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Deutschlands Weg in den Zweiten Weltkrieg Glossar

Stand: 22.07.2019 | Archiv

BegriffErklärung
AppeasementIn den Jahren 1937 bis 1939 verfolgt vor allem die Regierung Großbritanniens eine Politik der Befriedung (oft wird auch von Beschwichtigung gesprochen) gegenüber dem Diktator Hitler. Mit Zustimmung des Parlaments und gestützt auf eine öffentliche Meinung, die nach dem Schrecken des Ersten Weltkriegs weitere Waffengänge ablehnt, ist Premierminister Neville Chamberlain bereit, Wünsche Berlins zu erfüllen, um den Frieden zu sichern und Stabilität in Europa zu schaffen. Doch je mehr die Appeasement-Befürworter dem aggressiven Machtmenschen Hitler entgegenkommen, desto dreister werden seine Forderungen. Seither gilt das britische Regierungshandeln als abschreckendes Beispiel dafür, wie eine gut gemeinte Entspannungspolitik scheitern kann. Heute wissen Diplomaten, dass Appeasement nur funktioniert, wenn Konfliktgründe und Meinungsverschiedenheiten methodisch aus dem Weg geschafft werden, um Spannungen zwischen Staaten zu beseitigen. Ein Mix aus Härte und Verhandlungsbereitschaft ist dabei unabdingbar.
FronterlebnisDas prägende Erlebnis für viele spätere Nationalsozialisten ist der Erste Weltkrieg. Durchdrungen vom Erziehungssystem der wilhelminischen Epoche mit all seinen Zwängen, Verboten und der Ausbildung zum "soldatischen" Mann, erleben sie den Krieg. Kameradschaft und Heldentum gelten ihnen als erstrebenswerte Ziele. Diese Empfindungen werden vor allem an der Westfront durch eine neue Art der Kriegsführung verstärkt. Der Grabenkampf, der das Zusammensein auf engstem Raum, unter häufigem (Giftgas-)Beschuss und höchster seelischer Belastung erfordert, läutet das "stählerne Zeitalter” ein. Nach dem Waffenstillstand 1918 sammeln sich zahlreiche Frontsoldaten in Freikorps, die die revolutionäre Linke bekämpfen oder die deutsche Ostgrenze sichern. Vertieft durch das Kampferlebnis fällt rassistisches Gedankengut bei diesen Männern auf fruchtbaren Boden: Sie fühlen sich als Elite, als überlegene Rasse.
Niederlage, Nachkriegschaos und die Revolution von 1918 bringen diese Welt zum Einsturz. Der Frontkämpfer, auf der Suche nach Identität, kann sich weder an Vergangenem festhalten, noch liefern politische Entwicklungen in der Weimarer Republik Orientierungspunkte. Neue Wirklichkeiten wie Arbeitslosigkeit oder Inflation bestimmen die Realität. Den entwurzelten Soldaten begegnen demokratische Politiker oft mit Unverständnis und Verwirrung. So kommt es, dass sich um ehemalige Offiziere Geheim- und Soldatenbünde gruppieren. Hier werden der Glaube an die Dolchstoßlegende ("Die Revolution in der Heimat 1918 ist der kämpfenden Front in den Rücken gefallen und hat die Niederlage verursacht”), an Deutschtum und Militarismus hoch gehalten. Die NSDAP Hitlers bietet dazu die politische Heimat.
NS-IdeologieSchon in jungen Jahren beschäftigt sich Adolf Hitler mit rassentheoretischen und antisemitischen Schriften. Vor allem sozialdarwinistische Autoren haben es ihm angetan. Sie setzten sich ein für Konzepte der Eugenik (Wissenschaft von der Verbesserung der menschlichen Erbanlagen), des Biologismus (Anwendung biologischer Gesichtspunkte auf andere Wissensgebiete), für "Rassenhygiene”, für "Aufartung” und Euthanasie (Sterbehilfe) bis hin zu einer nach Rasseaspekten aufgebauten Staats- und Sozialordnung. In seinem Buch "Mein Kampf" übernimmt Hitler das Gedankengut seiner geistigen Vorläufer. Zentrale Elemente der NS-Ideologie sind:
Das Gesetz des Lebens ist der Kampf der Rassen ums Dasein. Die stärkere Rasse, also die Rasse mit dem reineren Blut, wird die schwächere unterwerfen.Eine besonders hochwertige Rasse ist die "nordische Rasse, die ausersehen ist, als "Herrenvolk” zu herrschen. Wegbereiterin des "Herrenvolks” ist die NSDAP.Die Geschichte der Völker ist wie die Entwicklung eines Organismus biologischen Gesetzen unterworfen. Weil die Völker im Zuge ihres Wachstums Platz brauchen, ist der Kampf um "Boden" unvermeidlich. Dem eigenen Volk muss - auch mit Gewalt - "Lebensraum" gesichert werden. Nationalsozialistische Raumpolitik meint also nicht nur die Eroberung von Territorien, sondern auch völkische Rassenpolitik, das heißt die Ansiedlung der eigenen, "hochwertigen” Rasse auf dem Gebiet der unterlegenen Rasse.Der nötige Raum liegt im Osten, wo "minderwertige” Slawenvölker und Juden leben. Die Sowjetunion soll erobert werden, der Bolschewismus und das Judentum sind zu vernichten.Am Ende der Entwicklung steht ein "Großgermanisches Reich deutscher Nation.
