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Der Unruhestifter Das Thema

Stand: 02.08.2022 | Archiv

Nelson Mandela | Bild: picture-alliance/dpa

"Er ist eine ausgesprochen charismatische Figur, ein geborener Führer. Egal, um was es ging, er hat die Sache in die Hand genommen; seine starke Persönlichkeit hat das nahe gelegt."

Percy Cohen

So charakterisiert Percy Cohen Nelson Mandela. Cohen, der jetzt in London lebt, war in den 1950er und 60er Mitglied des African National Congress (ANC) und hat Mandela während zahlreicher Sitzungen kennen gelernt und eng mit ihm zusammengearbeitet.

Nelson Mandela wurde 1918 in einem kleinen Dorf in der Transkei im Osten Südafrikas geboren. Sein Vater nannte ihn Rolihlahla, was im Volksmund "Unruhestifter" bedeutet. Den Vornamen Nelson gab ihm erst eine Dorfschullehrerin. Der Junge wuchs mit den Traditionen seines Volkes, der Xhosa, auf und kam erst allmählich, während seiner Ausbildung, näher mit der Kultur der Weißen in Berührung – und mit ihren Gesetzen in Konflikt. Eine seiner ersten politischen Aktivitäten war die Teilnahme an einem Studentenstreik, die prompt mit dem Verweis von der Universität endete. In Johannesburg holte Mandela seinen Abschluss nach und studierte Rechtswissenschaften.

Rassentrennung per Gesetz

Den Apartheidgesetzen gemäß wurde die Bevölkerung in vier Gruppen unterteilt: Schwarze, Weiße, Farbige und Asiaten. Jeder Bewohner Südafrikas musste sich klassifizieren lassen. Welche politischen oder sozialen Rechte jemand hatte und welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm offen standen, war von der Gruppenzugehörigkeit abhängig. Am stärksten benachteiligt waren die Schwarzen. Ihnen war der Aufenthalt in weißen Stadtgebieten verboten, nicht einmal ein grundsätzliches Wohnrecht in ländlichen Gebieten hatten sie; dadurch wurden Millionen von ihnen zu Wanderarbeitern, und als solche waren sie von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen. Jede sexuelle Beziehung zwischen Schwarz und Weiß wurde streng bestraft, gemischtrassige Ehen durfte es selbstverständlich nicht geben.

Gegen diese Diskriminierungen kämpfte der ANC – zunächst mit den gleichen Mitteln, die Mahatma Gandhi in Indien angewandt hatte, wie Boykott, Streik, zivilem Ungehorsam und Nicht-Kooperation, später mit Gewalt. Wichtigstes Instrument beim bewaffneten Kampf war der von Mandela gegründete militante Flügel des African National Congress, der Umkhonto We Sizwe (Speer der Nation). Ende 1961 machte er erstmals durch Bombenanschläge auf sich aufmerksam. Im Jahr darauf wurde Mandela vor Gericht gestellt und schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt.

Vom politischen Häftling...

Während der folgenden zwei Jahrzehnte spitzten sich die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der Freiheitsbewegung in Südafrika, deren Galionsfigur Mandela war, immer mehr zu. Anfang der 80er Jahre begann eine weltweite Kampagne zu seiner Freilassung. Doch erst als Staatspräsident Pieter Willem Botha von seinem Amt zurücktrat und Frederik Willem de Klerk seine Nachfolge antrat, zeichnete sich eine Lösung ab. Die Apartheidgesetze wurden abgeschafft, und am 11. Februar 1990 verließ Nelson Mandela das Gefängnis – nach 27 Jahren!

... zum Staatspräsidenten Südafrikas

Seine wichtigste Aufgabe sah er nun darin, die verfeindeten Gruppen einander näher zu bringen und zu versöhnen. Damit war er so erfolgreich, dass ihm 1993 zusammen mit Frederik Willem de Klerk der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde. Bei den Wahlen vom April 1994 gewann der ANC 62,6 Prozent der Stimmen und Nelson Mandela wurde zum ersten schwarzen Staatspräsidenten der Republik Südafrika.

"Wie ist es möglich, dass ein Mensch die Kraft aufbringt, nach Jahrzehnten im Gefängnis seinen erbittertsten politischen Gegnern zu vergeben und ihnen die Hand zu reichen?"

Das ist die Frage, die im Zusammenhang mit Nelson Mandela wieder und wieder gestellt wurde.

Auf sie hat auch Percy Cohen keine erschöpfende Antwort.


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