Filmzensur Wie China zu Hollywoods Filmpolizei wurde

Während Kinos hierzulande ums Überleben kämpfen, boomt Kino in China. Doch was das Volk sehen soll, muss erst durch die Zensur – und das hat auch Folgen für Kinofans im Ausland.

Von: Caroline von Eichhorn & Hinnerk Feldwisch-Drentrup

Stand: 18.01.2017 | Archiv

Ein chinesischer Polizist mit einer Filmklappe in der Hand | Bild: BR

Kino boomt in China:  Der Markt wächst weltweit am schnellsten und ist drauf und dran die USA zu überholen. Allein 2016 wurden täglich 27 neue Multiplexsäle geöffnet. Davon will auch die Filmhauptstadt Hollywood profitieren. Aber: China lässt nur 34 ausländische Filme pro Jahr ins Land - eine Importschranke, um die heimische Wirtschaft zu fördern. Was das Volk sehen soll, bestimmt die chinesische Regierung von Präsident Xi Jinping. Alle Filme müssen durch die Zensur - und das hat nicht nur Folgen für chinesische Kinofans:

"Die chinesischen Zensoren werden zu einer Welt-Filmpolizei für den Kinomarkt. Sie diktieren, welche Art von Film produziert und vorgeführt werden darf."

Ying Zhu, New Yorker Filmwissenschaftlerin

Sogar Hollywood-Produzenten richten sich nach dieser Filmpolizei und zensieren ihre Filme inzwischen einfach von vornherein selbst: "Der Marsianer" oder "Pixels" sind beispielsweise chinafreundlich produziert und weltweit im Kino gelaufen:

"Chinafreundlich produzierte" Kinofilme

Der Marsianer (2015)

Wissenschaftler aus China stellen den Amerikanern eine geheime Rakete bereit, nachdem die der NASA explodiert war. Was die Buchvorlage auf wenigen Seiten beschreibt, wird zu einem zentralen Element des Filmes.

Pixels (2015)

In der Games-Komödie streichen die Produzenten einen Angriff von Außerirdischen auf die Chinesische Mauer aus dem Drehbuch, um den Verkauf des Films in China nicht gefährden. Das Taj Mahal, das Weiße Haus und der Eiffelturm werden plattgemacht.

Dr. Strange (2016)

In der Comicverfilmung wurde eine tibetische Hauptfigur mit einer keltischen ersetzt, gespielt von Tilda Swinton. Die Drehbuchautoren wollten eine Tibet-Thematisierung vermeiden, um China nicht verärgern.

Independence Day 2 (2016)

Um den Film für China attraktiver zu machen, hat Fox das Land einfach ins Drehbuch eingeflochten. Im ersten "Independence Day" hat die US-Regierung Aliens noch allein bekämpft. Im zweiten Teil "Resurgence" arbeiten USA und China in einer multinationalen Abwehrtruppe zusammen. Zudem spielt Hong Kong Popstar "Angelababy" eine chinesische Pilotin.

Red Dawn (2012)

In der ursprünglichen Version des amerikanischen Actionfilms greifen die Chinesen Amerika an. In der Postproduktion wurde die Erzählung abgeändert und die chinesischen Angreifer mit nordkoreanischen ersetzt.

In der Comicverfilmung "Dr. Strange" etwa wurde eine tibetische Hauptfigur durch eine keltische ersetzt, gespielt von Tilda Swinton. Die Drehbuchautoren wollten China nicht mit einer Tibet-Thematisierung verärgern.

"Wenn eine Figur aus Tibet stammt und Tibet im Film ein anerkanntes Land ist, dann riskiert man, einer Milliarde Chinesen vor den Kopf zu stoßen - weil sie denken, dass das Quatsch ist. Wir würden riskieren, dass die chinesische Regierung sagt: Wir zeigen deinen Film nicht, weil du entschieden hast, politisch zu werden."

Robert Cargill, Drehbuchautor

Die chinesische Regierung will Kritik aus dem Kino verbannen und ein positives Bild vom Land vermitteln. Egal, ob die Filme aus dem In- oder Ausland stammen: Die Zensur soll Aberglaube verhindern, Jugendschutz und Sittlichkeit garantieren. Wie in den Regularien steht, soll sie "dem Volk und dem Sozialismus dienen", und "ökonomische Effekte aufeinander abstimmen." So sieht man auch immer mehr chinesisches Product Placement in Filmen: in "Captain America: Civil War" (2016) nutzen die Protagonisten Smartphones der chinesischen Marke "Vivo", in "Independence Day 2" (2016) taucht das chinesische Chatprogramm "QQ" auf.

"Es ist beängstigend. Wir erleben hier 'Zuckerbrot und Peitsche'. China nutzt seine wirtschaftliche Macht, um klarzustellen, dass man eben nach den Regeln Chinas spielen muss, um auf den chinesischen Markt zu kommen. Dagegen muss man angehen! Es wird immer schwieriger."

Ying Zhu, Filmwissenschaftlerin

Um die strenge Importschranke zu umgehen, setzt die amerikanische Filmschmiede jetzt auf chinesische Koproduktionen, wie "The Great Wall": Komplett in China gedreht, aber Budget, Filmcrew und Besetzung kommen aus beiden Produktionsländern. 150 Millionen Dollar hat der Blockbuster gekostet. So will China jetzt auch die internationalen Kinofans begeistern - mit Hilfe von Hollywood. Deshalb ist Matt Damon als Hauptdarsteller engagiert. Der Film ist nur der Beginn einer Ära an Kooperationen, die ein chinafreundliches Bild über den Kinomarkt in der ganzen Welt verbreiten.

Bayern 2 sendet am 21.01.2017 um 13.05 Uhr ein Feature über das chinesische Kino – zwischen Kunst, Kommerz und Zensur.