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Der Verlauf der Konferenz Verlierer am Katzentisch

Stand: 30.11.2009 | Archiv

Tagungsort Schloss Versailles im Mai 1919 | Bild: picture-alliance/dpa

Der Ort der Friedenskonferenz hatte Symbolkraft: Die Franzosen, die gegenüber einer Demütigung Deutschlands am aufgeschlossensten waren, wählten den Spiegelsaal des Versailler Schlosses. Ebenfalls im Sinne eines Triumphgestus hatte genau dort 48 Jahre zuvor Bismarck nach dem gewonnenen Krieg von 1870/71 das "Zweite Reich" proklamiert.

Nicht nur ein Amerikaner in Paris: die Vertreter der vier wichtigsten Siegermächte

Diesmal waren die Deutschen in der Prunkhalle Ludwigs XIV. nicht zugegen. Die Siegermächte schlossen die Verlierer von der Teilnahme aus, mit aggressiven Kriegsverbrechern - so ihre Lesart - wollte man sich nicht an einen Tisch setzen. Es genügte, wenn man ihnen später das Ergebnis der Verhandlungen mitteilte.

So begannen am 18. Januar 1919 Frankreich, Großbritannien, USA, Italien und 28 weitere Staaten die Konferenz unter der Leitung des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau. Auf der Agenda stand das Zurechtstutzen Deutschlands: Gebietsabretungen, Reparationszahlungen sowie wirtschaftliche und militärische Beschränkungen.

Frankreich debattiert Zerschlagung Deutschlands

Mit 1,4 Millionen Kriegstoten und komplett zerstörter Infrastruktur im Nordosten des Landes war Frankreich am wenigsten gut auf die Deutschen zu sprechen. Das Ziel der "Grande Nation" war, den Nachbarn territorial und wirtschaftlich stark zu schwächen. Dass man Elsass und Lothringen zurückhaben wollte, verstand sich von selbst.

Georges Clemenceau: "Der Fehler der Deutschen ist, daß es 20 Millionen zu viel von ihnen gibt."

Die Forderungen gingen aber zum Teil noch viel weiter - bis hin zu einer Zerschlagung Deutschlands. So verlangte Marschall Ferdinand Foch, Oberbefehlshaber der Westfront, dass das Rheinland ein eigener Staat wird. Zudem spekulierte er mit der Bildung autonomer süddeutscher Länder.

England und USA milder

Woodrow Wilson: "Das deutsche Volk muß lernen, den Krieg zu hassen."

So weit wollte Clemenceau jedoch nicht gehen. Er wusste zu gut, dass das die Engländer und Amerikaner nicht akzeptieren würden. Deren Präsident Woodrow Wilson hatte noch während des Krieges, am 8. Januar 1918, sein berühmtes 14-Punkte-Programm vorgestellt. Einer der wichtigsten Forderungen darin war das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Und Großbritannien wäre für extrem radikale Sanktionen gegen das Deutsche Reich vor allem deswegen nicht zu begeistern gewesen, weil es fürchtete, auf diese Weise kommunistische Bestrebungen zu fördern - auch im eigenen Land.

Angst vor der Revolution

Am 15. Januar 1919 ermordet: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg

Die Siegermächte fürchteten, linke Strömungen könnten sich etablieren; schließlich hatten nach Lenins Oktoberrevolution von 1917 auch Sozialisten in Deutschland zunächst einige Erfolge erreicht. Nach dem Kieler Matrosenaufstand Anfang November 1918 rief Kurt Eisner wenige Tage später in München die Räterepublik aus. Es folgten Berlin und weitere Städte. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Linken und Reaktionären. Eisner sowie die Sozialistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden dabei ermordet.

Schock für deutsche Delegation

Am 7. Mai 1919 wurde dann auch die deutsche Delegation in Versailles vorgelassen, um ihr die Bedingungen des Friedensvertrages zu präsentieren. Deutschland sollte die alleinige Kriegsschuld, umfangreiche Gebietsabtretungen, weitgehende Entwaffnung und Reparationszahlungen akzeptieren.

Weiche Knie: Reichsaußenminister Graf Brockdorff-Rantzau

Das Ergebnis war hart, die deutschen Abgesandten reagierten schockiert. Ihrem Chef, Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, wurden gar die Knie so weich, dass er sitzenbleiben musste. Zu Hause legte man das als patriotisches Verhalten aus.

Das Ergebnis war hart, jedoch erträglich im Vergleich zu dem, was die Deutschen im Fall eines Sieges ihren Gegnern abverlangt hätten.

Die deutsche Delegation

So hatten sie nach den anfänglichen Kriegserfolgen großzügige Annexionen in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Polen und im Baltikum geplant. Das sah das "Septemberprogramm" von 1914 des damaligen Kanzlers Theobald von Bethmann Hollweg vor.

Philipp Scheidemanns Rücktrittsbegründung: "Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns ins solche Fesseln legte?"

Dennoch reichte der Versailler Entwurf aus, um im Deutschen Reich blankes Entsetzen auszulösen - quer durch alle Parteien von rechts bis links. "Ein Dokument des Hasses und der Verblendung" nannte ihn Regierungschef Philipp Scheidemann (SPD) - und trat am 12. Mai zurück, um nicht für die Annahme eines "Schandfriedens" verantwortlich zu sein.

Insbesondere die Übernahme der Kriegsschuld, die Besetzung des Rheinlandes und Abtretungen von Gebieten ohne Volksabstimmung, die Wilsons 14-Punkte-Programm zuwiderliefen, riefen Empörung hervor.

Das Ultimatum der Siegermächte

Vertrag als Urteil: "Simplicissimus"-Karikatur

Beim letzten Punkt machten die Siegermächte den Deutschen einige Zugeständnisse, legten ihnen den Entwurf aber ansonsten weitgehend unverändert am 16. Juni erneut vor - dieses Mal ultimativ: Sollte das Papier nicht bis 23. Juni unterzeichnet sein, drohte die Wiederaufnahme von Kriegshandlungen. Links des Rheines standen bereits Truppen bereit.

28. Juni 1919: Die Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages

Das Ultimatum zeigte Wirkung: Scheidemanns Nachfolger Gustav Bauer (ebenfalls SPD) befürchtete die Besetzung Deutschlands, Hungerblockaden und kommunistische Unruhen. Seine Regierung entschied sich für die Zustimmung zum "Diktat von Versailles". Das Berliner Parlament segnete sie fristgerecht am 23. Juni mit 237 zu 138 Stimmen bei fünf Enthaltungen ab.

Das Friedensprotokoll

Am 28. Juni 1919, dem fünften Jahrestag der Ermordung des österreichischen Thronfolgers, folgte der Vertragsschluss. Vor der Unterzeichnung konfrontierte man die deutsche Delegation noch mit fünf schwerst kriegsversehrten Soldaten, die keine Nase oder keinen Mund mehr hatten. Dann unterzeichneten Außenminister Hermann Müller und Verkehrsminister Johannes Bell den Friedensvertrag - im Spiegelsaal des Versailler Schlosses.


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