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Klimawandel, Gesundheit Klimawandel: Risiken für die Gesundheit?

Von: Robert Grantner

Stand: 15.11.2021 | Archiv

Klimawandel: Risiken für die Gesundheit? | Bild: BR

Der Klimawandel ist derzeit in aller Munde. Weltweit wird dafür protestiert für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele. Klar ist, der Klimawandel bedroht unsere Erde, so wie wir sie kennen. Doch schon jetzt zeichnen sich auch konkrete gesundheitliche Auswirkungen und Risiken ab.

Höhere Temperaturen: Stechmücken aus wärmeren Regionen und neue Krankheitserreger

Immer mehr Mücken, die eigentlich in wärmeren Regionen heimisch sind, breiten sich auch in Deutschland aus. Viele von ihnen sind Überträger gefährlicher Krankheitserreger, neben dem Dengue-Virus ist das zum Beispiel das Zika-Virus oder das Chikungunya-Virus. Man muss längst nicht mehr in die Tropen reisen, um sich damit zu infizieren. Der Grund: Durch steigende Temperaturen fühlen sich die Mücken nun auch bei uns ganz wohl und können sogar überwintern, was lange Zeit nicht möglich war.

Auch die Asiatische Tigermücke, Überträgerin unter anderem des Dengue-Virus, ist laut Experten aufgrund der immer höheren Temperaturen bereits in Deutschland angekommen. Und die Hitze bringt sogar gänzlich neue Krankheiten zu uns: So konnte 2018 erstmals die Übertragung des Westnil-Virus, das für das sogenannte Westnil-Fieber verantwortlich ist, nachgewiesen werden.

Verändertes Klima: mehr Gefahren durch Gewitter?

Steigende Temperaturen und die dazugehörenden Temperaturschwankungen sorgen auch für vermehrte Gewitterausbrüche. Und das kann für viele Menschen richtig unangenehm werden. Denn mit Beginn eines Gewitters werden Pollenkörner, die vorher bei warmem Wetter hoch in die Luft transportiert wurden, durch starke Winde und Regen sehr schnell aus höheren Luftschichten heruntergedrückt und heruntergewaschen. Die Folge ist ein schneller Anstieg der Pollenkonzentration in Bodennähe.

Mehr Gewitter, mehr Gewitter-Asthma

Doch das ist nicht alles, denn der steigende Druck führt auch dazu, dass die Pollenkörner in großer Zahl aufplatzen. Dadurch werden kleine, allergene Partikel in die Umgebungsluft abgeben. Die wiederrum können leicht in die Atemwege eindringen. Besonders während Gewittern in der Graspollensaison leiden viele Menschen dann an allergischen Symptomen und selbst Personen, die zuvor kein Asthma hatten, können dadurch Asthmaattacken bekommen. In der Forschung spricht man vom sogenannten Gewitter-Asthma oder Thunderstorm-Asthma. Es tritt am häufigsten spät im Frühling und im Sommer auf, wenn hohe Konzentrationen luftgetragener Pollen auftreten. 

Gefahren durch Hitzewellen

Besonders gefährlich sind schnell ansteigende Temperaturen, die sogenannten Hitzewellen. 2010 starben in Europa mehr als 40.000 Menschen an den Folgen einer solchen Hitzeperiode. Vor allem Kinder und ältere Menschen sind gefährdet, da sie Folgen wie Hitzestau oder Flüssigkeitsmangel oftmals nicht rechtzeitig erkennen und darauf entsprechend reagieren können. Mediziner raten deshalb dazu, besonders viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Zudem empfehlen die Experten, Tätigkeiten und körperliche Belastungen zu vermeiden oder auf die Morgen- und Abendstunden zu verlegen.

Klimawandel und Gesundheit: Einschätzung der WHO

Die Weltgesundheitsorganisation geht in einer aktuellen Schätzung davon aus, dass zwischen 2030 und 2050 weltweit 250.000 Menschen an den Begleiterscheinungen der Erderwärmung sterben werden!

Belegter Zusammenhang: Hitze und Herzinfarktrisiko

Dr. Susanne Breitner vom Helmholtz Zentrum München forscht zusammen mit Kollegen schon seit Jahren zum Thema Klimawandel und dessen Folgen für die Gesundheit. Besonders im Blickfeld: der Zusammenhang zwischen Hitze und dem Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden.

