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Ein Hilfsprogramm mit Strahlkraft

Der Marshall-Plan Ein Hilfsprogramm mit Strahlkraft

Stand: 19.10.2017

Lieferung von Eisenbahnwaggons an die die Deutsche Reichsbahn | Bild: picture-alliance/dpa

Aus politisch-psychologischer Sicht ist das European Recovery Program ein Riesenerfolg. Es rüttelt die Menschen im kriegsversehrten Europa auf. Die Amerikaner zeigen sich solidarisch, der rasche Wiederaufbau rückt in greifbare Nähe, ein Gefühl macht sich breit: Es geht wieder aufwärts. Während Waren in die Länder strömen und Kriegsfolgen behoben werden, stabilisieren sich auch die westeuropäischen Gesellschaften und sind weniger anfällig für Unterwanderungsversuche kommunistischer Parteien.

Zahlreiche Europäer spüren, dass sie nicht mehr allein sind, sie wissen die mächtigen USA auf ihrer Seite. Bei folgenden Krisen wie etwa der Berlin-Blockade 1948 sind - angesichts der Schutzmacht Amerika - Zuversicht und Gelassenheit zu spüren.

Die Wirtschaftshilfe bringt zusammen mit anderen Faktoren den Wiederaufbau Westdeutschlands voran und fördert die Einbindung der BRD in eine europäische Nachkriegsordnung. So gibt der Marshall-Plan der europäischen Integration einen wichtigen Schub. Er zwingt die am Projekt beteiligten Staaten zur Zusammenarbeit und trägt dazu bei, dass sich einstige "Erbfeinde" näher kommen. Vom ERP führt eine Linie zur Kohle- und Stahlunion, zur Europäischen Gemeinschaft und auch zur NATO.

Absage an die Isolationspolitik

Die Signalwirkung des Marshall-Plans ist auch in den USA beachtlich. Ökonomen sind angetan von der Verzahnung der westeuropäischen Wirtschaft mit der amerikanischen. Und nachdem sich führende Demokraten und Republikaner darauf geeinigt haben, der Machtpolitik Stalins in Europa aktiv entgegenzuwirken, wird auch der breiten Öffentlichkeit klar, dass es kein zurück mehr zu einem Isolationismus wie nach dem Ersten Weltkrieg gibt.

Inwieweit der Marshall-Plan die Teilnehmerstaaten ökonomisch stärkt, ist unter Experten umstritten. Manche halten die eingesetzte Geldmenge für zu gering, um tatsächlich einen Wirtschaftsaufschwung in Europa hervorzurufen. Europa hätte sich, meinen Nörgler unter Missachtung des psychischen Effekts, zwar etwas schwerfälliger, aber auch ohne US-Kapitalinfusionen erholt.

Fest steht jedenfalls, dass Länder, die Hilfe erhalten, zwischen 1948 und 1952 ihre Wirtschaftskraft deutlich steigern. Europaweit wächst die Industrieproduktion in diesem Zeitraum um etwa 50 Prozent und liegt damit weit über dem Vorkriegsniveau. Die Landwirtschaftsproduktion erreicht, verglichen mit 1938, ein Plus von kapp zehn Prozent. Auch das hohe Handelsbilanzdefizit Europas gegenüber dem Dollarraum gibt es nach Auslaufen des ERP nicht mehr.

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