro Jahr rieseln auf die Erde nieder, fand unlängst ein deutsch-amerikanisches Forscherteam heraus.

Staub – Ein Risiko für unsere Gesundheit

Weitgereister Staub aus der Sahara in der Nähe von Innsbruck

Erstmals machte man diese Entdeckung im 19. Jahrhundert, gut 200 Jahre nach der Erfindung des Mikroskops, als man begann, den luftgetragenen Staub systematisch zu erforschen. Es war der Berliner Biologe Christian Gottfried Ehrenberg, der auf seinem Objektträger einen fliegenden Zoo von Lebewesen, Keimen und Pollen entdeckte. Diese Entdeckung wiederum bedeutete, dass mit dem Staub auch Krankheitserreger unterwegs sind, damals für Tuberkulose und Cholera. Führte diese Entdeckung zu umfassenden Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern und Operationssälen, so ist gegen den radioaktiven Staub nicht anzukommen, auch nicht, wenn sein Entstehungsort weit weg zu sein scheint. Der Reaktorunfall in Tschernobyl im April 1986 führte uns diese Tatsache drastisch vor Augen.

Haushaltsstaub – ein Kleinsttier-Zoo

Mini-Monster, das sich besonders im Bett wohlfühlt: die Hausstaubmilbe

Der moderne Haushalt ist ebenfalls nicht frei von Risiken. Im so genannten Hausstaub fühlt sich allerlei Kleingetier wohl: Milben, Schimmelpilze, Sporen und Bakterien. Sie können Krankheiten, häufiger aber noch Allergien auslösen. Dazu kommt: Zahlreiche Schadstoffe in der Luft reichern sich im Staub an. Solche, die als Risikochemikalien etwa aus Möbeln oder Spielzeug stammen, und solche, die in Form von Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber von draußen nach drinnen gelangen. All diese giftigen Teilchen werden mit dem Staubsauger (und mit dem trockenen Staubtuch) nicht beseitigt, sondern nur aufgewirbelt. Kleinste Partikel gelangen so als Feinstäube in die Luft, wo sie über lange Zeit bleiben und von uns eingeatmet werden. Nass zu wischen, ist darum noch die beste Methode, um das Risiko zu minimieren.

Je feiner die Staubpartikel nun sind, desto tiefer können sie in unseren Körper gelangen. Denn sie lagern sich in den unteren Atemwegen ab, von wo sie in die Lungebläschen gelangen und Entzündungen provozieren. Dass Staubpartikel zu Atemwegserkrankungen führen können, weiß man schon lange. Mit Aufkommen der Arbeitsmedizin Ende des 19. Jahrhunderts wurde die "Staublunge" als Krankheit der Bergarbeiter bekannt. Heute mehren sich die Anzeichen dafür, dass ultrafeine Partikel auch in die Blutbahn gelangen und von dort aus zum Beispiel Herz und Gefäße schädigen können.

Um die Feinstaubproblematik in den Griff zu bekommen, wurden vielfältige Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht. Neue technologische Entwicklungen lassen aber neue Stäube entstehen und stellen somit vor neuen Herausforderungen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Dieseltechnologie.

Staub - Ein wichtiger Faktor im Ökosystem

Den Hauptanteil an der globalen Staubproduktion hat der natürliche Staub. In der Natur spielt er eine wichtige Rolle: So sorgt der Blütenstaub etwa für die Fortpflanzung der Pflanzen. Der feine Sandstaub aus der Wüste, den der Wind über die Kontinente trägt , liefert den Ozeanen das notwendige Eisen zur Bildung von Plankton und Phosphor für das Ökosystem im Regenwald des Amazonasgebiets. Die winzige Salzkristalle, die auf den großen Meeren mit der Gischt der Wellen an die Luft gelangen, sind Teil des Wasserkreislaufs. Und schließlich würde es auf einer Welt ganz ohne Staub keinen Regen, keinen Schnee geben, "weil jedes Tröpfchen Niederschlag ein festes Partikel als Kristallisationskern benötigt", erklärt Dr. Jens Soentgen, Leiter vom Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg.

Staub – Eine unerschöpfliche Informationsquelle der Wissenschaft

Lästiger Dreck - aber auch Fundgrube für Forscher

Das Phänomen Staub weckt das Interesse von Geologen, Planetologen und Kriminologen ebenso wie von Biologen, Physikern und Chemikern. In Staub zu lesen ist für den Forschergeist interessant. Schon der Gelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz begeisterte sich für die Welt der keinen Teile, als im 17. und 18. Jahrhundert das Mikroskopieren in die Wissenschaft einzog. Noch im winzigsten Partikel sah er Welten, einen Garten voller Pflanzen und einen Teich voller Fische. Heute ist die moderne Staubforschung in der Lage, anhand der Eigenschaften und Umgebungen winziger Staubteilchen zu weitreichenden Erkenntnissen zu gelangen. Mit Hilfe der Pollenanalyse etwas ist es möglich, die Vegetation der vergangenen Jahrtausende zu rekonstruieren. Körnchen, die aus fossilem Staub in Mooren gesichert werden, lassen hier ganze Bilder von Landschaften entstehen. Informationen über die Entstehung und Zukunft des Weltalls zu gewinnen, ist das Interesse der Planetologen. Mit speziellen Flugzeugen fangen sie in der Stratosphäre die stellaren Körner ein, die aus längst verglühten Sternen zu uns auf die Erde gelangen. Und was wir alle aus dem sonntäglichen "Tatort" kennen, ist auch in Wirklichkeit so: Bei der Spurensicherung bedienen sich die Kriminalisten des Staubs. Er macht Fingerabdrücke sichtbar und erzählt noch als feinster Belag ganze Geschichten zum Tathergang.

Die Möglichkeit, Stäube zu analysieren erlaubt freilich auch Stäube herzustellen. Die Entdeckung zum Beispiel, dass sich kleinere Teilchen aufgrund ihrer Oberflächenkräfte reaktionsfreudiger verhalten als größere führte unter anderem in der Küche, im Handwerk oder in der Apotheke dazu, Materialien zu zerkleinern, um sie schneller aufzulösen. Das bringt uns wieder zum Feinstaub und seinen Gefahren und schließt damit den Kreis "Staub als Spiegel der Umwelt".


3