"In dieser neuen Studie hat uns besonders interessiert, ob sich die Beziehung zwischen der Temperatur und den Herzinfarkten über die Zeit verändert hat. Also, ob sich, wenn es im Zuge des Klimawandels immer wärmer und immer heißer wird, dann der Zusammenhang zwischen Temperatur und Herzinfarkten verändert."

Dr. Susanne Breitner, Epidemiologin, Helmholtz Zentrum München

Dazu haben sich die Forscher die Stadt Augsburg und die angrenzenden Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg genauer angeschaut. Wie viele Herzinfarkte gab es im untersuchten Zeitraum von 2001 bis 2014 und welche Temperaturen herrschten dabei jeweils vor? Und: Wie hat sich dieses Verhältnis zum früheren Beobachtungszeitraum von 1987 bis 2000 verändert? Das Ergebnis ist erstaunlich:

"Wir haben gesehen, dass nach wie vor die besonders kalten Tage Herzinfarkte auslösen können. Wir haben aber auch gesehen, dass im Vergleich zum früheren Zeitraum die Herzinfarktfälle an besonders heißen Tagen zugenommen haben. Wir schließen daraus, dass eben, wenn im Zuge des Klimawandels noch mehr heiße Tage auftreten werden, eben auch die Gefahr besteht, dass mehr Herzinfarkte auftreten."

Dr. Susanne Breitner, Epidemiologin, Helmholtz Zentrum München

Wenn es also immer heißer wird, besteht die Gefahr, dass es mehr Herzinfarkte geben wird. Die künftige Belastung durch temperaturbedingte Herzinfarkt-Fälle in Augsburg wird bei einer globalen Erwärmung um 2 Grad beziehungsweise 3 Grad Celsius höher liegen als bei einer Erwärmung um 1,5 Grad. Die Ziele des Übereinkommens von Paris, die Eindämmung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, sind daher essenziell. Nur so lassen sich zusätzliche durch den Klimawandel verursachte Herzinfarkte vermeiden. Werden die Klimaschutzziele nicht eingehalten, ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren auch die Zahl der Herzinfarkte im Raum Augsburg steigen wird, so das Fazit der Forscher.

Herzinfarktrisiko: Nachlassende hohe Temperaturen werden zur Gefahr

Dass einen ein Herzinfarkt nicht nur in den heißen Sommermonaten oder in kalten Wintertagen treffen kann, musste Johann Marxreiter (61) leidvoll erfahren. Es ist ein ungewöhnlich warmer Tag für die Jahreszeit, als Johann Marxreiter mit einem Freund Tennis spielt. Zunächst scheint alles in Ordnung. Doch als er nach dem Match unter der Dusche steht, passiert es:

"In dem Moment, wo mich das Wasser trifft, das kann natürlich Zufall sein, das weiß ich nicht, bekomme ich so einen Schlag, mitten in die Brust rein, so wie ich es noch nie gehabt habe: ein ganz starker, drückender Schmerz. Ich habe gedacht, ich muss gleich umkippen, der Schmerz bringt mich jetzt um, ich pack es nicht!"

Johann Marxreiter, Herzpatient

Was ihm das Leben rettet, ist das schnelle Eintreffen des Notarztes. Johann Marxreiter wird sofort in die Uniklinik Augsburg transportiert und dort umgehend operiert. Er bekommt einen Stent gesetzt, der die Arterie wieder weitet. Kardiologe Wolfgang von Scheidt hat Johann Marxreiter anschließend betreut.

"Das Problem sind plötzlich sich ändernde klimatische Situationen, wie zum Beispiel eine Hitzewelle in einem gemäßigten Klima. Das sind wir nicht gewöhnt, wir sind nicht akklimatisiert und wenn es dann heiß wird, dann vergessen die meisten Leute zu trinken, sie trocknen aus, der Blutdruck sinkt, die Herzfrequenz lässt nach. Und dann kann jemand, der ohnehin schon zum Herzinfarkt neigt, weil er eine Arteriosklerose an den Herzkranzgefäßen hat, dies als Auslösersituation bekommen. Es ist ein Auslösermechanismus, nicht die Ursache!"

Prof. Dr. med. Wolfgang von Scheidt, Internist, Kardiologe, I. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Augsburg


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