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DDR-Geschichte Selbstverbrennung von Pfarrer Brüsewitz

Aus Wut über das SED-Regime verbrannte sich der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz am 18. August 1976 vor der Marktkirche in Zeitz. Zuvor schrieb er auf zwei Banner: "Funkspruch an alle... Die Kirche in der DDR klagt den Kommunismus an! Wegen Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen."

Von: Elena Griepentrog und Alexia Späth

Stand: 18.08.2016

Vor genau 40 Jahren, am Morgen des 18. August 1976, fährt der Pfarrer Oskar Brüsewitz nach Zeitz – im Auto seinen Talar, eine große Milchkanne voll Benzin und zwei große Protest-Schilder gegen den Kommunismus und das DDR-Bildungssystem. Vor der Michaeliskirche zieht er den Talar an und stellt die Schilder auf seinen Trabant. Noch ehe die Volkspolizei sie konfiszieren kann, übergießt er sich mit Benzin und zündet sich an. Als lebende Fackel rennt er über den Kirchplatz, vor einer aufgewühlten Menge von Hunderten von Menschen.

Die Suche nach den Gründen

Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, was den Pfarrer zu dieser Tat gebracht hat. Dieter Ziebarth, damals Pfarrerskollege, hat erst nach vielen Jahren eine Antwort für sich gefunden.

"Er wollte uns fragen: Brennt ihr für etwas? Setzt ihr euch ganz und gar dafür ein? Er hat nicht nur unter seiner Kirche gelitten, sondern auch unter der Gleichgültigkeit der Leute. Das war für ihn das Schlimmste."

Dieter Ziebarth

Ein überzeugter Christ, ein Provokateur

Oskar Brüsewitz war überzeugter Christ, mit ungewöhnlichen Maßnahmen brachte er - gegen die SED-Doktrin - Menschen wieder zum Glauben. Er sprach mit jedem Menschen, ob Christ oder Atheist, persönlich oder brachte ein leuchtendes Neonkreuz am Kirchturm an, weithin sichtbar. Bisweilen entfernte er sogar die Propaganda-Losungen der SED. In der DDR eigentlich völlig undenkbar.

Kein Bericht in den SED-Medien

Zu seiner nicht angekündigten Beerdigung kamen fast 400 Menschen, darunter unzählige Pfarrerinnen und Pfarrer. Die SED-Medien wollten den Fall totschweigen. Als er sich jedoch immer weiter verbreitete, druckten sie einen hasserfüllten Artikel voller Verleumdungen und stellten Brüsewitz als Geisteskranken hin. Die Kirche stellte sich geschlossen hinter ihren Pfarrer, wenn auch nicht hinter seine Tat. Noch heute jedoch wird Brüsewitz' Flammentod bisweilen als Tat eines psychisch Kranken gedeutet. Doch die Selbstverbrennung lässt sich nur vor dem Hintergrund der DDR verstehen, so Freya Klier, eine ehemalige Bürgerrechtlerin.

"Das ist in der Diktatur als Zeichen glaubhaft. In einem Terrorregime werden die Menschen krank. Ich kenne etliche Fälle, wo die Menschen einfach zermürbt werden in solchen Systemen."

Freya Klier

Isolierung, totale Überwachung, Psychoterror

Dazu trugen auch die Jahre langen Zersetzungsmaßnahmen der Stasi gegen Oskar Brüsewitz bei. Isolierung durch das Streuen von böswilligen Gerüchten, totale Überwachung und Psychoterror. Die Saat ging auf: Immer weniger Menschen trauten sich Mitte der 1970er Jahre noch in seine Gottesdienste. Große Teile der evangelischen Kirche setzten inzwischen auch auf "Kirche im Sozialismus". Doch Brüsewitz lehnte jegliche Zusammenarbeit mit dem Staat strikt ab. Vielen war er nun zu radikal, zu eigensinnig.

Auswirkungen des Flammentods

Dennoch hatte Oskar Brüsewitz' Flammentod Auswirkungen: Fast drei Monate später, am 13. November 1976, gab Biermann sein legendäres Konzert in Köln. Drei Tage später verkündete die SED-Führung seine Ausbürgerung aus der DDR.

In den evangelischen Gemeinden gründeten sich Friedenskreise, auch eine Bürgerrechtsbewegung formierte sich. Biermanns Ausbürgerung führte zu offenen Solidaritätsbekundungen und einem Exodus von Künstlern und Intellektuellen. Viele DDR-Bürger hatten erstmals die Angst verloren. Nicht wenige Historiker sehen heute das Jahr 1976 als Anfang vom Ende der DDR.


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Franz, Donnerstag, 18.August 2016, 12:24 Uhr

2.

"Die Selbstverbrennung kann man nur vor dem Hintergrund der DDR verstehen."

Das ist für mich der entscheidende Satz. Mit heutigem Wissen und Maßstäben schüttelt man den Kopf.

Wenn Menschen so weit gehen, ist das eine Mahnung, die Verbrechen des SED-Regimes nie zu vergessen.

bayer, Donnerstag, 18.August 2016, 11:47 Uhr

1. Menschenverachtendes System

Die DDR war ein Unrechtsstaat ,ihre Staatslenker waren Verbrecher!

Deshalb dürfen die Verbrechen der Staatssicherheit und all ihrer Helfer, nicht im Aktenschrank der Geschichte einfach so verschwinden.