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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Wunder der Rauhnächte

Gestern ist was ganz und gar Seltsames passiert: ein Mensch im Englischen Garten hat mich grundlos gegrüßt. Wir befinden uns in den Lostagen: jeder Tag bestimmt das Geschick eines kommenden Monats. Ob das funktioniert, 12 Monate lang, wenn wir jetzt durch die Zeit der Rauhnächte jeden Tag Fremde grüßen? Eine Glosse von Georg Bayerle.

Von: Georg Bayerle

Stand: 28.12.2023

Gestern ist was ganz und gar Seltsames passiert: ein Mensch im Englischen Garten hat mich grundlos gegrüßt. Und dann noch wer. Und Viele hatten irgendwie ein Lächeln im Gesicht. Beim Eintritt in die Münchner Innenstadt dann: alles wie auf Zeitlupe gestellt: so langsam, geradezu bummelnd, schleichend, waren alle unterwegs. Keine Hektik nirgends. Selbst die ältere Dame mit Krücke und Pelzmantel wurde weder von Tierschützern angepöbelt, noch musste sie sich kompliziert den Weg bahnen. Alle machten Platz; lächelten.

Auch in den Bergen, wo jetzt die Lifte nicht gehen, kein Stress an der Kasse, kein Gedrängel, sie sitzen da, die Leut‘ und lächeln. Haben alle diesmal ihr Wunsch-Weihnachtsgeschenk bekommen? Alles wirkt beglückt, so leicht, berauscht gar. Wie war das nochmal mit der Haschisch-Legalisierung?

Aber nicht einmal Nachrichten kommen in diesen Tagen so gestochen scharf daher wie sonst. Und dabei hatten es alle vorher noch ganz wichtig, den Jahresausklang und die Zeit zwischen den Jahren so gut wie möglich zu planen und zur Runderneuerung zu nutzen.

Von Arnika bis Wacholder

Schließlich sind es die Lostage: jeder einzelne bestimmt das Geschick eines kommenden Monats! Der neueste Hype dabei dreht sich ums Räuchern: Die Rauhnächte, von denen die allerwenigsten vor gut einem Jahrzehnt überhaupt eine Ahnung hatten, sind zum neuen Trend geworden: Ratgeber erklären, mit welchen Bräuchen und Ritualen du jetzt Altes loslässt und das Glück in dein Leben holst. Und was du jetzt tun und unbedingt lassen solltest. (Das „Du“ gehört übrigens zwingend zum Ratgeberstyle). Und wie immer braucht es allerhand Hokuspokus, anstatt an das Naheliegende zu denken.

Natürlich gelingt der energetische Neuanfang am besten im Yoga-Retreat in 13 Schritten und das Räucherwerk-Komplettset für Stubenhocker gibt’s im Internet. Passende, geisteraustreibende Düfte, Sprays und Tinkturen sind Geschmackssache, Webinare erklären die Anwendung. Wer Räuchern nicht mag, kann auch ätherische Öle verwenden, von Arnika bis Wacholder ist alles erlaubt; Zimt hatten wir jetzt aber genug.

Ich mach dir nen anderen Vorschlag: die neue Initiative: Servus Englischer Garten! Grüße jeden Tag drei Fremde und lächele sie an. Entspanntes Gehen in der Stadt und ein Auge für die anderen im neuen Land des Lächelns. Ob das funktioniert, 12 Monate lang, wenn wir es jetzt durch die Zeit der Rauhnächte jeden Tag ausprobieren? Einen Versuch ist’s wert, auch wenn dich manche für benebelt halten.


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