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Reinhard Glemnitz und Hubert Mulzer lesen Imre Kertész: Dossier K. – Eine Ermittlung

„Soll ich jetzt etwa über all das reden, worüber ich nie reden wollte?“ – der ungarische Literaturnobelpreisträger erzählt sein Leben auf besondere Weise. Lesung mit Reinhard Glemnitz und Hubert Mulzer.

Stand: 15.01.2024 | Archiv

"Weißt du, es ist nicht so einfach, einem vierzehnjährigen Kind, vor allem, wenn es von Kameraden, von Kindern gleichen Alters, umgeben ist, mit denen es sein Schicksal teilen kann, die Lebenslust zu nehmen. In ihm ist eine… eine unverdorbene Naivität, die es vor dem Gefühl totaler Hoffnungslosigkeit, totalen Ausgeliefertseins schützt."

(Imre Kertész: Dossier K.)

Im Zentrum des Schreibens von Imre Kertész, geboren 1929, gestorben 2016, steht die Erfahrung, die er mit dem großen Wort der „Schicksallosigkeit“ umschrieben hat: die Erfahrung, in die deutschen Todeslager deportiert zu werden. Geboren und aufgewachsen in Budapest wurde Kertész 1944 als Jugendlicher nach Auschwitz und später dann nach Buchenwald deportiert. Er überlebte, nach der Befreiung im April 1945 kehrte er nach Ungarn zurück. Kertész arbeitete zunächst als Journalist und wurde schließlich freier Schriftsteller.

In seinem literarischen Debüt, dem „Roman eines Schicksallosen“ – entstanden in einem Zeitraum von über zehn Jahren und 1975 erschienen – hat Imre Kertész eindringlich von dem erzählt, was er während der nationalsozialistischen Judenverfolgung erleiden musste. Die Perspektive des jungen Menschen, der mit einer gewissen Unbefangenheit ausgestattet die Todeslager überlebt, gehört zu den Besonderheiten dieses Romans. Weitere große Bücher folgten diesem Debüt: „Fiasko“, die Entstehungsgeschichte des „Romans eines Schicksallosen“, „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ und schließlich „Liquidation“. Zusammen bilden sie eine „Tetralogie der Schicksallosigkeit.“

2002 erhielt Imre Kertész, einer der bedeutenden Chronisten der Shoah, den Nobelpreis für Literatur. Vier Jahre später veröffentlichte er eine Autobiographie: „Dossier K. – eine Ermittlung“. Der Schriftsteller hat sie auf ungewöhnliche Weise komponiert: als ein langes fiktives Interview, basierend wiederum auf einem langen Gespräch. Er schreibt sich ein in ein intensives Zwiegespräch mit sich selbst und konfrontiert sich mit den großen Fragen des Lebens und des Schreibens.

In einer Aufnahme des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 2006, der Veröffentlichung der Autobiographie, haben Reinhard Glemnitz und Hubert Mulzer aus „Dossier K.“ gelesen.


Das Buch von Imre Kertész ist, in der Übersetzung von Kristin Schramm, im Rowohlt-Verlag erschienen.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages dürfen wir die Lesung als Hörbuch-Podcast im Bayern 2-Podcast Lesungen anbieten. Redaktion: Niels Beintker


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