Bayern 2 - radioTexte


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Christa Berndl liest Vicki Baum: Es war alles ganz anders

„Das also ist aus dir geworden: ein Zeitstück, nichts anderes“ – die Schriftstellerin und Drehbuchautorin erzählt aus ihrem Leben, darunter über die Kindheit in Wien. Lesung mit Christa Berndl in drei Folgen.

Stand: 01.02.2024 | Archiv

"Die Pitzelgrubers waren überzeugte Anhänger des Zweiparteiensystems. Ihre Methode des Selbstschutzes, stets beiden Seiten anzugehören, zeigte sich besonders wirksam, als sie die rot-weißen österreichischen Fahnen diskret beiseite schafften und die Hakenkreuzfahnen enthüllten, die sie in weiser Voraussicht für den Tag des Anschlusses bereitgehalten hatten."

(Vicki Baum: Es war alles ganz anders)

Und nicht die Hausmeister vom Schlage eines Pitzelgruber machten dem Kind einer jüdischen Familie aus Wien zu schaffen. Vicki Baum wuchs in Umständen auf, die man nicht als glücklich bezeichnen kann. Materiell war sie abgesichert, damit hat es nichts zu tun. Die Mutter hatte eine schwere seelische Erkrankung, der Vater wiederum ein sehr ambivalentes Verhältnis zu seiner Frau. Unter anderem davon erzählt die Schriftstellerin in ihren Erinnerungen, 1962 unter dem Titel „Es war alles ganz anders“ erschienen.

Geboren 1888 in Wien wurde Vicki Baum zunächst Musikerin. Sie spielte Harfe und war in verschiedenen Orchestern engagiert. In den Jahren des Ersten Weltkriegs fand sie zur Literatur und wurde schließlich eine der vielgelesenen Autorinnen in der Weimarer Republik. Die Literaturkritik tat sich nicht leicht mit ihrem Oeuvre und sortierte es in die Schublade Unterhaltungsliteratur. Trotzdem war Vicki Baum, wie etwa in ihrem Roman „Menschen im Hotel“ zu sehen ist, eine aufmerksame Chronistin ihrer Zeit.

Anfang der 1930er Jahre wurde die Schriftstellerin Baum nach Hollywood eingeladen. „Menschen im Hotel“ wurde verfilmt, mit Greta Garbo in der Hauptrolle. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kehrte Vicki Baum nicht mehr nach Deutschland zurück. Ihre Bücher gehörten zu denen, die am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt wurden. Vicki Baum arbeitete in den Vereinigten Staaten als Schriftstellerin und ebenso als Drehbuchautorin. Am Ende ihres Lebens entstand der Wunsch, ihre Geschichte zu erzählen, wie sie am Beginn von „Es war alles ganz anders“ berichtet. 1960 starb Vicki Baum, die Veröffentlichung ihrer Memoiren erlebte sie nicht mehr.

Aus Anlass des 100. Geburtstags von Vicki Baum im Jahr 1988 hat Christa Berndl aus den Erinnerungen „Es war alles ganz anders“ gelesen. Im Mittelpunkt dabei der Blick auf die Wiener Kindheit und Jugend in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg – eine in persönlicher Hinsicht fordernde Zeit.

Vicki Baums Memorien gibt es als Buchausgabe im Verlag Kiepenheuer und Witsch. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages dürfen wir die Lesung mit Christa Berndl in unserem Podcast „Lesungen“ in der ARD Audiothek anbieten.

Redaktion: Niels Beintker


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