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Das Thema Der Segen der Kirche

Stand: 08.04.2013 | Archiv

Waffensammlung der Schwarzburger Fürsten  | Bild: picture-alliance/dpa

Etwa gleichzeitig mit der Gottesfriedensbewegung, in der sich Kirche und militia einander annähern, erfährt die ideelle Überhöhung des Rittertums einen weiteren entscheidenden Schub.

Der miles christianus und die Sakralisierung des Rittertums

Den Anstoß liefert die Expansion der muslimischen Seldschuken in Palästina. 1071 erobern sie Anatolien, Antiochia und Jerusalem. Dadurch sind die Pilgerwege ins Heilige Land unterbrochen und zentrale Stätten des Christentums, aus Sicht des Westens, in die Hände der "Ungläubigen" gefallen. Nachrichten von der Vernichtung des byzantinischen Heers, der Unterwerfung Nordafrikas und der Einnahme Jerusalems schüren Ängste vor einem ungebremsten Vordringen des Islam.

"Gott will es!" - Die Ritter nehmen das Kreuz

Auf einem Konzil in Clermont ruft Papst Urban II. am 27. November 1095 die erschrockene Christenheit in einer flammenden Rede zur Gegenwehr auf. Er fordert die Sicherung der Pilgerwege, Beistand für das byzantinische Reich und die Befreiung der Heiligen Stätten. Mit den Worten "Gott will es!" predigt der Papst den Kreuzzug als vornehmste Aufgabe einer wahrhaft christlichen Ritterschaft. Den Streitern Gottes, die für Christus fechten und im heiligen Kampf sterben, verheißt Urban die vollkommene Lossprechung von allen Sünden und das ewige Seelenheil.

Der der Hölle entronnen - Töten mit dem Segen der Kirche

Der Aufruf des Papstes zündet nicht nur den ersten Kreuzzug. Er verklärt den Kampf gegen die Heiden zum tätigen Gottesdienst einer christlichen Ritterschaft (militia christiana), die ihr blutiges Geschäft nun im Namen Gottes verrichtet. Die Wendung der Kirche löst nicht nur ein militärisches Problem, sondern einen Widerspruch, der bislang unaufhebbar schien. "Wer das Schwert zieht, soll durch das Schwert umkommen", droht Jesus im Matthäusevangelium, und solange die Kirche dieses Schwert fürchten musste, hatte sie seine Träger mit Hölle und Verdammnis belegt. Nun aber braucht die Kirche dieses Schwert, um ihre heiligsten Stätten zu schützen und verspricht jedem, der es zu ihrer Verteidigung führt, die Aufnahme ins Himmelreich. Die Botschaft kommt an: 1096 bricht ein gewaltiges Ritterkontingent unter Führung Gottfried von Bouillons nach Palästina auf, am 15. Juli 1099 ist Jerusalem "befreit". Sowohl im Heiligen Land als auch in der Stadt Davids leisten die "Beschützer des Heiligen Grabes" ganze Arbeit. Die christlichen Ritter rauben, plündern, morden und massakrieren die muslimische Bevölkerung.

Der Kampf um Palästina - Weihrauch und Testosteron

Das rasch popularisierte, neue Ritterideal einer sakral legitimierten militia nova oder militia christiana bleibt von den realen Gräueltaten unbefleckt. Im Gegenteil. Die kirchliche Weihe und die stürmischen Anfangserfolge bewirken, dass sich die im Kreuzzug vereinte europäische Ritterschaft nun als geschlossene, abendländische Elite begreift. Als höchste Vollendung dieser Verschmelzung von Religion und Ritterschaft gelten die zum Schutz der Pilger und des Heiligen Landes gegründeten Ritterorden. Sie lassen sich ihre Regeln und Satzungen vom Papst bestätigen, unterstellen sich dem Kirchenrecht und pflegen einen mönchischen Lebensstil, sind monachus und miles zugleich. Obwohl nach wie vor Laien, geloben die Mitglieder der Templer, Johanniter, Deutschritter sowie vieler anderer Orden Armut, Keuschheit und lebenslangen Gehorsam gegen ihre Großmeister.


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