Wahl


4

Webschau Hektische Wahlverlierer in Superzeitlupe

Das Netz wusste vorher schon, wie die Wahl ausgeht. Man hätte es nur deuten müssen, mit Statistik und Traumanalyse. "Hätte hätte Fahrradkette" - und jetzt? Hilft nur noch freies Assoziieren. Unsere Wahlnachlese im BR.de Liveblog und dem Rest vom Web.

Von: Michael Kubitza

Stand: 23.09.2013

Symbolbild aus Piktogrammen für Menschen und Schrift | Bild: BR

Ein Traum, dieses Wahlergebnis. "Waaaaahnsinn, einfach nur traumhaft" findet Bienlein kurz nach 18 Uhr. "Mist, doch nicht nur schlecht geträumt", twittert Schrippe 13 Stunden später. Wie das mit Träumen so ist: logisch sind sie nicht. Um 2.25 Uhr - kurz, bevor das Gehirn seinen biorhythmischen Nullpunkt erreicht - erfährt man aus Hessen, dass es die FDP doch noch geschafft hat, dass das aber für die Regierungsbildung keine Rolle spielt. Stunden zuvor war die Bundes-CDU aus dem unruhigen Traum erwacht, allein regieren können zu müssen.

Freie Fahrt für - wen?

Das vorläufige amtliche Ende der FDP haben die Blog-Diskutanten auf BR.de schon vergangenen Sonntag im Landtagswahl-Blog ausführlich gewürdigt. Diesmal ist es deutlich ruhiger auf der Seite. Es geht um praktische Fragen: Was wird denn nun mit der Maut? "#maut wird Union spalten", schreibt Wähler schon um 19.03 Uhr. In den nächsten Stunden sind die Begriffe "Vignette" und "Straßenbenutzungsgebühr" fast so virulent wie Merkel und Steinbrück. Und die Koalitionsprognosen folgen der Freudschen Methode der Assoziation: Freie Fahrt in alle Richtungen.

Wer mit wem?

1

"Die geilste Entscheidung der CDU wäre ja eine Koalition mit der SPD ohne die CSU."
@Christ0pheri2

2

"Ich tippe auf #Neuwahlen oder CDU Minderheitsregierung"
jigedu

3

"Großer Sieg für Merkel, aber das Regieren dürfte verdammt ungemütlich werden! Mit wem? Gabriel oder Özdemir? Gegen einen auf lange Sicht rot-dominierten Bundesrat, viel Spaß!"
zahlenchecker

4

"Zwei 'alternative' Parteien in der Opposition zu einer schwarz-roten Regierung: eine interessante Konstellation!"
Bavaria

5

"Große Koalition - wir wollen ja nicht gleich an das Schlimmste denken" Pressbruger

6

"Wenn die #SPD jetz keine rot-rot-grüne # Koalition macht, hat sie ihre letzten sozialen Werte über Bord geworfen"
Heiko

7

"Rot-Rot-Grün wäre eine echte Alternative, da den Unionsparteien jegliche Fantasie fehlt. Die FDP ist an ihrer Fantasielosigkeit schließlich gescheitert."
Kestrel

8

"Derzeit wollen 42 % von der CDU/CSU bzw. von Frau Merkel regiert werden. Eine rot rot grüne Koalition wäre ein absolutes Unding, dass der Souverän offensichtlich nicht will."
Peter Siebert

9

"Mein Favorit: Schwarz-Gruen. Nachdem Mutti schon erfolgreich rote Themen geklaut hat waere hier die Chance gruene Ziele durchzusetzen, dann natuerlich als eigenen Erfolg auszugeben und 2017 stellt dann der Waehler fest, wir brauchen die Gruenen eigentlich nicht mehr und der Weg ist frei zur absoluten Mehrheit."
AxelMiami

10

"Angie, Horsti und Gysi - Traumpaar 2013"

