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Das Ende der Arbeit? Wenn der Computer übernimmt

Maschinen sind nicht mehr einfach nur Maschinen. Sie holen auf bei der Intelligenz – schon jetzt treffen sie häufig bessere Entscheidungen als wir.

Von: Ronja Dittrich und Fabian Mader

Stand: 02.11.2016

Ein Roboter auf der CeBit-Messe | Bild: picture-alliance/dpa/Frank May

Markus Müschenich ist Kinderarzt und hat in eine roboterähnliche Medizin-Software investiert. Seine Frage in die Zukunft ist deutlich, aber auch ungewöhnlich: "Muss der Mediziner der Zukunft noch Arzt sein?" Aber geht es hier noch um die Zukunft? Oder längst um die Gegenwart?

"Es ist so, dass wir im Bereich intelligente Maschinen sehr viel weiter sind als der Konsument annimmt."

Yvonne Hofstetter, Expertin für Künstliche Intelligenz

47 Prozent der Berufstätigen lassen sich höchstwahrscheinlich in 20 Jahren durch Maschinen ersetzen, sagen Forscher der Universität Oxford. Aber stimmt das auch?

Nehmen Roboter den Menschen die Arbeit weg?

Vieles, was heute Ärzte tun, könnten vielleicht schon bald intelligente Maschinen übernehmen. Karl Zierer hat Prostata-Krebs. Er hat sich bewusst für eine Operation mit einem Roboter entschieden. 

"A bisl a Anspannung hat mer immer – aber – da muss man jetzt durch, ne."

Karl Zierer, Krebspatient

Erst seit wenigen Wochen ist dieser OP-Roboter am Nürnberger Klinikum Nord im Einsatz. Der Roboter zittert nicht – er arbeitet genauer und schonender, als ein Arzt das mit seinen eigenen Händen könnte. Chefarzt Sascha Pahernik steuert ihn über eine Konsole, und einen 3-D-Bildschirm.

"Die Robotertechnik, das ist ganz klar, dass es für den Patienten schonender ist, er viel weniger Schmerzen hat, weniger Komplikationen hat, das ist mittlerweile völlig klar und deutlich belegt."

Sascha Pahernik, Chefarzt am Nürnberger Klinikum

Autonomes Operieren?

Noch operiert der Roboter nicht alleine. Aber wenn Autos selbst fahren können – könnte das nicht auch ein OP-Roboter? Autonom Operieren sozusagen? Chefarzt Pahernik glaubt das nicht: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in den nächsten Jahrzehnten kommen wird. Hier entscheidet der Roboter nicht selbst, sondern er führt nur aus, was der Arzt ihm sagt."

Doch andere Maschinen arbeiten selbstständiger – und werden so zur Konkurrenz. Rafael Adam ist Konferenzdolmetscher. Sprechen und Übersetzen: das können Computerprogramme inzwischen auch. Als Apps – immer dabei. Skype kann seit diesem Jahr Gespräche live übersetzen. Sind Dolmetscher damit überflüssig? Wir machen den Test und rufen einen Journalistenkollegen in Madrid an. Er spricht Spanisch, wir Deutsch.

"Mein Eindruck ist: Es gibt schon Fragmente, wo das funktioniert. Wenn man sich bemüht, sehr deutlich zu sprechen. Dann werden kurze einfache Sätze richtig übersetzt – zum Teil."

Rafael Adam, Konferenzdolmetscher

Doch besorgt ist Dolmetscher Adam nach dem Skypetest nicht. "Wo wir arbeiten, also professionelle Konferenzdolmetscher, das sind wirklich Situationen, wo es um viel geht und man sich wirklich hundertprozentig verlassen muss." Und das könnten Apps nicht leisten.

Kann man Maschinen vertrauen?

Und wenn ja: würden Sie einem Roboter ihr Geld anvertrauen? Auf Plattformen im Internet ist es heute bereits möglich, sich einen Börsenroboter zu mieten. Das wollen wir ausprobieren und setzen privates Geld: Zehn Euro. Damit handelt nun ein Roboter selbstständig an der Börse. Später werden wir sehen, was er aus unserem Einsatz gemacht hat.

