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PULS Festival History 10 Jahre Festival im Funkhaus

Jede Menge erste Male, Skandalauftritte, neue Bandfreundschaften und einmalige Momente. Zehn Jahre Festival im Funkhaus des Bayerischen Rundfunks haben Spuren hinterlassen. Zum Glück vor allem viele wilde schöne Erinnerungen.

Von: Helen Malich & Michael Bartlewski

Stand: 15.07.2015 | Archiv

Heems von Das Racist live beim on3-Festival 2012 | Bild: Matthias Kestel

Im Vorfeld: beflügelt die Diskussion um die Deutschpop-Quote die Entscheidung, ein "junges" Musikfestival im Münchner Funkhaus zu organisieren.

Mittendrin: stellt sich heraus, dass Deutschpopland wirklich nicht nur am Mainstream liegt. Die Sterne, Slut, Raggabund, T.Raumschmiere - ein prickelndes Line-Up mit ausschließlich deutschen Musikern? Kein Problem. Ach, ja: Roman Fischer spielt das erste Mal beim Festival.

Im Abgang: musste nur die Deko zwei Stunden vor Einlass noch ausgetauscht werden. Der Brandschutz hat gesagt: "Seid ihr irre? Das ist alles flamable, raus damit!"

Im Vorfeld: entscheiden wir uns gegen Ledercouches und für ein internationales Line-Up. Dafür wird der Weißwurstkeller zur Partyhöhle.

Mittendrin: kommt die Decke beim Stagediven näher als gedacht. Zu den Indiekids des Vorjahres tummeln sich 2004 auch Technogestalten in den holzgetäfelten Orchesterstudios. Mediengruppe Telekommander verkünden nüchtern zwischen zwei Songs: "Die Sanitäter können jetzt kommen". Ach, ja: Jichael Mackson im Line-Up ist kein Witz, der heißt wirklich so.

Im Abgang: lief alles rund, alle haben getanzt, bis morgens um fünf, aber wir wussten: da geht noch einiges.

Im Vorfeld: ist uns schon klar, dass die Leute die Bands sowieso nicht kennen, sondern vor allem wegen des Festivals selbst und der Stimmung herkommen.

Mittendrin: Tanzen sogar die Putzfrauen zu Shantel & Bucovina Club Orkestar. Und wir lernen: Nicht nur an Papier kann man sich schneiden, auch Becken sind scharf. Five! Fast!! Hits!!! haben ihren Drummer aber in einem Stück mit nach Hause genommen. Ach, ja: Candelilla spielen das erste Mal beim Festival.

Im Abgang: ist immer noch alles irgendwie Neon. 1500 Leute haben Deichkinds spektakuläre Live-Show vor allen anderen gesehen.

Im Vorfeld: haben wir Angst, einen als "schwierig" geltenden Weltstar einzuladen... Was will die? Ein handsigniertes Originalphoto von Bob Dylan im Backstageraum?

Mittendrin: ist Cat Power alles andere als kompliziert. Begeistert vom Ambiente, hat sie während des Soundchecks sogar zwei Songs geschrieben. Ach, ja: die Handysaugladestationen, bei denen man gleich Downloadsongs vom Konzert mitnehmen konnte, braucht keine Sau.

Im Abgang: Pfeifen wir weiterhin auf die klassische Bandaufstellung. Wer braucht Gitarre, Bass, Schlagzeug, wenn es Laptop, Loopmachine und Chaospad gibt...

Im Vorfeld: sind wir eigentlich gar nicht so scharf auf Premieren.

Mittendrin: gibt es doch so einige - die ersten Deutschlandkonzerte von Holy Fuck, Felice Brothers und Band Of Horses, Scott Matthews erstes Europakonzert und Kinderzimmers vorletztes ever. Ach, ja: wären wir großkotzig, würden wir behaupten, LaBrassBandas Karriere angeschubst zu haben. Ihr erstes Label Trikont wurde jedenfalls an diesem Abend auf sie aufmerksam.

Im Abgang: tätowieren wir uns ein schmeichelndes Zitat aus dem In-München auf die Brust: "Wer heute hören möchte, wie's morgen klingt, bitte schön!"

Im Vorfeld: schwappen Beats und Laute aus allen Teilen der Welt in den Pop.

Mittendrin: TV On The Radio sind Highlight des Abends, Santogold beweist, dass auch Playback Teil eines phantastischen Konzerts sein kann, Schlachthofbronx finden zwischen Bassgebretter Gefallen an der Nebelmaschine und die angolanischen Buraka Som Sistema werden ihre Fans. Ach, ja: Creme Fresh spielen das erste Mal auf dem Festival und Frittenbude damals noch unter dem Radar.

Im Abgang: ging selbst uns die Lautstärkebegrenzung auf den Sack, aber wir tun das alles nur für eure Ohren.

Im Vorfeld: freuen wir uns alle wahnsinnig auf das Festival - das Line-Up ist einfach so schön bunt. Die quietschige Ebony Bones, die großen Kettcar featuring Streicherquartett, die wortgewandte Speech Debelle, die spitzen Young Fathers, die charmanten My Little Pony.

Mittendrin: schleichen sich Creme Fresh über das Finale der Startrampe ein zweites Mal aufs Festival. Das ist aber die absolute Ausnahme. Ach, ja: und dann war da noch dieser Skandal um Pete Doherty.

Im Abgang: übertönen manchmal Titelseiten über einen die großartig gespielten Konzerte der anderen.

Im Vorfeld: lassen die Visual Artists Quirin Empl und Markus Mayer zum ersten Mal den Chorprobensaal erleuchten.

Mittendrin: weiß man gar nicht, wohin man gucken soll. Auf die Bühne, das Farbkonzept, oder in die Zukunft der großartigen Sizarr aus Landau. Festivalbooker reißen sich um die Jungs. Ach, ja: Roman Fischer spielt zum zweiten Mal auf dem Festival. Noch heute bekommt er Mails von Musikerkollegen mit dem Betreff: Wie hast du das nur gemacht?

Im Abgang: war Disko großgeschrieben. Und niemand hat geahnt, dass die Zottelhippies Crystal Fighters in drei Jahren riesige Hallen füllen.

Im Vorfeld: denkt man bei Bildern aus Ägypten nicht ans Feiern. Aber auch auf so einem Festival hat Politik ihren Platz.

Mittendrin: sind Wust-El-Balad und Deeb die Botschafter des Arabischen Frühlings. Ach, ja: technisch gesehen ist es der erste Candelilla-Gig beim Festival. Die Candelilla von damals und heute - nicht zu vergleichen. Oder hat Roman Fischer doch gequatscht...

Im Abgang: war Nummer-1-HipHopper Casper so eingeschüchtert von den Fans, dass er seine eigenen Texte googlen musste. Zur Belohnung für das beeindruckende Konzert wollte er dann knutschen mit Oh Land. Verständlich.

Im Vorfeld: suchen wir nach den richtigen Schuhen. Diskotreter für Sinkane, Bergschuhe für Kofelgschroa oder Hipstersneaker für DENA? Viel schlimmer: Am Flughafen sieht keiner wie Das Racist aus.

Mittendrin: erklärt Rapper Heems unfeierlich das Ende der Band. Ach, ja: Ben Gibbard ist so begeistert von Stealing Sheep, dass er sie gleich für seine Tour bucht. Und for the record - den ersten Festivalauftritt hatten Claire bei uns, vor all den Werbeverträgen mit Musikfernsehen und Co.

Im Abgang: haben wir definitiv zu wenig Schnaps getrunken bei solchen Zahlen im Datum - 1.12.12? Also wirklich!


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