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Bildzeugen der Menschwerdung Gottes

Die Russisch-Orthodoxe Kirche Bildzeugen der Menschwerdung Gottes

Stand: 05.04.2017

Orthodoxes Weihnachtsfest im Kloster Lazarica in Kroatien_ | Bild: picture-alliance/dpa

In den ersten zweihundert Jahren seiner Geschichte ist das Christentum eine Religion ohne Bilder. Im Verzicht auf bildliche Darstellungen Gottes, Christi oder anderer heiliger Personen grenzen sich die Christen bewusst von der "heidnischen Götzenanbetung" und dem römischen Kult des Kaiserbildes ab.

Das Christentum wird zur Bilderreligion

Zu Beginn des dritten Jahrhunderts tauchen auf den Wänden der Katakomben neben bereits vorher gebräuchlichen Symbolen wie Anker, Fisch, Lamm oder Taube mit dem Bild des Guten Hirten erstmals figürliche Christusdarstellungen auf. Diese frühen Bilder haben allerdings noch keinen Abbild-, sondern reinen Symbolcharakter. An der Wende vom fünften zum sechsten Jahrhundert setzt mit der zunehmenden Heiligenverehrung schließlich die Verbreitung von Kultbildern ein, die von der Masse der Gläubigen als wundertätig verehrt sowie um Schutz und Beistand angerufen werden. Einige dieser Bilder, in denen man die dargestellten Personen real anwesend wähnt, begründen eigene Wallfahrten. Den Zorn der Theologen erwecken aber vor allem die immer zahlreicheren, immer menschlicher gezeichneten und daher als Wiederkehr heidnischer Götzenanbetung verurteilten Christusbilder.

Bilderfeinde und Bilderfreunde im Widerstreit

726 verbietet der byzantinische Kaiser Leon III. (717-741) den Bildgebrauch in Kirchen und löst so einen Bildersturm aus, dem zahlreiche Ikonen und Ikonenverehrer zum Opfer fallen. In seiner Argumentation folgt Leon der von vielen Theologen geteilten Ansicht, dass die Göttlichkeit Christi nicht darstellbar und seine menschliche Knechtnatur nicht darstellungswürdig sei. Im Gegenzug entwickeln Germanos, der Patriarch von Konstantinopel, Georgios von Zypern und vor allem Johannes von Damaskus eine ausgesprochen bilderfreundliche Theologie. Hauptargument der "Bildbefürworter" ist die Menschwerdung Christi. In der Ikone, so schreibt Germanos, "zeichnen wir das Bild seiner menschlichen Gestalt gemäß dem Fleische und nicht das seiner unfassbaren und unsichtbaren Göttlichkeit. Wir fühlen uns veranlasst, unseren Glauben bildlich darzustellen, um zu zeigen, dass Gott sich nicht nur dem Anschein nach, gleichsam wie ein Schatten, mit unserer Natur vereint hat, sondern dass er wirklich Mensch geworden ist." Ähnlich argumentiert Johannes von Damaskus, der zusätzlich zwischen der dem Abbild erbrachten, aber dem Urbild zufließenden Verehrung unterscheidet: "Urbild ist das, dem etwas nachgebildet, von dem ein Abbild gemacht wird."

Der Ikonenkompromiss: Verehrung ja, Anbetung nein

Zwischen 754 und 843 wird der Bildgebrauch von mehreren Konzilen abwechselnd verboten oder erlaubt. Die Bildgegner verdammen jede bildliche Darstellung als Abfall von der reinen Lehre, da Gott allein mit geistigen Augen zu sehen und zu verstehen ist. Die Bildbefürworter sehen sich durch die Fleischwerdung Gottes in Christus bestätigt und unterscheiden zwischen zwei Arten der Verehrung: Die Anbetung (Latreia) gebührt alleine Gott, die kniefällige Verehrung (Proskynesis) dürfe auch dem Heiligenbild entgegengebracht werden, weil die dem Abbild erwiesene Ehre unmittelbar auf das Urbild übergehe und damit nicht nur statthaft, sondern sogar geboten sei. Schließlich entscheidet eine 843 in Konstantinopel einberufene Synode endgültig zugunsten des religiösen Bildes und seiner kniefälligen Verehrung.

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