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Das kurze Leben des Friedrich Schiller Das Thema

Stand: 24.06.2008 | Archiv

Büste | Bild: picture-alliance/dpa

Schillers Leben war von Krankheit überschattet, Schillers Werk der Krankheit abgetrotzt. Schon der 24-Jährige erkrankte 1783 an Malaria, die damals in der Rheinpfalz grassierte. Er verordnete sich strenge Diät und nahm sehr hohe Dosen an Chinarinde ein, beides hat ihm mehr geschadet als genützt. Seit diesem Zeitpunkt hatte er mit Krankheit zu kämpfen, ließ aber seine Umgebung nie darunter leiden: "Ich habe eine Fertigkeit im Übelbefinden erlernt." Am 13. Januar 1791 bekam er hohes Fieber, Atemnot, Erbrechen und Magenkrämpfe: eine schwere Lungenentzündung infolge eines nicht ausgeheilten Katarrhs. Eine eitrige Rippenfellentzündung folgte, die unerkannt blieb. Der Eiterherd drang durch das Zwerchfell in den Bauchraum und machte ihn chronisch schwerkrank bis zu seinem frühen Ende. Besonders tragisch mutet der Umstand an, dass Schiller in seiner zweiten Dissertation an der Karlsschule (erst die dritte wurde angenommen!) eben jenes hitzige Fieber, verursacht durch unerkannt wandernde Eiterherde, als Thema wählte und beschrieb. Beim Patienten Schiller wurde jedoch die Ursache der tödlichen Erkrankung nicht erkannt. Als er am 9. Mai 1805 starb und seine Leiche anschließend obduziert wurde, schrieb der Arzt Dr. Wilhelm Huschke in seinen Befund: "Bei diesen Umständen muss man sich wundern, wie der arme Mann so lange hat leben können."

Geheimes Lebensmotto

Sein Biograph Rüdiger Safranski beschrieb es mit nüchterneren Worten so: "Sein schöpferischer Enthusiasmus hielt ihn am Leben über das Verfallsdatum des Körpers hinaus." Dieser schöpferische Enthusiasmus half schon dem Zögling der Karlsschule, den strengen Drill der Eliteschule auszuhalten: Keine Ferien, keine Möglichkeit, einmal allein zu sein, keine Freizeit, militärischer Tagesablauf, Überwachung bis in den Schlafsaal. Als er den Marquis Posa in "Don Carlos" sagen lässt: "Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!", steht seine ganz persönliche Erfahrung mit dem Despoten Karl Eugen von Württemberg, der sich als "Vater" seiner Karlsschüler sah, dahinter. Mit dem ihm eigenen Enthusiasmus überwand er nicht nur die Zwangsjacke der Karlsschule, sondern auch die Misslichkeiten des freien Schriftstellerlebens, obwohl die Krankheit ihm immer zu schaffen machte.

Im Wallenstein heißt es "Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Rüdiger Safranski entdeckte darin das geheime Lebensmotto des Autors Schiller und interpretiert sein Wirken im Alltag so: "Bei Schiller gab es eine innere Wette: Wer ist stärker, die Macht des Geistes oder der Körper? Dieses sportliche Grundverhältnis zur sterblichen Materie war sein Lebensmotiv. Am Ende unterliegt man auf jeden Fall. Aber wie viel man noch rausholt, da gibt es Spielräume, und Schiller war ein Virtuose in der Nutzung dieser Spielräume."

Keine Freiheit als die Liebe

Nicht nur in dieser Hinsicht war er der Antipode zu seinem Dichterfreund Goethe. Schiller hat den zehn Jahre älteren Geheimrat mit Recht immer für den vom Schicksal Begünstigten gesehen, den Sohn aus reichem Hause, dem alles in den Schoß fällt und die Gunst seines Fürsten genießt. Und doch rang er sich zu der noblen Erkenntnis durch, "dass es dem Vortrefflichen gegenüber keine Freiheit gibt als die Liebe." Erst dieser Schritt ermöglichte die fruchtbare Freundschaft der beiden. Doch als Schiller am 1. Mai 1805 zusammenbrach und sich neun Tage lang auf dem Sterbebett quälen musste, war Goethe ebenso wenig zur Stelle wie bei Schillers Beerdigung. Der Geheimrat, der Krankheit und Tod nicht ertragen konnte und deshalb auch seine Frau Christiane beim Sterben schmählich alleine ließ, war angeblich auch bei Schillers Beerdigung durch Krankheit verhindert. Den zehn Jahre jüngeren Frühverstorbenen hat er schließlich um fast dreißig Jahre überlebt.


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