Migration Warum ein Geflüchteter freiwillig in seine Heimat zurückgeht

Geflüchtete suchen hier in Deutschland Schutz vor Verfolgung. Warum sollte jemand also freiwillig zurückkehren, wenn seine Heimat noch nicht sicher ist? Abid aus Pakistan erzählt uns, warum er bald in seine Heimat zurückfliegt.

Von: Katharina Kühn

Stand: 13.03.2020

Mann läuft mit Rollkoffer durch die Flughafenhalle.  | Bild: BR/ Julia Müller

Abids Zimmer im Flüchtlingsheim ist so gemütlich eingerichtet wie es mit einem schmalen Geldbeutel möglich ist: ein Sofa vom Sperrmüll, ein Bett, Schrank und ein günstiger Teppich. Neue Lautsprecher hat sich der 26-Jährige allerdings gegönnt, Musik muss schließlich sein. Noch wenige Tage wird er in dem Heim wohnen, dann steigt Abid in ein Flugzeug nach Kabul, Afghanistans Hauptstadt. Von dort aus geht es weiter in seine Heimat, aus der er vor fast vier Jahren geflohen ist: Pakistan. Abid wird nicht abgeschoben, er geht freiwillig. Dabei hat Abid in Deutschland einen Job gefunden, die Sprache gelernt. Aber hier fühlt er sich allein.

"Ein Mensch braucht nicht nur Geld und Arbeit. Ich bin ganz allein hier, ich habe keine Onkel, Mutter oder Schwester oder Tante, gar keine Bekannte."

Abid

Sein Leben hier sei kein Leben, sagt Abid. Sein Alltag besteht aus Arbeiten und Schlafen. Jeden Tag, jede Woche das gleiche. Da helfe auch nicht, dass er einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat, ihm sogar eine Beförderung und damit eine Leitungsposition in seinem Beruf angeboten wurde. Abid hat depressive Phasen, er ist oft krank. Hinzu kommt das Gefühl, in Deutschland nicht willkommen zu sein, wieso sonst müsse er immer wieder zur Ausländerbehörde, stundenlang warten, Gehaltsnachweise und Arbeitsverträge vorzeigen, als würde er sich durchmogeln wollen, fragt Abid. Sein Aufenthaltsstatus macht es nicht leichter: Abid hat zwar kein Asylstatus bekommen, ist aber geduldet, weil seine Ethnie, die Hazara, in Pakistan massiver Gewalt ausgesetzt ist.

Geduldet, aber auch gewollt?

Für Abid wurde die Gewalt zur Lebensbedrohung, eventuell hat er nur überlebt, weil er einmal einen Tag freigenommen hatte. An dem Tag wurde der Besitzer des Gewürzladens, in dem Abid gearbeitet hatte, erschossen. Da war auch für Abid klar, dass er wegmusste. Mit gerade mal 22 Jahren machte er sich auf, kam über die Türkei nach Europa. Geduldet sein heißt: Abid darf erstmal in Deutschland wohnen bleiben – aber muss sich eben immer wieder bei den Behörden melden. Eine SIM-Karte zu kaufen ist schwer, eine Wohnung zu mieten, praktisch unmöglich.

Dazu kommen dann noch Plakataktionen wie die vor anderthalb Jahren: Damals warb das Bundesinnenministerium mit der Kampagne: „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt! Jetzt bis zum 30.12.2018 bis zu zwölf Monate zusätzlich Kosten für die Wohnung im Herkunftsland sichern“. So sollte Menschen ohne Bleibeperspektive die freiwillige Rückkehr schmackhaft gemacht werden, also Menschen wie Abid. Das Ministerium bekam einen ziemlichen Shitstorm ab. Dabei ist Geld für Abid weder bei seiner Flucht nach Deutschland wichtig gewesen, noch bei seiner Entscheidung nun nach Pakistan zurückzugehen. Es ging ihn um sein Leben, um Sicherheit. Zwar werden Abids Flugkosten bis nach Kabul übernommen, das war es dann aber auch. Es gibt mehrere Programme, die manchmal die Reisekosten übernehmen, manchmal bei der Miete etwas dazugeben oder eine Starthilfe für den Jobeinstieg geben.

Es geht nicht ums Geld

Dass Geld kein ausschlaggebender Grund für die freiwilligen Rückkehrenden ist, zeigte vor ein paar Monaten auch eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Dabei wurde nach den Motiven der Rückkehrer*innen gefragt, erzählt Patrick Schmidtke, der im BAMF die Gruppe „Rückkehr, Aufenthaltsrecht und Ausländerzentralregister“ leitet.

"Etwa die Hälfte der Befragten, das heißt 46 Prozent, sagt, wir sind mit der mangelnden Bleibeperspektive und der aufenthaltsrechtlichen Unsicherheit in Deutschland unzufrieden und kehren deshalb zurück. Gleichzeitig sagen 42 Prozent, ich möchte wieder zurück zu meiner Familie und zu meinen Freunden im Herkunftsland."

Patrick Schmidtke, BAMF

Das Geld vom deutschen Staat bringt die freiwilligen Rückkehrenden auch nicht viel weiter, zeigte die Studie: Nur bei den wenigsten hat die finanzielle Hilfe dazu geführt, dass diese im Heimatland wieder Fuß fassen konnten. Nach acht Monaten hatten gerade mal 40 Prozent einen Job, nur wenige konnten von ihrem Gehalt leben.

"Grundsätzlich funktionieren die Programme gut, besonders in der ersten Phase nach der Rückkehr. Jetzt möchten wir den zweiten Schritt machen und uns noch intensiver mit der weiterführenden, der nachhaltigen Reintegration der Menschen in den Herkunftsländern beschäftigen."

Patrick Schmidtke, BAMF

Zwar gebe es solche Programme schon, etwa das europäische Programm „ERRIN“ (European Return and Reintegration Network), das dabei hilft, eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu finden. Trotzdem sollen die Förderprogramme eventuell überarbeitet werden.

Rückkehr ins Ungewisse

Bei Abids Beratungsgespräch über eine freiwillige Rückkehr ging es weniger um seine Zukunft in Pakistan, sondern um seine mögliche Zukunft in Deutschland. Seine Betreuerin in der Ausländerbehörde sagte zu ihm, dass er an seine „gute Zukunft in Deutschland“ denken solle. Ein anderer Mitarbeiter bat ihn sogar: „Bitte, machen Sie das nicht. Bleiben Sie hier.“ Über Risiken hat keiner mit Abid gesprochen. Dabei gehört das laut BAMF zu einer Rückkehrberatung eigentlich dazu: Die Betreuer*innen können über die Internationale Organisation für Migration die Sicherheitslage für die Rückkehrenden einschätzen lassen. Ob das Abids Entscheidung geändert hätte?

"Zurückzukehren ist keine gute Idee, aber ich gehe freiwillig. Ich fühle mich nicht gut hier, bin immer krank, immer zuhause und habe Depression. Deshalb habe ich mich entschieden, zurückzukehren."

Abid

PULS am 13.03.2020 ab 15 Uhr.