Bayern 2 - radioWissen


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Download-Center Einsatz im Unterricht

Stand: 12.12.2014 | Archiv

Vorarbeit

Lernziele: Rituale sind ein kultur- und religionsübergreifendes, universales Phänomen mit vielfältigen individuellen und sozialen Funktionen:
Sie markieren wesentliche Stationen des persönlichen Lebensweges und helfen beim Übertritt in neue Lebensphasen:

  • Sie binden den Einzelnen in kultische, politische und gesellschaftliche Zusammenhänge ein.
  • Sie strukturieren profane und heilige Zeitabläufe.
  • Sie begründen und erneuern die Zugehörigkeit zu säkularen und religiösen Wertegemeinschaften.

Mit diesem breiten Bedeutungsspektrum erfüllen Rituale ein menschliches Grundbedürfnis nach Selbstvergewisserung, dem Erlebnis individueller Bedeutsamkeit und sozialer Teilnahme. Bis an die Schwelle der Gegenwart waren wichtige Lebensphasen des westlichen Kulturkreises wie Geburt, Übertritt ins Erwachsenenalter, Hochzeit und Tod überwiegend durch christliche Rituale geprägt. Der moderne Wertepluralismus, die Vielfalt interreligiöser Einflüsse, alternative Lebenskonzepte und die zunehmende Glaubens- beziehungsweise Kirchenferne vieler Menschen haben dieses Bezugssystem ausgehöhlt. Das Bedürfnis nach Ritualen besteht jedoch nach wie vor und bereitet den Boden für ein breites Angebot "freier", nicht religiös fundierter "Lebensfeiern".
Die Radiosendung dokumentiert diesen Trend durch eine Reihe aktueller Beispiele. Die Schülerinnen und Schüler

  • entwickeln ein Verständnis für den Sinn und die Funktion von Ritualen.
  • Lernen verschiedene Funktionsaspekte "freier" Rituale kennen.
  • Verstehen, warum sich immer mehr Menschen von kirchlichen Angeboten entfremden.
  • Begreifen den Wunsch nach inszenierter Individualität als Grundmotiv für die steigende Nachfrage nach maßgeschneiderten Lebensfeiern.

In einem historischen Ausblick werden die Schülerinnen und Schüler zudem mit der geschichtlichen Dimension des Phänomens vertraut. Das Beispiel der Jugendweihe stellt ihnen die politische, weltanschauliche und gesellschaftliche Instrumentalisierung säkularer Varianten kirchlicher Rituale vor Augen.

Einsatz im Unterricht

Hinführung zum Thema: Die Lehrkraft zeigt Bilder typischer christlicher Rituale (Taufe, Firmung, Kommunion, Hochzeit, Beerdigung). Die Schülerinnen und Schüler werden durch Leitfragen aufgefordert, die vorgelegten Szenen zu kommentieren: "Was sehen wir hier? Welche Anlässe werden gefeiert? Wo findet das Geschehen statt? Welche Personen sind anwesend? Wer von euch hat schon einmal an einer solchen Feier teilgenommen? Wie habt ihr das erlebt, was habt ihr empfunden?"
Im nächsten Schritt fragt die Lehrkraft, welche religiösen Feste die Schülerinnen und Schüler kennen und notiert die genannten Anlässe auf der Tafel. Danach wird die Klasse aufgefordert, die Feste nach dem Lebensalter zu ordnen, in dem sie gefeiert werden. Zuletzt fragt die Lehrkraft nach dem Zweck und Sinn des Feierns mit und durch Rituale: "Warum wird man nicht einfach geboren, heiratet oder stirbt, ohne diese Lebensereignisse zu feiern? Was wäre, wenn es keine Rituale und keine Feste gäbe?"
Am Ende dieser Einstiegsphase sollte als Ergebnis feststehen:

  • Dass alle gezeigten Szenen in einer Kirche stattfinden.
  • Durch einen Priester geleitet werden und einen christlichen Hintergrund haben.
  • Den Beginn einer neuen Lebensphase oder den Abschluss des Lebens anzeigen.
  • Den Lebensweg eines Menschen begleiten und strukturieren.
  • In einer Gemeinschaft gefeiert werden.

