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Die "gute Policey"

Ungewollt schwanger um 1700 Die "gute Policey"

Stand: 09.12.2019

Porträt von Maximilian I., Herzog von Bayern und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches (1573-1651) | Bild: picture-alliance/dpa

Der Staat des späten Mittelalters ist lehensrechtlich organisiert. Er beruht auf einem Geflecht familiärer und personaler Beziehungen, Verpflichtungen und Eide. Herrschaft meint daher zunächst nicht Herrschaft über ein abgegrenztes Staatsgebiet, sondern Herrschaft über einen Verbund von Menschen, die untereinander in einem persönlichen Verhältnis von Abhängigkeit, Untertänigkeit, Dienst und Lohn stehen.

Ausbau der Landesherrschaft

Ab dem 13. Jahrhundert lösen gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Modernisierungsschübe die feudalen Strukturen des Mittelalters allmählich auf. Die Stellung des Königs wird schwächer, Herzöge und Reichsfürsten nehmen als Lehen empfangenes Land, daran gebundene Herrschaftsbefugnisse und königliche Vorrechte (Regalien) dauerhaft in erblichen Besitz. Mit den politischen ändern sich auch die ökonomischen und sozialen Verhältnisse. Zumal in den Städten bilden sich neue Formen der Geld- und Kreditwirtschaft, des Waren- und Güterhandels heraus. Damit entstehen neue Berufe, neue Gewerbe und neue soziale Schichtungen. Die Veränderungen und Anpassungsnöte einer sich aufspaltenden Gesellschaft lösen wiederholt gewaltsame Auseinandersetzungen und regelrechte Unruhewellen aus. Vor allem die Erschütterungen der Reformations- und Bauernkriege verstärken den Eindruck, in einer Endzeit zunehmender Unordnung und drohenden Untergangs zu leben.

Der wohl geordnete Staat

Je differenzierter sich die Strukturen des menschlichen Zusammenlebens im 15. und 16 Jahrhundert auffächern, desto deutlicher wird die Notwendigkeit, die veränderten Formen des öffentlichen Lebens auf eine stabilisierende Grundlage zu stellen. Diese Regulierung ist Aufgabe der "guten Policey". Der Begriff geht auf das griechische Wort politeia zurück und bedeutet vom Spätmittelalter bis zur Aufklärung so viel wie "Staatsverwaltung", "öffentliche Ordnung", "geordnetes Gemeinwesen". Zum Policey-Wesen, so schreibt der württembergische Staatsrechtler Johann Jacob Moser noch 1773, "gehören diejenige Stücke, welche zu Einführ- oder Erhaltung der Sicherheit, guten Zucht und Ordnung, Nothdurfft, Wohlstand, Bequemlichkeit und Nutzen des allgemeinen bürgerlichen Lebens gereichen". Sie sollen dafür sorgen, "der Unterthanen äusserliches Betragen im gemeinen Leben in Ordnung zu bringen und zu erhalten, wie auch ihre zeitliche Glückseligkeit zu befördern."

Reichs- und Landesgesetze

Umfassende Policey-Ordnungen, die das Leben vom Aufstehen bis zum Zubettgehen, vom Anziehen bis zum Zutrinken, vom Kirchgang bis zum Bierbrauen und privaten Feiern gesetzlich lenken, werden seit dem Ende des 14. Jahrhunderts insbesondere von den Städten erlassen. Angestoßen durch die als bedrohlich wahrgenommenen Ordnungsdefizite der frühen Neuzeit, greift die Reichsverwaltung das zunächst meist lokal gebrauchte Werkzeug auf. 1547/48 verabschiedet der Augsburger Reichstag eine 1577 nochmals überarbeitete und erweiterte "Ordnung und Reformation guter Policey". Die Gesetzesinitiative des Kaisers schiebt eine massive Welle landesfürstlicher "Policey-Ordnungen" an, die inhaltlich zunächst keine wirklichen Neuerungen bieten. Die territorial gültigen Gesetze übernehmen im Wesentlichen die Vorgaben der Reichsgesetzgebung und bestätigen die Rechtsauffassungen früherer städtischer oder kommunaler Verordnungen.

Landesherren markieren ihr Revier.

Trotzdem sind die Landespolizeiordnungen der frühen Neuzeit ein Novum: Sie bekräftigen den Anspruch der Territorialherren, innerhalb ihrer Gebiete die Rechtsetzung möglichst umfassend an sich zu ziehen und das gesamte Staatsgebiet mit einer einheitlichen Rechtsprechung zu durchdringen. Die Stoßrichtungen sind klar erkennbar: Es geht zum einen darum, das öffentliche Leben zu ordnen und Rechtssicherheit zu schaffen, es geht aber auch darum, territoriale Herrschaft juristisch und administrativ durchzusetzen.

Von Gottes Gnaden, wir, Maximilian

Das Ziel einer Ausweitung und Verdichtung ihrer Herrschaft verfolgen selbstverständlich auch die bayerischen Herzöge. Sie können dabei auf einer bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Tradition von Landgeboten, Mandaten, städtischen und kommunalen Rechtsetzungen aufbauen, die Herzog Maximilian I. (1573 - 1651, reg. ab 1597) in der 1616 erlassenen "Landts-und policeyordnung der fürstenthumben Obern vnd Nidern Bayern" erstmals systematisch bündelt.

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