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Lesley Nneka Arimah "Was es bedeutet, wenn ein Mann vom Himmel fällt"

Im Mittelpunkt der fesselnden Kurzgeschichten stehen starke Frauen, die sich in einer grausamen Welt behaupten müssen. Starke Geschichten über Familie, Freundschaft, Einsamkeit, Gewalt, um Trauer und Liebe. Soeben erhielt sie den mit 10 000 Pfund dotierten "Caine Prize For African Writing". Die amerikanisch-nigerianische Schirftstellerin Lesley Nneka Arimah schlägt in ihrem fesselnden Debüt Brücken zwischen Amerika und Afrika, zwischen verschiedenen Lebensformen und Konventionen. Ein Meisterwerk der Erzählkunst, ausdrucksstark und mitreißend.

Von: Eva Demmelhuber

Stand: 10.07.2019

Lesley Nneka Arimah | Bild: Lesley Nneka Arimah

"Für meinen Vater, danke, dass Du mir Deine Geschichten erzählt hast"

Nichts Autobiographisches sei in ihren Stories, erzählt die amerikanisch-nigerianische Schriftstellerin in einem Gespräch mit Cornelia Zetzsche. Nur bei einer einzigen hätte sie Geschichtenmaterial ihres Vaters verwendet, bei "Kriegsgeschichten". Ihm widmet sie auch ihren hinreißenden Debüt-Band mit 12 Erzählungen. Im nigerianischen Bürgerkrieg der späten 60er Jahre hätte ihr Vater beinahe sein Bein verloren. Er redete selten über seine Kriegstraumata, trotzdem schwebten seine Geschichten und Erlebnisse immer über der Familie.

Geschichten können ein Trost sein, erzählt Lesley Nneka Arimah. Sie habe immer viel gelesen, alles, was ihr in die Hände kam. Ihre 12 Short Stories, die jetzt in der Übersetzung von Zoë Beck auf Deutsch erschienen sind, sind so dicht, so fesselnd geschrieben, dass man sie nicht mehr aus der Hand legen möchte. Alle Genres blitzen auf, magischer Realismus, surrelae Parabeln, psychologischer Roman und mystische Elemente, alle Geschichten oszillieren zwischen Wirklichkeit und Surrealem. Ein Feuerwerk an Sprach- und Erzählkunst. Ihre meist weiblichen Protagonistinnen kämpfen um ihre Freiheit, um Selbstverwirklichung, rebellieren gegen Konventionen, gegen ihre Mütter und deren Vorstellung von "anständigen" Mädchen.

"Die hochgezogenen Augenbrauen meiner Mutter fragten: Nun?, und Mrs. Okechukwu sah mich finster an, bis meine nuancierte Verteidigung auf 'Ich wollte ihren BH sehen' zusammenschrumpfte. Meine Mutter rieb sich die Nase, und Mrs. Okechukwu murmelte etwas von Mädchen, denen man zu Hause keine Manieren beibrachte. An dem Punkt wurde meine Mutter wütend. Ich bemerkte es daran, wie sich ihre linke Schulter nach vorn krümmte, während sie versuchte, keine Faust zu ballen, und wie sie ihre Lippen so fest zusammenpresste, dass sie verschwanden. Sie blieb Anitas Mutter gegenüber höflich, aber ihr Blick brannte Löcher in mich hinein. 'Warte, bis dein Vater davon erfährt', war ihr letztes Mittel. In solchen Momenten wurde ich zur Tochter meines Vaters, zu einer verstörenden Kreatur, die zweifellos etwas von dem Wahnsinn seiner verrückten Vorfahren geerbt hatte. Ich war sein Problem, er hatte sich zu kümmern."

aus: 'Was es bedeutet, wenn ein Mann vom Himmel fällt', übersetzt von Zoë Beck

Lesley Nneka Arimah, 1983 in London geboren, wuchs größtenteils in Nigeria auf und zog mit ihrer Familie im Alter von 13 Jahren in die USA. Nach dem College zog sie nach Mankato, wo sie ihren Master of Fine Arts machte. Viele ihrer Short Stories erschienen im "The New Yorker" und bei "Harper's" und wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet. Heute lebt Lesley Nneka Arimah in den Twin Cities von Minneapolis.

"Kriegsgeschichten"

Buchcover "Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt" | Bild: culturebooks

Lesley Nneka Arimah, übersetzt von Zoë Beck, culturebooks 2019

In "Kriegsgeschichten" erzählt Lesley Nneka Arimah von einem Mädchen, das, um die grausamen Erlebnisse ihres Vaters zu verarbeiten, unabsichtlich den Schulhof zum Schlachtfeld macht und die Mitschülerinnen unter ihrem "Regime" zu einer "Armee" umfunktioniert. Lesley Nneka Arimah erzählt von ihrem Leben zwischen Nigeria und den USA und über ihr Schreiben. Die gebürtige Berliner Schauspielerin Mara Widmann vom Münchner Volkstheater liest Auszüge aus "Kriegsgeschichten".

Regie, Redaktion und Moderation: Cornelia Zetzsche

radioTexte - Das offene Buch, jeden Sonntag um 12.30 Uhr auf Bayern 2


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