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Training der Gefäße So bauen Sie gesunde Kältereize in Ihren Alltag ein

Kälte tut gut – sofern sie richtig dosiert wird und der Körper dabei nicht auskühlt. Während Eisbaden nur etwas für Geübte ist, kann jeder Mensch Kältereize in seinen Alltag einbauen und damit sein Immunsystem unterstützen.

Von: Antje Maly-Samiralow

Stand: 06.02.2024

Kältereize werden sowohl therapeutisch eingesetzt als auch präventiv zur Stärkung der Immunabwehr. Die klassischen Kneipp-Anwendungen vom Wassertreten, über kalte Güsse, bis hin zur kalten sowie wechselwarmen Dusche dienen letztlich dem Training der Gefäße. Bei Kälte ziehen sie sich zusammen, um sich danach wieder auszudehnen. Wer regelmäßig kalt duscht, barfuß ein paar Schritte im Schnee oder im kühlen, mit Morgentau benetzten Gras macht oder gar im kalten See badet, trainiert seine Gefäße so, dass sie sich an den Kältereiz gewöhnen.

Kneipp-Anwendungen trainieren die Gefäße

Wer barfuß ein paar Schritte im Schnee macht, trainiert seine Gefäße.

Konkret bedeutet das, dass sich die Gefäße bei Kälte kurz zusammenziehen und sich dann schnell wieder ausdehnen. Dadurch wird die Durchblutung der Atemwegsschleimhäute in Nase und Rachen stabil gehalten und damit einhergehend die Immunabwehr gegen pathogene Keime wie Erkältungsviren gewährleistet. Dass sich die Gefäße der Körperperipherie, primär an Händen und Füßen, zusammenziehen und schlechter durchblutet werden, ist einem evolutionsbiologischen Schutzmechanismus geschuldet.

"Kältereize dienen der Thermo-Regulation, ohne die wir bei extremen Witterungsbedingungen erfrieren würden. Bei Kälte ist der Organismus bestrebt, die Betriebstemperatur der inneren Organe konstant zu halten, damit sie ihre Funktionen erfüllen und das Überleben gewährleisten können. Deshalb wird die Blutversorgung in der Körpermitte, im Brust- und Bauchraum, erhöht, und die vernachlässigbare Peripherie vorübergehend schlechter durchblutet. Das merkt man, indem die Finger, die Füße und die Nase kalt werden. In Notsituationen – und extreme Kälte ist eine für den menschlichen Organismus lebensbedrohliche Situation – wird das geschützt, was für das Überleben notwendig ist – etwa Herz, Lunge und Gehirn – und im Zweifel die Körperareale von der Blutzufuhr abgeschnitten, die im Ernstfall verzichtbar wären. Das erklärt auch, warum Extrembergsteigern in eisigen Höhen die Zehen abfrieren können, die dann einfach nicht mehr durchblutet werden. Auch das Zittern der Muskeln bei extremer Kälte fällt unter die Thermo-Regulation. Die Muskeln sind versucht, durch die schnell aufeinanderfolgenden Kontraktionen Reibungswärme zu erzeugen und den Organismus aufzuwärmen."

Dr. med. Thomas Rampp, Facharzt für Allgemeinmedizin, spezielle Schmerztherapie und Naturheilverfahren, Evangelische Kliniken Essen Mitte

Regelmäßige Kältereize zur Blutdruck-Regulation

Ein durch regelmäßige Kältereize betriebenes Gefäßtraining fördert nicht nur Abhärtung und Stärkung der Immunabwehr; davon profitiert das gesamte Gefäßsystem.

"Wenn wir Kaltreize applizieren, dann ziehen sich die Gefäße zunächst zusammen. Die Gegenregulation ist, dass sie sich dann weiten. Wenn man das wiederholt macht – beim Bluthochdruck sind vier Wochen erforderlich –, dann kann man langfristig den Blutdruck senken. Dazu gibt es auch gute Daten."