RassismusMit dem Kolonialimperialismus erleben im 19. Jahrhundert neue Wissenschaften wie die vergleichende Anthropologie einen ungeahnten Aufschwung. Zur Erforschung der "Andersartigkeit" von Asiaten und Afrikanern schwärmen Forscher in die Kolonien aus, vermessen Schädel, betrachten Nasenformen und ziehen daraus Schlüsse über den "Wert" von Ethnien (später eifern ihnen NS-Forscher nach). So kommt das Unterscheidungsmerkmal Rasse ins Spiel. Schnell fasst der naturwissenschaftliche Begriff auch in Politik und Geschichte Fuß - die Stunde des Rassismus hat geschlagen. Wichtige Thesen der Rassisten sind:
Die Rasse ist der Schlüssel zur Weltgeschichte. Geschichte muss unter dem Aspekt des Kampfes der großen Rassen um ihren Lebensraum betrachtet werden.Die Nationen, Staaten und ihre Kultur sind das Werk der jeweiligen Rasse.Die seelische und körperliche Eigenart des Einzelnen ist durch die Rasse bestimmt. Rasse ist daher Schicksal.Ein Mensch kann äußerlich die Kultur einer fremden Rasse annehmen, innerlich bleibt er seiner "Rassenseele" treu.Aus der Kombination der Lehre vom Primat des Stärkeren mit der Rassenlehre entwickelt sich die Lehre von den minderwertigen und den höheren Rassen und bald wird die die Forderung nach der Reinhaltung der eigenen Rasse erhoben. Einige Rassisten behaupten sogar, die sozialen Schichten eines Volkes gehören verschiedenen Rassen an, wobei sich die Oberschicht aus Angehörigen einer höheren Rasse zusammensetzt. Sie fordern eine scharfe Trennung der Bevölkerungsgruppen und die Errichtung eines Ständestaats mit Heiratsverboten zwischen den einzelnen Ständen.
SozialdarwinismusIn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnen zahlreiche Wissenschaftler die Theorie des Naturforschers Charles Darwins (1809-1882) vom Kampf ums Dasein auf die soziale und nationale Ebene zu übertragen. Den Menschen betrachtet man als das Endergebnis einer Entwicklung der Arten. Auch Gesellschaften, Nationen und Völker sind nach dieser Auffassung den Naturgesetzen der Auswahl der Tüchtigsten unterworfen: Siegreiche Völker haben sich demnach als die höher stehenden erwiesen, ihnen gebührt das Recht des Stärkeren. Der Kolonialimperialismus ist es, der die Praxis zur Theorie liefert. In Afrika und Asien unterwerfen Europäer Einheimische beanspruchen deren Territorien. Mehr und mehr entwickelt sich bei den Kolonialmächten der Gedanke vom Primat einer über alles herrschenden weißen Rasse.
Sturmabteilungen (SA)Aus einer Ordnertruppe der NSDAP entwickelt sich ab 1921 ein paramilitärischer Verband, der in der Endphase der Weimarer Republik über 400.000 Mitglieder zählt und bis 1934 auf vier Millionen anwächst. Kennzeichen der SA ist ihre Uniform, das Braunhemd. SA-Männer kommen häufig zum Einsatz, wenn es darum geht, politische Gegner zu terrorisieren. Nach dem Machtantritt 1933 fungieren SA-Leute als Hilfspolizisten. Machtansprüche der SA-Führung um Ernst Röhm, der vom Zusammenschluss von SA und Reichswehr träumt, verunsichern führende Militärs, die an einer "Parteiarmee" nicht interessiert sind. Adolf Hitler, Hermann Göring und andere NSDAP-Funktionäre schmieden ein Komplott zur Verhinderung eines angeblichen SA-Putsches. Ernst Röhm und seine engsten Mitarbeiter werden im Sommer 1934 ermordet, die SA spielt fortan politisch keine Rolle mehr.
VolksgemeinschaftIn der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei sammeln sich ab den 1920er Jahren Menschen, deren Gedankenwelt von Deutschtum, Militarismus, Rassismus und Kriegserfahrung (Mythos vom Fronterlebnis und der Schützengrabengemeinschaft) geprägt ist. Ihr Parteichef Hitler entwickelt in seinem Buch "Mein Kampf” die Idee von der Überlegenheit einer "nordischen Herrenrasse”. Hitlers Vision eines "rassisch gesunden" Volkes gibt seiner Anhängerschaft ein besonderes Gemeinschaftsgefühl. In der klassenübergreifenden Volksgemeinschaft, so Hitlers Botschaft, wird es keine sozialen Gegensätze mehr geben, "Gemeinschaftsfremde" werden ausgemerzt.

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