Anschließend werden die Schülerinnen und Schüler gefragt, wie Menschen, die nicht an Gott glauben und keiner Kirche angehören, eine Geburt, eine Firmung oder eine Hochzeit feiern und sich von einem Verstorbenen verabschieden? Nachdem die Schülerinnen und Schüler ihre Vermutungen formuliert haben, leitet die Lehrkraft auf das gemeinsame Hören des Radiobeitrags über: "Wie das geht und warum sie das tun, hören wir uns jetzt einmal an".

Nacharbeit

Nachbearbeitung: Die Arbeitsblätter und Arbeitsaufgaben dienen der Festigung des im Radiobeitrag vermittelten Wissens und der Vertiefung aufgeworfener Fragen. Die Sendungsausschnitte können zur Motivation und thematischen Strukturierung des Unterrichtsgesprächs oder als Ergänzung der Arbeitsblätter eingesetzt werden. Arbeitsblatt 1: "Rituale: Etwas, das mehr ausdrückt, als Worte es können." Das Arbeitsblatt geht der Frage nach, warum sich immer mehr Menschen für "freie" Rituale interessieren. Die Schüler begreifen den Wunsch nach der Gestaltung entscheidender Lebensphasen als menschliches Grundbedürfnis. Arbeitsblatt 2: "Freie Rituale: Maßgeschneidertes Lifestyle-Design statt Stangenware". Das Arbeitsblatt beleuchtet verschiedene Funktionsaspekte "freier" Rituale und stellt den Wunsch nach inszenierter Individualität als Grundmotiv für die steigende Nachfrage nach maßgeschneiderten Lebensfeiern in den Vordergrund. Arbeitsblatt 3: "Durch und durch irdisch: Rituale ohne Gottesbezug als Ausdruck politischer Gesinnung". Die Schülerinnen und Schüler verankern wichtige Informationen über die historische Entwicklung "freier" Rituale. Am Beispiel der Jugendweihe erkennen sie die politische, weltanschauliche und gesellschaftliche Dimension säkularer Varianten kirchlicher Rituale. Arbeitsblatt 4: "Weltliche Rituale: Orientierung im inszenierten Alltag". Das Arbeitsblatt weitet den Blick auf ritualisierte Abläufe in verschiedenen Lebensbereichen. Die Schülerinnen und Schüler werden angehalten, ihren eigenen "Ritualgebrauch" und dessen Funktionen zu hinterfragen.

Lehrplanbezug

Lehrplan für die bayerische Mittelschule
6. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 6.6 Rhythmen des Lebens - Alltag und Feiertag; 6.6.2 Feiertage der Kirche im Rhythmus des Lebens: Bedeutung von Festen bedenken: Erinnerung an Gottes Handeln, Schaffen von Gemeinschaft, Rückbesinnung auf das eigene Leben; 6.6.3 Leben im Rhythmus: Anspannung - Entspannung, Rituale im Stundenablauf
Katholische Religionslehre, 6.6 Ausdrucksformen einer tieferen Wirklichkeitserfahrung - Symbole und Sakramente; 6.6.1 Das bedeutet mir viel - wovon Symbole erzählen: Mit Symbolen leben, Rituale
7. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 7.5.3 Wer unterstützt mich, wer hält zu mir? Den eigenen Lebensweg suchen: Das Sakrament der Firmung
8. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 8.1 Sehnsucht nach Leben - Sinn suchen: 8.1 Auf der Suche nach Heil - Achtung Sackgassen: Fragwürdige Angebote auf dem Markt der Weltanschauungen