11

"1 Maut für Alle. 1 Koalition für Alle CDU, CSU + SPD + Grüne + Linke"
Nadine

12

"German Angst hat gewählt. Hauptsache es ändert sich nichts."
Hermann

FDP in Super-Slo-Mo und Piraten auf Tauchstation

Konstante Spannungsspitzen in der Tickerhektik des Wahlabends sind die eingefrorenen Vielleicht-doch-fünf-Prozentpunkte für AfD und FDP. Das fühlt sich an wie ein Anlauf zum Elfmeter in Superzeitlupe. Um 2.45 Uhr ist es amtlich: Nicht drinnen. Unters Tor! "Interessant empfinde ich, dass die Hochrechnungen für AfD und FDP von Anfang an sehr stabil waren", schreibt peregrinus. Ein anderer Nutzer hadert: "Bei schlechtem Wetter wäre d. Wahlbeteiligung geringer gewessen und FDP und AfD wären wegen niedriger 5%-Hürde im Bundestag!"

Hätte hätte Fahrradkette. "Die Wahlen werden an der Urne entschieden und nicht im Netz. Was soll das ganze Fangeplapper?" ist Netzer schon um 21.55 Uhr genervt. Erstaunlich schwach sind die digitalen Lebenszeichen der Piraten. Nur Mercurius grübelt: "Warum konnte die AfD in knapp 4 Wochen erreichen, was die Piraten nie wirklich hinbekommen haben?"

Was das Web weiß

Liegt die Wahrheit im Netz? Wer die drei Buchstaben "Hät" googelt, kommt automatisch zu Peer Steinbrücks ominösem Fahrradkettenreim. "Bundestagswahl 2013 ist Top-Suchbegriff des Tages", meldet die Google-Pressestelle am Sonntag. Bei Twitter sind #btw13 und #bundestagswahl den ganzen Tag über die populärsten Themen.

Auf der Facebook-Statistik-Site Fanpagekarma ist die AfD in den Stunden vor der Wahl der Shooting Star, überrundet SPD, CDU, FDP sowieso und auch die Piraten. Die Website der AfD ist zeitweise überlastet. Und Angela Merkel, die große Gewinnerin, hat 369.000 Facebook-Fans - eine knappe absolute Mehrheit unter den Spitzenkandidaten.

Datenautobahn mit Bremsspuren

Andererseits: Nur 61 Prozent der Wähler sind einer Untersuchung von Infratest Dimap zufolge überhaupt in sozialen Medien wie Facebook und Twitter unterwegs. Dafür punktet das Netz mit Geschwindigkeit. Um Punkt 18 Uhr pinnt im BR-Liveblog die erste Hochrechnung. Die Website des "Nordkurier" aus Neubrandenburg veröffentlicht schon eine Stunde vor Schließung der Wahllokale Zahlen aus der Wählerbefragung - dafür drohen Strafen bis 50.000 Euro. Der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto twittert 20 Minuten vor Ende der Stimmabgabe: "Als FDP-Politiker muß man lernen, manchmal demütig zu sein - heute ist wohl so ein Tag :-(."

Das steigende Tempo fordert seinen Tribut - auch in den klassischen Medien. Gar nicht so leicht, in Echtzeit den Namen des SPD-Kandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel richtig zu schreiben - das ZDF schafft es, tauft dafür aber die älteste Partei Deutschlands um.

Auch die Nachrichtenagentur dpa greift in einer Eilmeldung zur Abwahl von Schwarz-Gelb knapp daneben. Möglich, dass da im Cache resp. Unterbewusstsein noch ältere Geschehnisse im Bundesland Hessen gespeichert waren.

"Alles was wir sehen oder scheinen ist nur ein Traum in einem Traum", heißt es bei Edgar Allan Poe. Alexander Brunner ergänzt nüchtern: "Vier Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl." Und bitter_sweet_69 weiß auch schon, wen er dann wählen wird: "Beim nächsten Mal werde ich meine Entscheidung davon abhängig machen, wer jetzt seine Wahlplakate am schnellsten entsorgt."


4