Bayern 2 - radioWissen

Die Welt im Umbruch

Martin Luther Die Welt im Umbruch

Stand: 08.05.2017

Martin Luther, dargestellt in seiner Studierstube auf der Wartburg. Lutherdenkmal von 1896 von Adolf von Donndorf in Eisenach | Bild: picture-alliance/dpa

Die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit ist geprägt von Umwälzungen auf nahezu allen Gebieten. Der transkontinentale Handel kommt voran, die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus ist ein wichtiger Schritt in Richtung Globalisierung. Das Geld- und Bankwesen entfaltet sich, der Kaufmann wird zum Motor des Frühkapitalismus. Die Erfindung der beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg revolutioniert das Publikationswesen: Bücher sind nicht mehr einer kleinen Elite vorbehalten, sondern werden durch den Buchdruck der Masse der Bevölkerung zugänglich. Die Naturwissenschaften blühen auf. Nikolaus Kopernikus erkennt, dass die Sonne, nicht die Erde, der Mittelpunkt des Planetensystems ist.

Neue Sicht auf den Menschen

Der Humanismus bringt die Säkularisierung des Denkens. Ausgehend von der Kultur der Antike streben Humanisten nach einem Leben, in dem sich der Mensch frei entfalten, bilden und die Herrlichkeit des Diesseits genießen kann. Auch Künstler wie Leonardo da Vinci widmen sich dem Menschen.

Das Individuum spielt im frühen 16. Jahrhundert eine zunehmend tragende Rolle, was auch bei Luther deutlich wird: "Hier stehe ich", sagt er angeblich auf dem Reichstag zu Worms, "ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!"

Der Nationalismus erstarkt

Mit dem Frühkapitalismus kommen nationale Strömungen auf. Vor allem Territorialfürsten, in deren ererbtem oder erobertem Herrschaftsgebiet wirtschaftliche Knotenpunkte liegen, sind daran interessiert, einheitliche Staaten zu formen. Sie wollen ihre Macht gegenüber dem Haus Habsburg stärken und bedienen sich dabei des Professors Luther, der Papst und Kaiser die Stirn bietet. Als Luther in Gefahr gerät, nimmt ihn Kurfürst Friedrich der Weise unter seine Fittiche und versteckt ihn 1521/22 auf der Wartburg.

Die aufkommende Nationalität bringt die auf Universalität ausgerichtete mittelalterliche Kirche in Bedrängnis. Sie beginnt - wie Kaiser und Reich - die integrative Funktion einzubüßen. Humanisten wie Ulrich von Hutten gießen Öl ins Feuer, indem sie von einer "erniedrigenden Romhörigkeit" der deutschen Kirche fabulieren. Die mittelalterliche Ordnung und die alte Einheit von Gesellschaft, Herrschaft und Religion geraten ins Wanken.

Soziale und religiöse Gärungen

In den Städten nimmt die soziale Differenzierung zu. Auf dem Land betrachten selbstbewusst gewordene Bauern und Reichsritter misstrauisch das Machtstreben der Territorialherren, die alte Rechte abschaffen möchten, um ein einheitliches Untertanengefüge zu bilden.

Ungeachtet der Umbruchdynamik sind viele Menschen in mittelalterlichem Denken verhaftet. Man fürchtet sich vor ewiger Verdammnis, hat Angst vor den Qualen der Hölle und sorgt sich um das persönliche Seelenheil. Vages Krisenempfinden geht einher mit einer intensiven Heilserwartung. Das Bedürfnis nach Gnade, Rechtfertigung und Erlösung wächst.

Die Häufung von Messen, Heiligen- und Reliquienverehrung sowie Wallfahrten sind Äußerungen extremer Frömmigkeit. Hier kommen geschäftstüchtige Kirchenmänner ins Spiel und offerieren ein probates Mittel zum Erwerb und zur Sicherung des Seelenheils: den Ablass. Doch es keimen Zweifel in der Bevölkerung. Einer fasst den Argwohn in klare Worte: Martin Luther.

Zurück zur Übersichtsseite

Luther-Denkmal vor dem Rathaus auf dem Marktplatz von Wittenberg_ | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema Martin Luther Ein Mönch erschüttert das Abendland

Ein revolutionäres Gemisch aus individueller Initiative und allgemeiner Krisenstimmung löst im frühen 16. Jahrhundert die Reformation aus. Martin Luther, ein Mönch und Theologieprofessor, setzt mit seiner Lehre enorme Kräfte frei. [mehr]