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Frontex will Grenz-Stresstest starten Deutschland wird Versuchskaninchen

Mehr Geld, mehr Personal, mehr Macht. Die EU baut ihre Grenzschutz-Agentur Frontex deutlich aus. Jetzt geht es für die Einzelstaaten darum, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Deutschland soll einen Stresstest starten.

Von: Kai Küstner

Stand: 13.10.2016

Frontex Polizisten beim Rapport | Bild: picture-alliance/dpa/Vassil Donev

Die EU hatte erst vor wenigen Tagen beschlossen, ihre Grenzschutz-Agentur deutlich auszubauen. Jetzt müssen die Einzelstaaten den Muskelaufbau von Frontex auch wirklich vollziehen. Als "bahnbrechend" pries Agentur-Chef Fabrice Leggerie jetzt in Brüssel vor Journalisten die Stärkung des Grenzschutzes. Die EU könne nun tatsächlich die Lehren aus der Flüchtlings-Krise des vergangenen Jahres ziehen.

"Im Moment befinden sich 660 von unseren Beamten in Griechenland, 550 in Italien und etwa 200 in Bulgarien."

Frontex-Chef Fabrice Leggerie

1.500 plus 1.500 Grenzschützer

Das rechnete Leggeri vor und erklärte, insgesamt rund 1.500 Grenzschützer befänden sich bereits im Einsatz. Laut EU-Beschluss wird nun zusätzlich ein Krisen-Pool von abermals 1.500 Mann aufgebaut, der im Notfall aktiviert werden kann. Darum müssen sich nun die Einzelstaaten kümmern. Aber, mahnte der Frontex-Chef:

"Unsere EU-Außengrenzen sind nur so stark wie unser schwächster Punkt."

Frontex-Chef Leggerie

Start mit Deutschland, Finnland und Slowenien

Darum wird Frontex sich nun daran machen, diese Schwachstellen aufzuspüren. Und zwar in Form von so genannten Stresstests. Künftig will die Agentur jährlich in jedem der EU-Länder prüfen, welche Lücken es zu schließen gilt. Doch mit drei Staaten soll es zunächst losgehen, einer davon ist Deutschland.

"Wir haben Slowenien, Deutschland und Finnland ausgesucht."

Frontex-Chef Leggerie

Den Grenzschützern geht es bei diesen ersten Durchgängen zunächst darum herauszufinden, ob ihre Test-Verfahren auch vernünftig funktionieren. Weniger darum, Deutschland anschließend an den Pranger zu stellen wegen möglicher Missstände. Bei den Stresstests wird durchgespielt, wie die EU-Staaten mit Krisenfällen umgehen, zum Beispiel bei einer plötzlich steigenden Zahl von Flüchtlingen.

"Sind unsere Außengrenzen in bestimmten Gebieten darauf vorbereitet, mit 5.000 bis 10.000 Migranten täglich umzugehen? Das wäre eine typische Frage."

Frontex-Chef Leggerie

Frontex will ermitteln, wie die Länder personell und finanziell ausgestattet sind, welche Notfallpläne in den Schubladen liegen, aber auch: wie die Registrierung und medizinische Versorgung von Migranten klappt.

Empfehlungen und Drohungen

Nun liegt Deutschland, das sich für den Stresstest freiwillig gemeldet hatte, zwar mitten in Europa und ist daher eher nicht erste Anlaufstation für Flüchtlinge aus Krisenstaaten. Aber schon wegen seiner großen Flughäfen in Frankfurt und München spiele das Land eine wichtige Rolle beim EU-Grenzschutz, betonte Leggeri.

Der Agentur zufolge steht der Start für den Stresstest unmittelbar bevor. Eines Tages, wenn die Testreihe so richtig angelaufen ist, wird Frontex Empfehlungen aussprechen, wie Missstände abzustellen sind. Sollte sich am Ende eines langen Prozesses ein EU-Staat gegen alle gut gemeinten Ratschläge sträuben, können laut Frontex-Regeln die Nachbarländer sogar Grenzkontrollen einführen.

"Das heißt, wenn ein Land noch Flüchtlinge hereinlässt, kann es in letzter Konsequenz aus Schengen hinausgeschmissen werden. Das ist eine absurde Bestrafung. Sie sorgt dafür, dass es noch mehr Schlagbäume geben wird. Und das geht richtig an die Substanz Europas."

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, Ska Keller

Doch noch sind derartige Strafmaßnahmen nicht absehbar. Zunächst sollen nun bis Ende des Jahres die EU-Einzelstaaten dafür sorgen, dass die Frontex-Stärkung auch wirklich vollzogen wird. Die Debatte darüber, ob sich die Europäische Union damit endgültig zur Festung ausbaut, wie Kritiker beklagen, oder der Grenzschutz nun endlich wirklich europäisch wird, wie Befürworter meinen, wird bis dahin weitergehen.


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