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Seefahrt tut und macht Not: Das Längenproblem

Längen- und Breitengrade Seefahrt tut und macht Not: Das Längenproblem

Stand: 04.11.2016

Hinweisschild auf den Null-Meridian am Observatorium im Londoner Stadtteil Greenwich, von dem die Gradeinteilung der Erde in östliche und westliche Längengrade erfolgt | Bild: picture-alliance/dpa

Im Zeitalter der Entdeckungen und Eroberungen, der Förderung und Ausweitung des Überseehandels, der Ausbeutung und Verteidigung neuer Überseebesitzungen wird die präzise Orientierung auf See mehr und mehr zur Schlüsselqualifikation des machtpolitischen und merkantilen Aufschwungs. Das frühkoloniale Wettrennen der europäischen Nationen ist auch ein Wettrennen um Navigationsvorteile. Die herkömmlichen Verfahren erweisen sich dabei als unbrauchbar. Zum einen sind Ziele nicht direkt ansteuerbar. Die Kapitäne müssen sich damit behelfen, durch Winde und Strömungen begünstigte Breitengrade in östlicher oder westlicher Richtung abzusegeln. Das wirft erhebliche Probleme auf: Da die Fahrten oft länger dauern als geplant, gehen Trinkwasser und Proviant zur Neige. Seuchen oder Mangelkrankheiten wie der Skorbut brechen aus. Kursabweichungen und falsche Ortsbestimmungen bergen das Risiko, auf Grund zu laufen oder an Riffen zu scheitern. Da sich der Seeverkehr auf wenige bekannte Routen beschränkt, haben Freibeuter, Piraten oder feindliche Flotten ein leichtes Spiel. Sie müssen den schwerfälligen Frachtschiffen nur an geeigneten Stellen auflauern und im richtigen Moment zuschlagen.

Ein Wettbewerb soll es richten

Je intensiver die europäischen Staaten die Eroberung und Ausbeutung neuer Territorien in Übersee betreiben, desto deutlicher erweist sich die Breitennavigation als einschränkender, handels- und kolonialisierungsfeindlicher Faktor. Spanien, Frankeich und Holland gehen früh daran, das Problem durch nationale Anstrengungen zu lösen. Sie loben bereits um 1600 hohe Preise aus für "die Erfindung eines Mittels, wodurch man die Länge zur See bestimmen könnte". England braucht hundert Jahre länger und eine Katastrophe, um das Problem anzupacken. Als jedoch am 22. Oktober 1707 aufgrund eines Navigationsfehlers vier britische Schiffe innerhalb weniger Minuten vor der Südwestspitze Englands sinken und mehr als 1600 Seeleute ertrinken, hat das Zaudern ein Ende. Mit dem 1714 erlassenen "Longitude Act" (Längengradgesetz) setzt das britische Parlament 20.000 Pfund als Preis für die Lösung des Längenbestimmung aus. Die volle Summe soll gewinnen, wer dem "Board of Longitude" (Längenbüro), einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Expertenjury, eine zuverlässige Methode zur Bestimmung der geografischen Länge auf See präsentiert. Die Präzisionsanforderungen sind gewaltig: Das preiswürdige Verfahren darf ein halbes Grad Abweichung nicht überschreiten.

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Spiegelsextant auf einer alten Karte liegend | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema Längen- und Breitengrade Die Vermessung der Welt

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