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Zum Abschied von Oliver Bendixen als Polizeireporter "Informationen bekommt man auf der Straße"

Seit mehr als 40 Jahren ist Oliver Bendixen per Du mit der Münchner Polizei, den Rettungskräften und Feuerwehren. Seit 1984 arbeitet er als Polizeireporter für den BR. Ende Juni geht er zumindest im Hörfunk in Rente, im BR Fernsehen macht er weiter. BR.de hat mit Bendixen über seine spannendsten Fälle in der Vergangenheit und seine Pläne für die Zukunft gesprochen.

Von: Leonie Thim

Stand: 01.07.2016 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: BR

BR.de: Herr Bendixen, was hat sich an dem Beruf "Polizeireporter im Hörfunk" in den vergangenen Jahrzehnten am stärksten verändert?

Oliver Bendixen: Es ist vieles schneller und hektischer geworden. Wer als Polizeireporter zu einer großen Unglücksstelle oder einem Tatort kommt mit einer sich permanent verändernden Situationen, war in der Vergangenheit immer froh, Kollegen von der Technik zu haben, die mit einem zusammen den Beitrag gemacht und das Live-Senden ermöglicht haben. Ein Polizeireporter muss die Situation beobachten, Informationen und Hintergründe einholen, sich überlegen, was er eigentlich senden will. Sich dann noch um die Technik zu kümmern, kann nur zu Lasten des Inhalts gehen.

BR.de: Abgesehen von der Technik: Hat sich die Zusammenarbeit mit den Behörden auch verändert?

Oliver Bendixen: Das Verhältnis der Reporter zu Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst war früher vielleicht ein bisschen näher. Heute ist vieles formalisiert und läuft über die Pressestellen. Die sorgen dafür, dass ein Präsidium mit einer Stimme spricht und sich die Reporter nicht so leicht überall ihre Informationen selbst zusammenholen. Wenn man lange Polizeireporter ist, hat man allerdings seine Beziehungen. Denn diejenigen, mit denen wir vor 30 Jahren schon verbotenerweise nachts Zivilstreife durch München gefahren sind, sind heute Kriminaldirektoren.

BR.de: In den vergangenen Jahrzehnten haben Sie über viele Kriminalfälle berichtet. Über die Suche nach dem Dönerkiller und dem Isarmörder zum Beispiel. Was war Ihr spektakulärster Fall?

Oliver Bendixen: Mit am spannendsten war sicher der Mordfall Walter Sedlmayr. Erstmal war ich der erste Reporter vor Ort. Was daran lag, dass der Tatort keine 150 Meter von meiner Wohnung entfernt ist. Dem Tüchtigen hilft halt manchmal das Glück. Am Anfang haben alle auf eine völlig falsche Spur gesetzt. Die Ermittlungen haben über ein Jahr gedauert, bis die Täter gefasst wurden. Auch der Prozess war spektakulär. Bei allen Verhandlungen war ich mit dabei bis zum Schluss vor dem Bundesgerichtshof.

Oliver Bendixen mit Fahndungsplakat 2006

Der zweite Fall, der noch viel wichtiger ist, ist der NSU-Prozess. Als Reporter war ich bei beiden Münchner Morden dieser NSU-Serie am Tatort. Die drei Morde in Nürnberg habe ich mitverfolgt, darüber berichtet und auch die bundesweiten Ermittlungen beobachtet. Der NSU-Prozess ist einer der wenigen historischen Prozesse in Deutschland, der auch gesellschaftlich relevant ist, der die Leute wirklich bewegt hat. Solche Verfahren kann man an einer Hand abzählen. Da dabei gewesen zu sein, ist einfach toll.

BR.de: 2014 sind Sie selber ins Fahndungskreuz der Ermittler geraten. Die Staatsanwaltschaft wollte Ihre Telefone abhören lassen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat allerdings die Notbremse gezogen. Die Telefone wurden nicht angezapft. Wie fühlt sich das an, wenn man erfährt, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen ermittelt?

Oliver Bendixen: Es ist kein besonders gutes Gefühl. Die Staatsanwaltschaft wollte damit auch herausfinden, wer uns Journalisten mit Informationen versorgt. Was mich selber angeht, hätten sie mich schon abhören können. Sicherlich hab ich in der fraglichen Zeit am Telefon einiges Bösartige über manche Leute gesagt und Gespräche geführt, die ein bisschen lockerer waren. Damit habe ich allerdings kein Problem. Mir wurde es aber bang, als ich mir vorgestellt habe, dass auch Menschen in so eine Telefonüberwachung hätten kommen können, die mir vertraut haben. Für meine Quellen wäre es viel schlimmer gewesen.

Ermittlungen gegen BR-Polizeireporter Bendixen

Zwei Informanten hatten der Staatsanwaltschaft einen Tipp gegeben und behauptet zwei Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) wollten für 30.000 Euro Akten aus dem Hypo Alpe Adria Prozess verkaufen. Oliver Bendixen sei der Mittelsmann, der den Verkauf einfädeln sollte. Für die Staatsanwaltschaft reichte der Tipp, um die Telefone von allen dreien, den beiden LKA-Beamten und Bendixen, anzapfen zu wollen. Die beiden Polizisten wurden mitsamt ihrer Familien, privaten Telefone und Diensthandys ein viertel Jahr lang abgehört. Im Fall von Bendixen hat das BKA das Abhören verweigert. Erstens sei der Verdacht zu vage, zweitens wolle man Journalisten nicht abhören. Allerdings gab es Gespräche, die Bendixen mit den beiden Polizisten geführt hat, die aufgezeichnet wurden. Die Verfahren gegen alle drei Beschuldigten (Oliver Bendixen und die LKA-Beamten) sind inzwischen "wegen erwiesener Unschuld" eingestellt worden.

BR.de: Ab und zu sind Sie weiter aktiv im BR Fernsehen, unter anderem für report und die Rundschau. Was nehmen Sie aus der Hörfunkzeit zum Fernsehen mit?

Oliver Bendixen: Die Gewissheit, mich zurechtzufinden und zu wissen, wie man handeln muss, wenn etwas Brisantes passiert ist. Vielleicht auch die guten Beziehungen in den gesamten Sicherheitsapparat. Das beim Fernsehen weiter einsetzen zu können, ist eine Herausforderung.

BR.de: Was geben Sie jüngeren Kollegen mit auf den Weg für ihre berufliche Zukunft?

Oliver Bendixen: Sich ein Thema suchen, das sie selber fasziniert und von dem sie auch in der Lage sind, es anderen näher zu bringen. Wissenschaft, Medizin, Kriminalität, Umweltschutz, Bildung, Kirche - ganz egal, Hauptsache es ist spannend. Man sollte sich auf etwas spezialisieren. Dann macht's auch Spaß.

Nachfolgerin von Oliver Bendixen als Polizeireporterin beim Hörfunk

Nachfolgerin ist ab Ende Juli Lena Deutsch. Die ehemalige BR-Volontärin arbeitet seit drei Jahren beim BayernCenter im Hörfunk und für die Wissenschaft im Fernsehen.