Lehrplan für die bayerische Realschule
6. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 6.2 Christliche Tradition und religiöses Leben: wahrnehmen, verstehen, hineinwachsen; christliche Bräuche, Symbole und Handlungen; Fest und Feier im Kirchenjahr
Katholische Religionslehre, 6.5 Menschen feiern: Feste und Bräuche im Kirchenjahr; Feste und Feiern im Leben: positive und negative Erfahrungen, Bedeutung, Grundelemente (z. B. Anlass, Inhalt, kreative Ausgestaltung); Ereignisse der Geschichte Gottes mit den Menschen als Anlässe zu Feier und Freude
7. Jahrgangsstufe
Ethik, 7.4 Feste, Feiern und Brauchtum; Feste als Höhepunkte im Leben: Feste: positive und negative Erfahrungen, Bedeutung, Grundelemente wie Sinnenfreude, Gemeinschaftserlebnis, Daseinsfreude; Anlässe zum Feiern im persönlichen Leben; verschiedene Feste und Feiertage je nach Jahreszeit ihrer Herkunft und ihrem Sinn nach besprechen
Katholische Religionslehre, 7.2 Ausdruck einer tieferen Wirklichkeit: Symbole und Sakramente; Klärung des Begriffs "Symbol"; besondere Merkmale und Wirkungen; sie geben zu "denken" und zu "verstehen"; die Sakramente der Kirche: besondere Zeichen der Nähe Gottes an den Knotenpunkten des Lebens; Anzahl, Bezeichnung, kennzeichnende Handlungen, Wirkung (vor allem Gemeinschaft mit Christus und seiner Kirche); Taufe und Firmung: liturgische Feier (z. B. Salbung, Lieder); Bedeutung: Gottes Geist als Beistand fürs Leben
9. Jahrgangsstufe
Ethik, 9.2 Sinn des Lebens; Die Frage nach dem Sinn des Lebens
Evangelische Religionslehre, 9.2 Glauben hat viele Gesichter: Auf der Suche nach Transzendenz - religiöse Gemeinschaften außerhalb der Kirchen
Katholische Religionslehre, 9.1 Sehnsucht nach Sinn und Halt: Vielfalt religiöser Angebote; Sinnsuche heute: Sehnsucht nach Glück, Unendlichkeit, Heil einerseits und Angst vor Enttäuschung und Sackgassen andererseits aufspüren (z. B. in neuen religiösen bzw. pseudoreligiösen Gruppierungen der Gegenwart

Lehrplan für das bayerische Gymnasium
6. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 6.4 Religiöse Feste und Bräuche: wahrnehmen, dass Feste zum Menschsein gehören, aber auch sinnvolle Gestaltung erfordern, eigene Erfahrungen mit Festen und Feiern, sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten, die Bedeutung christlicher Feste, Bräuche und Symbole erfassen
Katholische Religionslehre, 6.1 Zwischen Leistungserwartungen und Erlebniswelten: eigene Orientierung finden; Unser Leben sei ein Fest: Sinn und Gestaltung von Festen und Feiern
7. Jahrgangsstufe
Ethik, 7.4 Feste und ihre Bedeutung für die Gemeinschaft; Feste als Höhepunkte im Leben: Gemeinschaftserlebnis, gehobenes Daseinsgefühl, Sinnenfreude u. a.; Festanlässe im privaten, kulturell-religiösen und staatlich-gesellschaftlichen Bereich (z. B. Geburtstag, Erntedankfest, Volksfest, Nationalfeiertag)
Katholische Religionslehre, 7.3 Im Sichtbaren wird Unsichtbares gegenwärtig – Symbole und Sakramente: Symbole und Rituale entdecken und erschließen: in der Jugendkultur, im Alltag, in der christlichen Überlieferung, z. B. Kreuz, Anker, Segnung; Ursymbole, z. B. Wasser, Feuer; Merkmale von Symbolen, z. B. Zeichen der Gemeinschaft, Mehrdeutigkeit; Banalisierung und Missbrauch von Symbolen
8. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 8.5 Neureligiöse Bewegungen und Psychomarkt: Überblick gewinnen über vielfältige Angebote neureligiöser Bewegungen und des Psychomarkts; Angebote neureligiöser Bewegungen und des Psychomarkts aus christlicher Sicht beurteilen
Katholische Religionslehre, 8.5 Religiosität und Lebensdeutung im Angebot – Orientierung auf dem Psychomarkt
10. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 10.2 Religion und Religionen: Religion als den Menschen prägende Kraft wahrnehmen; Religion im Erfahrungsbereich der Schüler: lebensbegleitende Riten, Bräuche, Feste; Religionsmündigkeit; positive und negative Religionsfreiheit
11. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 11.1 Zwischen Vielfalt und Entscheidung: Religion in der offenen Gesellschaft: "Was soll ich glauben?" - religiöse Optionen und persönliche Entscheidung; der Mensch als homo religiosus: sinnstiftendes Potential von Religion und Religiosität, religiöse Ausdrucksfähigkeit und Bedeutung religiöser Sprache, Bilder und Symbole; Neue Präsenz des Religiösen - religiöse Vielgestaltigkeit in unserer offenen Gesellschaft; Religionen und religiöse Strömungen im Überblick, Religionsfreiheit und Säkularisierung als Erbe der Aufklärung, z. B. religiöse Symbole in der Öffentlichkeit


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