Interview mit Tahir Della // Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Warum es diskriminierend ist, "Mohr" zu sagen

Die Jugendgruppe von Amnesty fordert die Umbenennung des „Drei Mohren“ Hotels in Augsburg, um ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen. Wie diskriminierend sind solche Begriffe eigentlich für Betroffene?

Von: Nina Lenz

Stand: 23.08.2018 | Archiv

Schaumkuss | Bild: BR

"Wir haben Wichtigeres zu tun", so lauten die Gegenstimmen in Augsburg zur Forderung der Jugendgruppe von Amnesty International. Es urteilen also Menschen, die von dem Begriff "Mohr" nicht diskriminiert werden. Wir haben mit Tahir Della, einem der Vorstände von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, darüber gesprochen, wie Betroffene eigentlich über solche Debatten denken.

Die Petition der Jugendgruppe von Amnesty International fordert die Umbenennung des Hotels. Was sagen Sie als Sprecher der Initiative der Schwarzen Menschen in Deutschland dazu?

Sprache bringt gesellschaftliche Verhältnisse zum Ausdruck. Natürlich ist auch die deutsche Sprache durchdrungen von rassistischen Bezeichnungen für schwarze Menschen oder von Bezeichnungen, die diskriminierend sind für schwarze Menschen. Und der Begriff "Mohr" ist das auch in hohem Maße. In unserer Initiative versuchen wir deutlich zu machen, dass es uns nicht darum geht, dass wir die Sprachpolizei spielen wollen oder als Gruppe der Mehrheit vorschreiben wollen, wie sie zu sprechen haben. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung in der Gesellschaft und eigentlich sind alle Menschen von rassistischem Verhalten betroffen. Wir sollten also dafür sorgen, dass rassistische Sprache abgebaut wird, um wirklich von einer gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Gesellschaft zu sprechen. 

Wenn sie durch die Mohrenstraße gehen oder in der Mohrenapotheke einkaufen - in welchem Maße ist das für Sie persönlich diskriminierend?

Man muss sich den Begriff mal angucken. Es wird immer gesagt, dass dieser Begriff ursprünglich für Mauren stand und eben nicht diskriminierend ist. Tatsächlich ist es aber so, dass der Begriff aus dem Griechischen und Lateinischen kommt und auszulegen ist mit "dumm", "töricht" und "einfältig" für schwarze Menschen. Selbst wenn das zu irgendeinem Zeitpunkt so war, dass der Begriff nicht problematisch war - und das stelle ich ganz stark in Frage - dann bleibt trotzdem die Tatsache: Schwarze Menschen fühlen sich von diesem Begriff diskriminiert. Es ist eine Fremdbezeichnung, es war zu keinem Zeitpunkt eine Selbstbezeichnung von schwarzen Menschen oder Menschen afrikanischer Herkunft. In Deutschland sind wir immer noch in einer Art Beweisaufnahme, was denn eigentlich rassistisch ist. Und zum Glück wird langsam auch die Perspektive der negativ betroffenen Menschen als Grundlage für die Diskussion genommen.

Das Hotel begründet seine Entscheidung damit, dass der Name auf einer traditionsreichen Geschichte basiert und in keinem Maße diskriminierend ist - wie reagieren Sie darauf?

Die Tradition ist DAS Argument, das immer wieder angeführt wird. Es war für die Betroffenen wahrscheinlich zu keinem Zeitpunkt normal, so benannt zu werden. Die Intention, die dahintersteckt, zum Beispiel, warum sich ein Hotel so bezeichnet, mag tatsächlich nicht rassistisch gemeint sein. Aber es hat keine Relevanz, wie es gemeint war oder wie Historiker das einordnen, sondern wie sich die betroffene Menschengruppe dabei fühlt. Sprache ist immer von Tradition geprägt, aber sie verändert sich aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen. Und es kann gut sein, dass ein Hotel seit 60 Jahren "ungestört" diesen Namen tragen konnte, es jetzt aber thematisiert wird und das Hotel jetzt dafür Verantwortung übernehmen muss. Wenn der Name aktuell für Menschen diskriminierend ist, dann sollte man ihn ändern, ohne immer wieder darauf zu verweisen, dass es nicht so gemeint ist und dass es irgendwann mal positiv war. Das kann nicht die Haltung sein. Sprache ist nicht in Stein gemeißelt und unveränderbar.

Was für einen Einfluss haben denn solche Begriffe auf Rassismus im Allgemeinen? 

Wenn wir solchen Begrifflichkeiten im öffentlichen Raum begegnen, wissen wir sofort: Okay, mit diesem Begriff werden wir assoziiert. Rassismus beruht ganz stark auf Konstruktionen, auf Markierungen, darauf, dass Menschen zu den "anderen" erklärt worden sind. Man hat sie in der Beschreibung abgegrenzt und das drückt sich durch solche Sprachgebilde wie "Mohr" aus. Hier wird ein Bild inszeniert, das nicht der Realität entspricht. Ich will nicht sagen, dass das Hotel in Augsburg das mit ihrer Entscheidung um den Namen in irgendeiner Weise beabsichtigt. Aber es ist ein Ausdruck dessen, was in den letzten 500 Jahren geschehen ist. Schwarze Menschen wurden kategorisiert, es wurden Zuschreibungen entwickelt, die nichts mit der Realität zu tun haben. Und wir rufen diese Bilder immer wieder ab, wenn wir diese Sprache unverändert wiederverwenden. Wichtig ist, selbst eine kritische Haltung zu entwickeln.

Können Sie die Gründe der Hotelleitung verstehen, warum das Hotel nicht umbenannt wird?

Nein, kann ich nicht. Weil die Gründe für die betroffene Person nicht ausschlaggebend sind, denn die rassistische Diskriminierung bleibt bestehen. Ich erzähle in Workshops immer folgendes Beispiel: Wenn ich Ihnen jetzt auf den Fuß steige und Sie sagen "autsch", dann wird es nicht weniger schmerzlich, wenn ich ihnen sage, dass ich das nicht wollte oder dass das nicht meine Absicht war. Es geht nicht darum, wahllos Leuten irgendwelche Vorschriften zu machen, sondern es geht darum, dafür zu sorgen, dass in einer Gesellschaft keine Diskriminierung stattfindet.

Was würden Sie sich bei Debatten wie um das Drei Mohren Hotel in Augsburg wünschen?

Dass solche Kampagnen von den Kritisierten als Chance gesehen werden, sich selbst klar darüber zu werden, inwieweit sie Teil von einem Problem sind, aber auch dazu beitragen können, es zu lösen. Amnesty ist ja durchaus gesprächsbereit und ich würde mir wünschen, dass es auch auf der anderen Seite mehr Bereitschaft gibt zum Zuhören und Handeln.

Sendung: Filter vom 22.08.2018 - ab 15 Uhr