Auch bei vielen Banken treffen die meisten Handels-Entscheidungen nicht mehr Menschen – sondern intelligente Maschinen. Yvonne Hofstetter hat mit ihrer Firma selbst Algorithmen entwickelt. 70 bis 80 Prozent des amerikanischen Börsenhandels seien komplett automatisiert. Und wenn man als menschlicher Investor mitspielen wolle, muss einem bewusst sein, dass man gegen Maschinen spiele.

Maschinen zeigen keine Emotionen – und sie sind nicht korrupt. Deshalb fordern Behörden mitunter sogar ihren Einsatz. Die Schweizer Investmentbank UBS musste nach Manipulationen Händler durch Roboter ersetzen. Können wir Maschinen also eher vertrauen als Menschen?

"Menschen müssen im Umgang mit diesen Maschinen ausgebildet werden, und sie müssen lernen, diese Maschinen zu domptieren, aber nicht einfach sich zurücklehnen und der Maschinen vertrauen – das wird nicht funktionieren, da kommen wir in den Urwald."

Yvonne Hofstetter, Expertin für künstliche Intelligenz

Börsenroboter enttäuscht

Wir haben in unserem Experiment die Kontrolle abgegeben. Vor 36 Stunden haben wir online einen Roboter beauftragt, eigenständig mit unserem Geld, mit zehn Euro zu handeln.

Unser Vertrauen in die Maschine wurde enttäuscht: Das Experiment mit dem Finanzroboter ging schief. An den Schaltstellen der Macht treffen Maschinen immer weitreichendere Entscheidungen: Aber können wir sie dabei noch kontrollieren?

Treffen Maschinen bald Entscheidungen über Menschen?

Entscheiden Maschinen bald darüber, ob wir bei lebensgefährlichen Krankheiten die richtige Therapie bekommen? Horst Karl Hahn ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bildgestützte Medizin MEVIS. Zusammen mit seinen Kollegen hat er eine Software entwickelt, die Krebs erkennt. Gerade testen sie, wie ein Programm das Wachstum von Tumoren verfolgen kann. Aber können Computer das wirklich besser als ein erfahrener Arzt?

Markus Lentschig ist Radiologe in Bremen – er testet heute die Software. So sieht er die Aufnahmen bis jetzt: Einzelne Bilder, die er händisch durchklicken muss. Nur so kann er erkennen, ob der Tumor gewachsen ist. Das dauert.

"Also da bräuchte ich jetzt mit Sicherheit irgendwas zwischen 15 und 30 Minuten… um die nebeneinander zu vergleichen, sind wirklich neue dazu gekommen, oder haben sich die alten nur vergrößert, also hat die Therapie wenigstens bewirkt, dass sich nichts Neues bildet."

Markus Lentschig, Radiologe in Bremen

Es geht schneller

Die intelligente Software schafft das in gerade einmal vier Minuten. Radiologe Lentschig ist zufrieden. Selbst die Sichtbarkeit unterschiedlicher Tumorgrößen sei ein wichtiges Ergebnis, in diesem Fall für den Onkologen: Er bekomme so Anhaltspunkte, wie die Therapie fortzuführen sei. Also übernehmen bald Maschinen die Diagnose – und fällen Entscheidungen über unser Leben?

Fraunhofer MEVIS - Institut für Bildgestützte Medizin

"Es geht nicht darum, den Arzt zu ersetzen, sondern Systeme zu bauen, so dass wir bessere Entscheidungen in kürzerer Zeit treffen können."

Horst Karl Hahn, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bildgestützte Medizin MEVIS.

Aber die Maschinen könnten Entscheidungen treffen? Welche Entscheidungen wir der Maschine anvertrauen, ist wiederum unsere Entscheidung.

Wie viel Macht wollen wir Maschinen über uns geben?

Einige Firmen in Deutschland nutzen Roboter, die selbständig Bewerbungsgespräche führen. Sie entscheiden mit, wer als Mitarbeiter in Frage kommt. Wir testen die Software. 

