Zuerst ist Tessa überzeugt, von dem, was sie tut. Sie hat sich hochgearbeitet, kommt aus der Arbeiterklasse und hat es erst an eine britische Eliteuni und mittlerweile in den Kreis der vielversprechendsten jungen Strafverteidigerinnen Londons geschafft. Eine Aufsteigergeschichte. Und eine Geschichte vom Vertrauen ins Rechtssystem. Denn was Tessa im Studium gelernt hat, glaubt sie wie kaum ein anderer: Dass das Rechtssystem gut eingerichtet ist, so wie es ist. Dass die Wahrheit schon ans Licht kommt, wenn nur jeder seinen Job gut macht. Und sie macht ihn gut.

Bis sie selbst Opfer sexuellen Missbrauchs wird und die Seiten wechselt – nicht ins Kreuzverhör nimmt, sondern ins Kreuzverhör genommen wird. Und spürt: Das System funktioniert nicht für Frauen, die traumatisiert sind.

Suzie Millers Roman – das gleichnamige Theaterstück hat in Großbritannien schon für Furore gesorgt – ist ein enorm politisches Stück Literatur. Engagiert und mit klarer Botschaft, die ankommt: Tausende Polizisten in Großbritannien wurde Millers Stück bis heute gezeigt, damit sie anders mit potenziell traumatisierten Opfern umgehen. Richterinnen haben sich an die Autorin gewandt, weil sie geschockt waren, nachdem sie die Bühnenfassung gesehen haben, in manchen Gerichten ist das Stück mittlerweile zu einem Pflichttermin für Richter geworden, die über sexuellen Missbrauch urteilen. 

Marie Schoeß hat für Bayern 2 mit Suzie Miller gesprochen. Außerdem zu hören: eine Lesung aus „Prima Facie“ mit Katja Bürkle. Der Roman ist im Kjona Verlag erschienen und wurde von Katharina Martl ins Deutsche übersetzt. Auch im Bayern 2 Podcast Lesungen zu finden.

Regie: Irene Schuck.
Moderation: Marie Schoeß.