Bayern 2 - Notizbuch


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30 Jahre Lichterkette Die Kerzen gegen rechte Gewalt brennen noch

Vor 30 Jahren gingen fast eine halbe Million Münchner auf die Straße. Mit Kerzen, Fackeln und Lampions setzten sie ein Zeichen gegen Fremdenhass. Es war die Geburtsstunde der Münchner Lichterkette, des "hellsten Vereins Deutschlands".

Stand: 29.11.2022 | Archiv

Teilnehmer der nächtlichen Lichterkette vom 6. Dezember 1992 stehen mit Fackeln in der Hand an einer Ampel.  | Bild: picture-alliance/dpa

Nach der Wiedervereinigung gingen aus Deutschland Bilder um die Welt, die niemand mehr für möglich gehalten hatte: In Rostock, Hoyerswerda, Mölln und Solingen war es zu hasserfüllten Angriffen auf Asylbewerber und Ausländer gekommen.

Fremdenhass kocht hoch

Häuser wurden in Brand gesetzt, Menschen starben in den Flammen, der Mob klatschte und grölte, die Polizei schaute zu. Entsetzen und Ratlosigkeit waren die Reaktionen. "Es kann so nicht weitergehen mit diesen empörenden Übergriffen", sagte zum Beispiel der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Doch was tun?

"Die Idee war eben die Lichterkette, also die Kerze gegen die Brandsätze, das Schweigen gegen das Grölen des Mobs wie in Rostock-Langenhagen."

Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Hamburger Wochenzeitung 'Die Zeit' und Fernsehmoderator

Eine Stadt sagt Nein

In München fand sich ein kleiner Kreis von Entschlossenen. Gil Bachrach, Giovanni di Lorenzo, Christoph Fisser und Chris Häberlein wollten ein Zeichen setzen gegen Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Es gelang ihnen, am Nikolaustag 1992 in München unter dem Motto "Lichterkette München – eine Stadt sagt Nein" fast eine halbe Million Menschen auf die Straße zu bringen.

"Wenn’s die Politiker nicht tun, muss das Volk die Zeichen setzen"

Mehmet Scholl, 1992 Fußballprofi beim FC Bayern München

Geburtsstunde der Lichterkette

Dicht an dicht standen Menschen aller Generationen und Hautfarben mit Kerzen, Lampions, Taschenlampen und Fackeln und protestierten gegen rechte Gewalt. "München leuchtet dem Fremdenhass heim" titelte damals die Süddeutsche Zeitung, die New York Times schrieb: "Über 300.000 Deutsche protestieren in München friedlich gegen Intoleranz, Antisemitismus und Rechtsradikalismus." Die Lichterkette war geboren, es gab sie danach auch in Berlin, Hamburg, Köln und anderen Orten.

"Man kann die Straße nicht einfach den Rechtsradikalen überlassen"

Ein Teilnehmer der Lichterkette 1992

Die Lichter leuchten nach wie vor

Dem Zeichen, das die Lichterkette gesetzt hatte, mussten Taten folgen, schreiben die Initiatoren. Es war der Anfang einer kontinuierlichen, ehrenamtlichen Arbeit. Am 6. Dezember 2022 gibt es die Lichterkette 30 Jahre als gemeinnützigen Verein. Das Thema ist in Zeiten der Zwickauer Terrorzelle und des "NSU" aktueller denn je. Mit Spendengeldern entwickelt und unterstützt Lichterkette e.V. Projekte und Aktionen, die im Sinne der Völkerverständigung die Begegnung, den Austausch und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft fördern.


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