Ein Roboter analysiert nicht den Inhalt, sondern die Stimme – Tonfall und Wortwahl – und erstellt daraus ein Persönlichkeitsprofil. In zwei Tagen bekommen wir unsere Auswertung.

Diese Münchner Lebensversicherung setzt die Software bereits ein. Nicht, um Bewerber auszuwählen – sondern, um Stärken und Schwächen von Mitarbeitern zu analysieren. Bei Barbara Mayr hat der Telefontest ergeben, dass sie verbindlicher auftreten soll – jetzt arbeitet sie daran.

"Wenn man normal so einen Persönlichkeitsanalysebogen ausfüllt, dann kreuzt man was an und manchmal kreuzt man auch was an, von dem ich glaube, was gut kommen würde."

Barbara Mayr, Mitarbeiterin bei der Münchner Lebensversicherung

Die Grenzen müssen wir festlegen

Die Software bleibt dagegen immer objektiv. Nach wenigen Tagen ist unsere Auswertung da. Ein detaillierter Einblick in die Psyche. Analysiert nach 200.000 Kriterien. Am Telefon werden uns die einzelnen Ergebnisse erklärt.

"Durch den Algorithmus wird ausgerechnet, welche von allen Eigenschaften, die vorher das System feststellen konnte, die drei sind, die Sie in Ihrer Entwicklung am meisten fördern dürften und welche die drei sind, die ihre Persönlichkeit am stärksten beschreibt und auch ausmacht."

Telefonstimme

Das Ergebnis: Emotionale Stabilität und Verträglichkeit stehen eher weiter unten. Das ist ja schon ein sehr persönlicher Einblick für einen zukünftigen Arbeitgeber. Aber auch hier zählt ganz entscheidend die Interpretation. Für intelligente Maschinen gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten – wo ihre Grenzen sein sollen, müssen wir bald festlegen.

Können wir gut zusammenleben?

Auch so könnte sie aussehen: Die Zukunft mit den Robotern im Video der Fraunhofer-Gesellschaft. Eine Fantasie – ob sie jemals Wirklichkeit wird? Wie gut Menschen und Roboter zusammenarbeiten können, zeigen erste Pflegeroboter.

Ein Student der Universität der Bundeswehr in der Bibliothek | Bild: BR

Ein Student der Universität der Bundeswehr in der Bibliothek

An der Bundeswehr-Uni München wird erforscht, wie sich Roboter und Menschen aneinander gewöhnen können. Studenten führen dazu Gespräche mit dem Forschungsroboter "Josephine". Noch funktioniert das nicht immer.

"Teilweise fand ich die Antworten ein bisschen eigenartig. Also: Was machst du gern? Oder: Was für Musik hörst du gern? Und dann kommt ne ewige Story, was er gerne macht. Also: ist halt ne Maschine."

Simon Ulrich Freudling, Student Universität der Bundeswehr München

"Wie sich herausstellt, haben wir bisher stark unterschätzt, wie  wichtig Sozialkompetenz ist, wenn Roboter Seite an Seite mit Menschen zusammenarbeiten sollen."

Verena Nitsch, Professorin an der Universität der Bundeswehr München

Roboter lehrt Sehen

Zumindest mit medizinischer Software klappt die Zusammenarbeit schon gut, das zeigt der 11-jährige Luis. Als Kleinkind war er fast blind, seine Sehleistung lag bei nur 20 Prozent.

Die Wende bringt vor drei Jahren die Software Caterna, die ihm Augenarzt Andreas Hueck vermittelt hat. Luis spielt damit zuhause, klickt auf Luftballone. Die Muster im Hintergrund schicken gezielte Reize – sein Hirn lernt so, die Sehschwäche auszugleichen. Seine Sehleistung springt in nur drei Monaten von 60 auf 100 Prozent.

"Wenn ich gemalt hab, habe ich den Stift zwar gespürt, aber nicht wirklich gesehen früher, und dann habe ich ihn immer besser gesehen, bis ich ihn ganz gesehen habe. Umso mehr ich das Spiel gespielt hab."

Luis

Partner oder Konkurrenten?

