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Fertiggerichte, Schokolade, Chips Macht Junkfood süchtig?

Sucht! Bei diesem Wort denken die meisten Menschen an Drogen, Alkohol, Nikotin. Aber was ist mit kalorienreichen Snacks, Chips und Schokolade? Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass auch hochverarbeitete Lebensmittel süchtig machen können.

Von: Florian Heinhold

Stand: 21.11.2023

In einer aktuellen Meta-Analyse hat ein internationales Forscherteam die Erkenntnisse aus 281 Studien zusammengetragen und stellt fest: Hochverarbeitete Lebensmittel wie Chips, Schokolade und Fast Food können Suchtverhalten auslösen, das ganz ähnlich ist wie bei Drogen. Rund 14 Prozent der Erwachsenen und 12 Prozent der Kinder zeigten demzufolge im Umgang mit solchen Nahrungsmitteln typische Anzeichen einer Sucht.

Amerikanische Wissenschaftler der University of Michigan leiten daraus die Forderung ab, sogenanntes Junkfood als Suchtmittel zu behandeln und politische und gesellschaftliche Maßnahmen zur Eindämmung des Problems zu treffen.

Forschung in Deutschland

Aber wie muss man sich das mit der Sucht genau vorstellen? Prof. Andreas Hess von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg forscht seit Jahren zum Thema. In Tierversuchen hat der Toxikologe das Suchtverhalten bei Nagern nachgewiesen.

"Da konnten wir in der Hirnfunktion auslesen, dass sehr wohl auch bei Maus und Ratte, wenn sie Chips futtern, das Belohnungs- bzw. Suchtzentrum im Gehirn angeschoben wird. Dieser Teufelskreis ist derselbe, der eben auch von harten Drogen im Hirn angesprochen wird."

Prof. Dr. rer. nat. Andreas Hess, Toxikologe, Universität Erlangen

Die Ratten in den Studien von Prof. Hess zeigten das stärkste Suchtverhalten bei Lebensmitteln mit einem Kohlenhydrate-Fett-Verhältnis von 50 zu 35.

"Da kann man auf jede Chipstüte oder sonstiges gucken: Man findet ziemlich genau dieses Mischungsverhältnis."

Prof. Dr. rer. nat. Andreas Hess, Toxikologe, Universität Erlangen

 Laut Prof. Hess zeigen neuere Untersuchungen, dass sich diese Erkenntnisse aus den Tierversuchen auch auf Menschen übertragen lassen.

Präventionsprogramme für Kinder und Jugendliche

Hochverarbeitete, oft ungesunde Lebensmittel, die noch dazu süchtig machen könnten, sind vor allem für Kinder ein Problem. Der Regensburger Kinderarzt Dr. Georg Leipold erlebt die Folgen von Adipositas bei Kindern in seiner Praxis. Die Zahlen von stark übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen sind seit Jahren auf einem hohen Niveau.

"Etwa 40 Prozent dieser Kinder haben erhöhtes Cholesterin und mit Einsatz der Pubertät kommt Diabetes hinzu. Erhöhter Blutdruck, Fettleber. Und dementsprechend ist es auch ein schwerwiegendes Gesundheitsrisiko. Viele dieser Patienten werden ihren ersten Herzinfarkt oder Schlaganfall auch schon vor dem 40. Geburtstag erleiden."

Dr. med. Georg Leipold, Kinder- und Jugendarzt, Regensburg

Dr. Leipold betreut auch das Projekt JUMPAKIDS, das Kindern und Jugendlichen in Regensburg einen vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln nahebringen soll. Neben Sporteinheiten und Kochkursen, bietet JUMPAKIDS auch eine Beratungsstelle für übergewichtige Jugendliche. Dorothea Brenninger engagiert sich als Ernährungswissenschaftlerin im JUMPAKIDS-Team und ist überzeugt, dass man den Trend durch die richtigen Maßnahmen brechen könnte.

"Dass einfach diese Lebensmittel nicht so spottbillig sind. Es ist bei uns tatsächlich so, dass die ungesündesten Lebensmittel die günstigsten sind. Hochwertige Lebensmittel sind teurer."

Dorothea Brenninger, Dipl. Oecotrophologin, Jumpakids Regensburg

Politische Debatte

Tatsächlich diskutiert die Politik seit langem über etliche Maßnahmen von einer Zuckersteuer für Süßes bis hin zur Mehrwertsteuer-Befreiung für gesunde Nahrung. Aber wie beim geplanten Werbeverbot für Junkfood sorgt der Parteienstreit oft für Verzögerungen. Ein entsprechender Vorschlag aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist innerhalb der Regierung umstritten. Zahlreiche Ärzteverbände, Krankenkassen und NGOs haben den Stillstand jüngst in einem offenen Brief angeprangert.

Auch für den Ernährungsmediziner Professor Hans Hauner von der Technischen Universität in München ist klar: Wenn es um Adipositas und hochverarbeitete Lebensmittel geht, muss endlich mehr unternommen werden. 

"Das Problem, das wir heute haben, ist natürlich, dass wir in unserer Umwelt überall solche Verführungen sehen. Auch in der Schule, im Schulkiosk finden sich immer Süßwaren. Wir müssten als Gesellschaft mehr tun, um Kinder und Jugendliche nicht dieser Situation auszusetzen."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, TU München

Fürs Erste fällt diese Aufgabe also Präventionsprogrammen zu. Gesundheit! darf einen Kochkurs bei den Regensburger JUMPAKIDS begleiten. Im Kurs lernen die Kids, wie sie hochverarbeitete Lebensmittel so ersetzen können, dass sie gar nicht fehlen. Zum Beispiel mit Pizzabrötchen aus Dinkel und mit frischem Gemüse.

Aber so wichtig und wegweisend solche Angebote sind – in Politik und Gesellschaft wird wohl trotzdem noch deutlich mehr Bewegung nötig sein, um das Adipositas-Problem in den Griff zu bekommen.


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