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Das Thema Erbe und Mythos des Napoleon

Stand: 10.12.2012 | Archiv

Die Schlachtfelder von Waterloo, vom Löwenhügel aus | Bild: picture-alliance/dpa

Napoleons Wirken und Nachwirken auf seine militärische Leistungen zu beschränken, hieße den Großteil europäischer Geschichte seit der Französischen Revolution nicht ernst zu nehmen. So unzweifelhaft die unmenschlichen Schrecken waren, die seine Kriege unter der Fahne der Friedensverbreitung nicht nur für Feindestruppen mit sich brachten, so wenig kann man seinen Einfluss auf die innenpolitischen und kulturellen Entwicklungen in Mitteleuropa unterschätzen. Haben seine Truppen auch ohne seinen expliziten Auftrag revolutionäres Gedankengut verbreitet und damit bestehende Feudalsysteme erodiert, so erreichte er für Frankreich durch umfassende Neuordnung in fast allen Belangen der Staatsführung einen Musterstatus, der in vielen Ländern entweder über Druck eingeführt oder eifrig nachgeahmt wurde. Prominente Bewunderer gab es schließlich zuhauf - in Deutschland waren es unter anderen Beethoven oder Heinrich Heine. Und sein Mythos wuchs und hält sich bis heute.

"Napoleon war ein Naturereignis. Ihn einen großen Schlächter schmähen heißt nichts anderes, als ein Erdbeben groben Unfug schelten oder ein Gewitter öffentliche Ruhestörung."

Christian Morgenstern, 1908

Doch mit der Verbreitung des neuen, starken französischen Nationalgefühls ging der Schuss nach hinten los. Es wurde auch in anderen Ländern geweckt, die nun entschlossener Front machten - gegen Frankreich und gegeneinander. Auch die Weltkriege kann man so als späte Folge Napoleons verstehen, nicht nur hinsichtlich neuer Militärstrategien und totalitärer Kriegsführung.

In der anderen Waagschale liegen die Einführung elementarer Bürgerrechte, die das "Bürgerliche Gesetzbuch" (BGB) Deutschlands als eindeutiges Kind des Code Civil ausweisen, sowie die Trennung von Kirche und Staat, eine staatlich geregelte Volkswirtschaft und die Einführung des metrischen Systems.

Von einem Napoleon-Mythos kann man sich allerdings verabschieden:

Napoleon, der Kleine

Sein Körpergröße war schon bald - vor allem in den Feindesstaaten - Anlass zum Spott. Noch heute werden kleine, auffällig geltungssüchtige Menschen mit Napoleon verglichen. Dabei war er gar nicht besonders klein. Doch aus zwei Gründen nahm man dies an. Einerseits galten damals in den verschiedenen Ländern noch unterschiedliche Maßsysteme. So war der englische Fuß kleiner als der französische. Seine tatsächliche Körpergröße in seinen besten Jahren von ca. 1,70 m schrumpfte durch diesen "Übersetzungsfehler" in den englischsprachigen Ländern auf ca. 1,58 m zusammen. Außerdem wählte er für seine Garde und die hohen Offiziere gerne besonders hochgewachsene Männer. Daher wirkt er auf Gemälden in deren Anwesenheit unterdurchschnittlich groß, obwohl er sogar noch etwas größer als der durchschnittliche französische Mann jener Jahre war.


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