Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. Mai 1935 Sabiha Gökçen, erste Kampfpilotin der Welt

Frauen in Männerberufen sind heute keine Seltenheit. Das Wort "Quote" schreckt niemanden mehr. Naja, doch vielleicht einige, wenn es um extrem männliche Männerberufe geht. Kampfflieger könnte man für so einen halten… Autor: Ulrich Trebbin

Stand: 05.05.2015 | Archiv

05 Mai

Dienstag, 05. Mai 2015

Autor(in): Ulrich Trebbin

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Krieg ist Männersache! Die Frauen kümmern sich unterdessen daheim ums Tagesgeschäft - Kinder, Küche, Kirche und so. Diese Arbeitsteilung galt über Jahrtausende. Jedoch: es gab Ausnahmen: Eine von ihnen war die Amazonenkönigin Penthesilea. Sie hat der Sage nach die Trojaner gegen die sie belagernden Griechen unterstützt und mit ihrem Amazonenheer viele Feinde auf dem Schlachtfeld erdolcht, durchbohrt oder sonst wie hingemetzelt.

Auch wenn man den Krieg ablehnt, muss man es wohl oder übel gutheißen, dass sich auch Frauen an ihm beteiligen dürfen, so sie das denn wollen: wenn schon Gleichberechtigung, dann auch richtig! Deswegen tun wir heute nolens-volens einer solchen Frau die Ehre und erinnern an die erste Kampfpilotin der
Welt- und Kriegsgeschichte: die Türkin Sabiha Gökçen.

Erste Frau im Kriegsflieger

Weil ihr Vater früh gestorben war, wuchsen Sabiha und ihre Geschwister in bedauernswerten Umständen auf. Doch das selbstbewusste Mädchen hat die erste beste Gelegenheit ergriffen, um diesem Schicksal zu entfliehen. Oder besser: Sie hat sich diese Gelegenheit selbst geschaffen. Als nämlich Präsident Kemal Atatürk 1925 in ihre Stadt kommt, da erreicht es die Zwölfjährige, dass der Staatschef sich für sie interessiert, und sagt ihm, dass sie auf eine höhere Schule gehen möchte. So wird sie eines seiner acht Adoptivkinder, bekommt eine ordentliche Schulausbildung und besucht an der Seite Atatürks am 5. Mai 1935 eine Flugschau: Sie ist Feuer und Flamme. Der Präsident liest der jungen Dame also den brennenden Wunsch von den Augen ab und schickt sie auf eine Pilotenschule. Denn nach seinem Credo kann die Türkei nur dann eine starke und moderne Nation sein, wenn Männer und Frauen daran mitarbeiten.

In die Pilotinnenkanzel

Also wird Sabiha die erste türkische Pilotin, lernt insgesamt 22 verschiedene Flugzeugtypen fliegen, bombardiert als Kampfpilotin im Osten des Landes aufständische Kurden, wirft Bomben im Koreakrieg und bekommt für ihre Tapferkeit den höchsten türkischen Fliegerorden. Noch zu Lebzeiten wird dann auch Istanbuls zweiter Flughafen nach ihr benannt.

Die vor Troja kämpfende Amazonenkönigin Penthesilea hätte Sabiha Gökçen sicher als ihre Schwester im kriegerischen Geiste erkannt und wäre stolz auf sie gewesen. Hinter Trojas Mauern aber lebte eine andere sagenhafte Frau, die den Krieg hasste und es als ein Privileg der Frauen betrachtete, nicht daran teilnehmen zu müssen: Kassandra, die Tochter von König Priamos. Die Seherin prophezeite, dass das hölzerne Pferd der Griechen ihrer Heimatstadt den Untergang bringen würde. Doch niemand wollte ihr glauben. - Hätte man Kassandra übrigens nach Sabiha Gökçen befragt, dann würde sie wohl geweissagt haben, dass drei Jahre nach ihrem Tod ein Schatten auf den Ruhm der Pilotin fallen würde: 2004 nämlich fanden sich Belege dafür, dass die nationale Heldin eigentlich gar keine echte Türkin war, sondern ein armenisches Waisenkind!

Ein landesweiter Aufschrei der Entrüstung war die Folge. Der türkisch-armenische Journalist, der ihre Herkunft enthüllt und auch sonst gegen den Nationalismus angeschrieben hatte, wurde als Lügner beschimpft und drei Jahre später von einem wütenden Fanatiker auf offener Straße erschossen.


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