Im Kindergarten dachten Psychologen noch, Luis sei auf eine Förderschule angewiesen. Dank Software-Medizin geht er heute auf ein Gymnasium. Kinderarzt und Investor Markus Müschenich hat Caterna mitfinanziert. Für ihn nur ein erster Schritt in die digitale Medizin.

"Die Ärzte, die sich nur über Wissen definieren, werden überflüssig. Die Rolle des Arztes wird viel interessanter. Weil das Vertrauen ist eigentlich das, warum man Arzt wird und nicht weil man Lehrbücher auswendig lernen will."

Markus Müschenich, Kinderarzt

Nicht nur für Mediziner gilt: Intelligente Maschinen werden unsere Arbeitswelt verändern – es liegt an uns zu entscheiden, ob sie Partner bleiben oder zu gefährlichen Konkurrenten werden.


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Kommentieren

Dr. Halef, Donnerstag, 03.November 2016, 19:01 Uhr

5. ...deutlicher...

die Technik soll dazu da sein, den Menschen zu helfen.
Sie soll nicht dazu dienen, Menschen überflüssig zu machen und ihnen das Daseinsrecht wegzunehmen indem man ihnen den Broterwerb wegnimmt, weil sie vielleicht nicht so klug sind wie die meisten wahnsinnig gescheiten Menschen.
Sonst ist das unmenschlich und unchristlich.
kapitalistisch halt.

Dr. Halef, Donnerstag, 03.November 2016, 18:51 Uhr

4. Fortschritt - Wegschritt - ja wo laufen sie denn ........

Wie bei jeder Einführung neuer Technologien: alles NUR zum Nutzen des Menschen.
Als wäre dieser Run ein Naturgesetz, wie die Schwerkraft.
"Das ist halt die Entwicklung" heisst es lapidar und oberflächlich.
Ganz klar sollte man sagen: Das wird von Menschen gemacht! Und was der Mensch macht, das wird gemacht und "entwickelt sich" nicht!
Von Menschen, die daran verdienen!
Von Menschen, die sich eine Erhöhung der Produktivität erwarten. Wo bleibt der Nutzen dieser erhöhten Produktivität für Alle Menschen? Auch für die, die davon arbeitslos werden!?
Klar hat auch die Medizin einen Nutzen davon.
Aber das in den Vordergrund zu schieben ist hinterhältig.
Das ist keine selbständige Entwicklung!
Menschen tun das -
und der Geist, den sie einst schufen, den werden sie dann nimmer los!

Atze, Donnerstag, 03.November 2016, 16:41 Uhr

3. Was der Mensch braucht

Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, d.h. er braucht zum Leben Menschen.Roboter koennen Menschen nicht ersetzen oder sind als eine Art Maschine nur bedingt und eingeschränkt einsetzbar.Z.B in der Altenpflege finde ich es aberwitzig Roboter als Kommunikationsmaschinen einzusetzen.Gerade die Alten, die vor allem menschliche Fuersorge brauchen, werden damit missbraucht.Sollen doch Altenpfleger ordentlich verdienen und den Schmarotzern der Gesellschaft,die nur ihre Millionen horten ,sollte der Staat auf die schmutzigen Finger klopfen. Es brodelt doch in unserem Land , die Roboter können es nicht richten.Das müssen schon wir Menschen tun.Leider erfindet man immer mehr Muell und Menschen entfremden sich immer mehr von ihrer Arbeit.Fragen Sie doch mal, wer seine Arbeit gerne macht?Wenn dann noch Roboter das Sagen kriegen...Ich wünsche mir eine humane Arbeitswelt, die nicht krank macht.Seelische Krankheiten sind ohnehin im Vormarsch.

Leser, Donnerstag, 03.November 2016, 09:31 Uhr

2.

Wenn wir keine Praktiker in den Berufen mehr haben, wer gibt dann den Programmierern die Arbeitsanweisungen?

Eduard Schilling, Mittwoch, 02.November 2016, 18:52 Uhr

1. Roboter

Wenn in einigen Jahren der Roboter, das Kommando übernimmt, dann werden viele Deutsche Probleme bekommen und was macht Mutti dann mit ihren Analphabeten?