Organspende Lauras Schicksal zeigt, warum mehr Menschen Organe spenden müssen

Laura ist gerade mal 33, hat aber ein so krankes Herz, dass sie auf eine Organspende wartet. Es gibt in Deutschland nur viel zu wenig Spender*innen. Der Bundestag stimmt nun über eine neue Regelung ab.

Von: Katharina Kühn

Stand: 15.01.2020 | Archiv

Laura mit ausgestreckten Armen in der Natur | Bild: privat

Bis zum April 2018 hatte Laura ein normales Leben: Sie arbeitete in Stuttgart als Sozialarbeiterin, hatte ihren Freund Tobi geheiratet und die beiden wollten bald Kinder bekommen. Aber auf dem Nachhauseweg an diesem Apriltag kommt Laura auf dem Fahrrad fast gar nicht voran, hat Husten, Atemnot. Sie muss in die Notaufnahme. Wenig später erhält sie eine Diagnose, die ihr Leben verändern wird: Ihr Herz arbeitet nicht richtig, sondern praktisch im Sparmodus. Außerdem kommt Wasser in ihre Lunge. Die Fachwörter dafür sind Kardiomyopathie und Lungenödem. Vielleicht hat Laura einen schwer erkennbaren oder sogar unbekannten Gen-Defekt, das versuchen die Ärzt*innen noch herauszufinden. Was aber ziemlich schnell klar ist: Laura braucht früher oder später ein neues Herz.

"Man denkt erst, das ist ein Traum. Ich weiß, dass ich im Krankenhausgang erst mal zusammengebrochen bin und meine Mutter mir gewaltsam die Hände aus den Haaren reißen musste, weil ich da auf dem Boden gesessen hab, geschrieben hab und mir die Haare ausgerissen habe, weil es in dem Moment einfach nicht tragbar ist, man kann diese Emotion irgendwie gar nicht halten."

Laura

Aber es ist kein Traum: Lauras Herz wird immer größer und die Herzwände dadurch immer dünner, das lebenswichtige Organ leiert praktisch aus. Im vergangenen Sommer wurde Laura auf die Transplantationsliste gesetzt. Der Arzt sagte ihr, dass sie noch ein bis eineinhalb Jahre habe, länger werde ihr Herz wahrscheinlich nicht durchhalten. Nur: Die aktuelle Wartezeit für ein neues Herz beträgt sechs Jahre – denn nur wenige Menschen spenden ihre Organe nach dem Tod.

Nur 36 Prozent der Deutschen haben einen Organspendeausweis

Zwar ist die überwältigende Mehrheit der Deutschen dafür, etwa Niere, Lunge oder eben ihr Herz nach ihrem Tod zu spenden, aber nur 36 Prozent haben einen Organspendeausweis und sind damit potenzielle Spender*innen. Denn in Deutschland spenden nur diejenigen nach ihrem Tod Organe, die das vorher zum Beispiel durch diesen Ausweis erlaubt haben oder wenn Angehörige sagen können, dass die Gestorbenen damit einverstanden wären. In einigen Fällen entscheiden auch die Angehörigen selbst, ob sie möchten, dass von dem Toten Organe entnommen werden. Zwar informieren die Krankenkassen seit einigen Jahren häufiger über Organspenden, aber die Spenderzahlen sind dadurch nicht groß gestiegen:  Im vergangenen Jahr haben gerade mal 932 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet. Auf der Warteliste für Organtransplantationen stehen fast zehnmal so viele. Deshalb will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jeden zu einer Entscheidung drängen:

"Ich finde angesichts dessen, was wir nicht erreicht haben, und dessen, was wir erreichen müssen, ist genau diese Verpflichtung, sich entscheiden zu müssen, am Ende auch in einer freien Gesellschaft zumutbar."

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Das sagte Spahn im Sommer 2019, als er im Bundestag seine Pläne für die neuen Regelungen vorstellte. Spahn will, dass jeder zunächst als mögliche Spender*in gilt, es sei denn, man widerspricht – also genau anders herum, als es jetzt in Deutschland ist. Außerdem sollen die Angehörigen nur noch gefragt werden, ob Verstorbene gegen die Organspende waren.

Die Widerspruchslösung gilt in den meisten europäischen Ländern

Diese sogenannte Widerspruchslösung gilt in den meisten europäischen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, Irland, Italien, Spanien, oder der Türkei. Der Bundestag stimmt diese Woche darüber ab, ob sie auch bei uns gelten soll, es ist aber überhaupt nicht sicher, ob das Gesetz durchkommt. In einer ethisch so heiklen Frage stimmen die Fraktionen nicht geschlossen ab, es gibt also keinen Fraktionszwang. Jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete entscheidet allein nach ihrem und seinem Gewissen. Und es gibt viele Abgeordnete im Bundestag, die gegen Spahns Vorschlag sind. Stephan Pilsinger von der CSU aus München denkt, dass Nichtssagen nicht automatisch eine Zustimmung zur Organspende sein darf und hat deshalb einen Gegenvorschlag ausgearbeitet:

"Wir wollen alle bei der Verlängerung ihres Personalausweises fragen, ob sie Organspender sein wollen oder nicht, parallel dazu beim Hausarzt. Das wird in einer zentralen Datei dann verzeichnet und dann soll der Wille des Betroffenen zum Ausdruck kommen und nicht die Angehörigen belästigt werden."

Stephan Pilsinger, CSU

Welcher Gesetzentwurf auch durchkommt, entscheidend ist, dass sich die Situation ändert, damit Menschen wie Laura nicht mehr so lange auf ein Spenderorgan warten müssen. Sie hatte im Dezember eine Herzklappen-Operation und bekommt jetzt wieder leichter Luft. Es macht ihre Wartezeit etwas angenehmer. Ob sie aber deswegen mehr Zeit hat, weiß sie nicht.

PULS am 15.01.2020 – ab 15 Uhr