Dr. med. Thomas Rampp, Facharzt für Allgemeinmedizin, spezielle Schmerztherapie und Naturheilverfahren, Evangelische Kliniken Essen Mitte

Wechselreize als Übung für Eng- und Weitstellung der Gefäße

Weitere therapeutische Anwendungsgebiete von Kältereizen

  • Lungen- und Bronchialerkrankungen
  • Leichte Herzinsuffizienz
  • Chronische Schmerzen
  • Erschöpfung und Müdigkeit
  • Vegetative Störungen
  • Entspannung und Regeneration durch Thermoreize

Viele Zivilisationserkrankungen gehen mit nervösen Störungen einher, einem chronischen Ungleichgewicht zwischen Aktivität und Regeneration. Durch Kältereize, noch besser durch Wechselreize, wie man sie beim Saunieren und dem sich anschließenden Abkühlen erfährt, werden die Gefäße auf Eng- und Weitstellung trainiert.

Eine Gefäßengstellung ist mit der Aktivität des Sympathikus verbunden, des für Aktivität zuständigen Teils des vegetativen Nervensystems. Eine Weitstellung ist hingegen mit der Aktivität des Parasympathikus verbunden, der vor allem für Erholung, Entspannung, Verdauung und Regeneration zuständig ist. Nachdem die meisten Menschen viel Zeit im Leistungs- und Stressmodus verbringen und immer weniger Zeit im Erholungs- und Regenerationsmodus, sind Thermoreize ein probates Mittel der Gefäßregulation und der damit einhergehenden Aktivierung des Parasympathikus, der bei vielen Menschen zu kurz kommt.

Sanftes Training allmählich steigern

Vorsicht beim Eisbaden! Wer in Sachen Kältereiz nicht geübt ist, könnte seinem Körper damit schaden.

Wer sich abhärten will, um sich vor Infekten zu schützen, sollte langsam beginnen. Zum Einstieg eignen sich kalte Güsse der Beine, aufsteigend bis zum Knie. Wer mutiger ist, kann sich morgens kalt duschen bzw. sich nach der warmen Dusche kalt abbrausen. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Kältereize und kann sie steigern. Vor spontanen Extrem-Reizen, wie man sie beispielsweise beim Eisbaden erfährt, sei jedoch gewarnt. Für Untrainierte könnte der Schaden größer ausfallen als der gesundheitliche Nutzen.

"Menschen mit Vorerkrankungen, Herzschwäche oder Bluthochdruck sollten sehr vorsichtig anfangen. Die profitieren zwar langfristig von Kältereizen, aber sie müssen sich sehr vorsichtig daran gewöhnen. Wer gesund ist, kann den Trainingsreiz, den Kältereiz, deutlich schneller steigern und am Ende sogar in ein Eisbad hineingehen."

Dr. med. Johannes Naumann, Facharzt für Innere Medizin, Physikalische Therapien und Balneologie, Freiburg

Kältereize in den Alltag integrieren

Um das Gefäßsystem zu trainieren, bedarf es keiner aufwendigen Trainingseinheiten. Mitunter reicht es schon, Lebensweisen zu rekultivieren, die für unsere Vorfahren selbstverständlich waren, die weder Daunenjacken trugen, noch auf beheizten Autositzen zur Arbeit fuhren.

"Ich empfehle beispielsweise, die Heizung gelegentlich runterzudrehen oder auch im Winter mal im T-Shirt rauszugehen, ohne sich warm einzupacken. Wer bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad fährt oder mit dem Hund spazieren geht, setzt sich regelmäßig Kältereizen aus. Auch Barfußgehen sowohl innen als auch im Außenbereich trainiert die Thermo-Sensoren. Wer dauerhaft sein Gefäßsystem trainieren und sich vor Infekten schützen will, sollte sich regelmäßig Kältereizen aussetzen, diese variieren und immer mal wieder steigern."

Dr. med. Johannes Naumann, Facharzt für Innere Medizin, Physikalische Therapien und Balneologie, Freiburg

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