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Lord Byron Das Thema

Stand: 31.03.2008 | Archiv

Der englische Dichter in einer zeitgenössischen Darstellung | Bild: picture-alliance/dpa

Schon früh glich Byron die ihm auf den Weg gegebenen Hindernisse durch ausgiebige Lektüre und Fantasie aus. Drei Jahre nach seiner Geburt im Jahre 1788 starb sein hoch verschuldeter Vater John, der als Lebemann galt und den sprechenden Spitznamen "Mad Jack" hatte, wohl infolge eines Selbstmords. So lebte George mit seiner psychisch labilen Mutter unter großen finanziellen Nöten zunächst in Schottland. Zudem hatte er von Geburt an eine Behinderung: Der rechte Fuß wies eine Deformation auf, die man umgangssprachlich als Klumpfuß bezeichnet. Darüber hinaus muss sein Körper in jungen Jahren unförmig gewesen sein. Mit zehn Jahren erbte er den Adelstitel eines Lords und Newstead Abbey, das Herrschaftshaus seiner Familie. Sein Großonkel William war verstorben. An den prekären finanziellen Verhältnissen änderte dies gleichwohl nichts. Das Haus war völlig heruntergekommen und das geringe Vermögen treuhändisch festgelegt. Schließlich konnte aber ein für ihn bestellter Vormund dazu bewegt werden, Unterhaltszahlungen zu leisten, so dass ein einigermaßen angemessenes Leben geführt werden konnte.

Harrow School und Cambridge

1808, nach Erreichen der Volljährigkeit, nahm George das mit seinem Titel verbundene Recht wahr, einen Sitz im Oberhaus, dem House of Lords, einzunehmen. Zuvor hatte er noch einige unangenehme Jahre an der Harrow School zu überstehen gehabt, da seine Behinderung ihn zu einem Außenseiter machte und die Schüler außerhalb des Unterrichtes sich weitgehend selbst überlassen waren. Zudem hatte er vor seinem fünfzehnten Geburtstag schon einige unglückliche Lieben erlebt. Nach Cambridge, das zu dieser Zeit jungen Adligen weniger zum Studieren, denn zu gesellschaftlichen Zwecken diente, wechselte er mit siebzehn Jahren. Hier entdeckte er mit seinen Freunden Hobhouse und Matthews, dass seine sexuellen Neigungen sich nicht allein auf Frauen beschränkten.

Der literarische Durchbruch

Eine tiefe Leidenschaft entwickelte er für den Chorknaben Edleston. Ihm widmete er nach dessen Tod 1811 einige Gedichte, von denen das bekannteste "To Thyrza" ist. Das Gedicht befindet sich neben zwei weiteren am Ende seines überaus erfolgreichen Buches "Childe Harold", das ihn über Nacht bekannt machte. Seine vorangegangenen Veröffentlichungen, zwei Sammlungen Juvenilia und eine Satire auf das literarische Leben, "English Bards and Scotch Reviewers", waren zuvor nicht erfolgreich gewesen. Erstere hatten eine heftige Kritik des "Edinburgh Review" auf sich gezogen, auf die er mit der Satire zu antworten versuchte.

Erste Flucht aus England

Durch seine Bemühungen sich nun in London zu etablieren und seine dandyhaften Posen zu perfektionieren, hatte er einige Schulden angehäuft. So verließ er 1809 fluchtartig England. Er selbst kommentiert das in einem Brief so: "Wenn die Konsequenzen der Tatsache, dass ich England verlasse, noch zehn Mal so desaströs wären wie Sie sie beschreiben - ich habe keine Alternative. Es gibt Umstände, die es unerlässlich machen. Ohne Verzug muss ich das Land verlassen." Seine Reise führte ihn nach Portugal, Spanien, Malta, Albanien, Griechenland und Kleinasien.

Ein Mann von zweifelhafter Moral

Zurückgekehrt schrieb er die eben schon erwähnte Verserzählung "Childe Harold". Die Veröffentlichung der ersten beiden Canti im Jahre 1812 machten ihn schlagartig zu einer gesellschaftlichen Berühmtheit. Freilich wurde durch sein öffentliches Verhältnis zu einer verheirateten Frau, Lady Caroline Lamb, und den dadurch ausgelösten gesellschaftlichen Skandal auch sein Ruf als Mann von zweifelhafter Moral geprägt. Nach nur drei Monaten trennte er sich von ihr, die sich in ihrer Liebe getäuscht sah und in Depressionen und Magersucht verfiel.

Geschwisterliebe

1813 nahm er wahrscheinlich eine Beziehung zu seiner Halbschwester Augusta auf. Deren 1814 geborene Tochter war, jedenfalls deutet vieles darauf hin, auch Byrons Kind. Er selbst schrieb dazu: "Diese perverse Leidenschaft war meine tiefste." Literarische Frucht dieses Verhältnissen waren die Liebesgedichte "Stanzas for Augusta" und "Epistle for Augusta". Außerdem findet sich das Motiv der Geschwisterliebe mehrere Male in seinem Werk.

Heirat und zweite Flucht

Um seinen Ruf zu rehabilitieren heiratete er 1815 jedoch Annabella Milbanke. Die sich mit Mathematik beschäftigende Annabella und der narzisstische Dichter waren aber in ihren Charakteren so konträr, zumal Byron wohl auch zu brutalen Wutanfällen neigte, dass die Ehe bald scheiterte. Zwar wurde noch im Dezember 1815 die gemeinsame Tochter Ada geboren, doch Anfang 1816 verließ Annabella ihren Mann. Die Trennung war ein solcher gesellschaftlicher Skandal, dass Byron England im April des selben Jahres verlassen musste. Er nahm seinen Wohnsitz am Genfer See, wo er mit seinem Arzt Pollidori sich die Villa Diodati teilte. Im Oktober zog er schließlich nach Venedig und verkaufte Newstead Abbey. Hier hatte er eine Liebesbeziehung zu der verheirateten Gräfin Teresa Giuccioli. Inspiriert durch Teresa nahm er schließlich politische Aktivitäten auf, die ihm schließlich eine Verbannung nach Pisa einbrachten. Hier lebte er gemeinsam mit der Gräfin bis 1823.

Tod in Griechenland

Anfang des Jahres 1823 führte sein Abenteuergeist ihn aber nach Griechenland, um am Befreiungskampf der Griechen gegen die Osmanen teilzunehmen. Im Jahr darauf erkrankte er dann an einem Fieber. Falsche medizinische Behandlung, der damals übliche mehrfache Aderlass, und sein durch ungesunden Lebenswandel geschwächter Körper führten dazu, dass er der Erkrankung nichts entgegen zu setzen hatte. Er starb am 19. April 1834 im Alter von 36 Jahren. Während der Tod anderer großer englischer Spätromantiker wie Shelley und Keats kaum bemerkt wurden, erregte Byron mit seinem Tod ein letztes Mal großes Aufsehen. Die Nachricht von seinem Ableben verbreitete sich in Windeseile quer durch Europa.


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