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Georg Johann Elser Das Thema

Stand: 02.11.2009 | Archiv

Am 8. November 1939 um 21.20 Uhr explodierte auf der traditionellen Feier der nationalsozialistischen "Alten Kämpfer“ im Münchner Bürgerbräukeller eine Zeitbombe. Hitler, dem die Bombe gegolten hatte, traf sie nicht: Er hatte den Saal schon 13 Minuten vorher verlassen, um einen Sonderzug nach Berlin zu erreichen. Ausgeführt hatte das Attentat der schwäbische Schreinergeselle Johann Georg Elser – allein, ohne Mitwisser oder Helfer, ohne jeden Kontakt zu Widerstandskreisen.

Beim Versuch, über die Schweizer Grenze zu gelangen, wurde Elser verhaftet. Die Gestapo übernahm den Fall, doch es kam zu keinem Urteil. Als "Sonderhäftling Hitlers“ wurde Elser zuerst ins Konzentrationslager Sachsenhausen, später nach Dachau gebracht. Nach dem "Endsieg“ sollte er in einem großen Schauprozess gegen die Engländer auftreten, denen man das Attentat in die Schuhe schieben wollte. Kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, 20 Tage vor der Befreiung des Lagers Dachau durch die Amerikaner, wurde Elser auf Befehl von höchster Stelle ermordet.

Der Mensch hinter dem Attentäter

Wer war Elser – dieser noch heute am meisten verkannte Widerstandskämpfer gegen die Hitler-Diktatur? Was waren die Motive für seine Tat? Wie konnte er in monatelanger Arbeit seinen Attentatsplan entwickeln und unentdeckt die Durchführung vorbereiten? Und was hat ihm, dem "einfachen Mann“, der nicht mehr über die Wirklichkeit des Dritten Reiches wusste als die meisten seiner Zeitgenossen, die Entschlusskraft verliehen, etwas zu tun – zu tun mit seinen zwei Händen und der ganzen Umsicht und Sorgfalt eines deutschen Handwerkers?

Das aufgrund von Dokumenten entstandene Porträt versucht, auf diese Fragen zu antworten. Es benutzt die erst 1969 von zwei Historikern des Münchner Instituts für Zeitgeschichte wiederaufgefundenen Vernehmungsakten der Gestapo – außerdem Aussagen von Verwandten und Zeitgenossen Elsers. In diesen Quellen schlägt immer wieder durch die nüchterne Papiersprache der Protokolle der schwäbische Dialekt durch – eine Mundart, die über die bloße Authentizität hinaus hier auch eine typische "Gesinnungsart“ kennzeichnet: die bieder-rechtschaffene Unbeirrbarkeit im Denken und Handeln Georg Elsers. Dieser Mann war kein Fanatiker, kein Ideologe, kein Spinner: Unter normalen Verhältnissen hätte er wohl ein bescheidenes, unauffälliges Leben geführt.

Der englische Historiker J. P. Stern schreibt in seinem Hitlerbuch über Georg Elser:

"Hitlers wahren Antagonisten – sein moralisches Gegenbild – finden wir nicht unter den militärischen Führern oder den Junkern, die alle ein politisches Ziel oder ein patriotisches Anliegen mit ihm teilten; nicht unter dem Klerus der beiden Konfessionen, deren Märtyrer vorwiegend der kirchlichen Tradition der Selbstaufopferung folgten und daraus ihre Kraft zogen; auch nicht unter den Juden, die in der Mehrzahl die hilflosen Opfer des Regimes waren, verlassen von Gott und den Menschen. Um Hitlers wahren Gegner zu finden, müssen wir nach dem ‚kleinen Mann‘ suchen: nach einem, der aus den gleichen sozialen Umständen kam wie er selbst und doch ohne religiösen oder ideologischen Hintergrund in einer ganz anderen moralischen Welt lebte und starb. Sein Name ist Georg Johann Elser."

J. P. Stern


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